Drucksache 18 / 18 225 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 12. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. März 2019) zum Thema: Bundesratsinitiative und Maßnahmen zu „Racial Profiling“ und Antwort vom 27. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18225 vom 12. März 2019 über Bundesratsinitiative und Maßnahmen zu „Racial Profiling“ ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Zeitplan verfolgt der Berliner Senat bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten gesetzlichen Klarstellung zum Verbot von „Racial Profiling“, und findet diesbezüglich im Senat die Vorbereitung einer Bundesratsinitiative statt? Wenn ja, mit welchem angestrebten Inhalt? Zu 1.: Angesichts des aus Art. 3 des Grundgesetzes und Art. 10 der Verfassung von Berlin folgenden verfassungsunmittelbaren Verbots eines „Racial Profiling“ und der jüngst durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.08.2018 – 5 A 294/16 – erfolgten Präzisierung der diesbezüglichen Schranken landes- wie bundespolizeilichen Handelns konzentriert der Senat seine Anstrengungen gegenwärtig auf die Landesgesetzgebung. 2. Welche Kenntnisse hat der Senat über Fälle von „Racial Profiling“ durch die Berliner Polizei seit 2016 (bitte Vorfälle einzeln aufschlüsseln)? Zu 2.: Die Aufbewahrungsfrist für Beschwerden beträgt bei der Polizei Berlin nach Abschluss der Bearbeitung ein Jahr. Demzufolge liegen der Beantwortung nur die Beschwerden der Jahre 2018 und 2019 zugrunde. Im Jahr 2018 wurden sechs Beschwerden und im Jahr 2019 wurde eine Beschwerde erhoben, die im weitesten Sinne unter dem Begriff „Racial Profiling“ subsumiert werden können. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte: Sachverhalt 1: Der Beschwerdeführer gibt an, dass eine Streifenwagenbesatzung seinen Vater einer Verkehrsordnungswidrigkeit beschuldigt hätte, nur weil er einen Migrationshintergrund habe. Im Ergebnis konnte die Beschwerde nicht geklärt werden. Eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wurde durch die Dienstkräfte jedoch nicht gefertigt. Seite 2 von 5 Sachverhalt 2: Eine Dienstkraft habe nach Angaben des Beschwerdeführers eine Anzeige gegen diesen gefertigt, als er hörte, dass er einen ausländischen Namen hat. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als unbegründet bewertet. Die Anzeige wurde durch die Dienstkraft auf Grund des Anfangsverdachts einer Straftat sowie auf ausdrücklichen Wunsch der Anzeigenden gefertigt, unabhängig von dem Namen des Beschwerdeführers. Sachverhalt 3: Der Beschwerdeführer wirft der Dienstkraft vor, nur er als Ausländer hätte eine Ordnungswidrigkeitenanzeige erhalten. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als unbegründet bewertet. Sachverhalt 4: Aus Sicht des Beschwerdeführers wurde eine Ordnungswidrigkeitenanzeige nur gefertigt, weil seine Mitfahrerin ein Kopftuch trug. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als unbegründet bewertet. Sachverhalt 5: Eine Ordnungswidrigkeitenanzeige erfolgte nach Darstellung der Beschwerdeführerin nur, weil sie einen ausländischen Zunamen besitzt. Im Ergebnis konnte die Beschwerde nicht geklärt werden. Sachverhalt 6: Ein unbeteiligter Beschwerdeführer beschwerte sich über die Art und Weise von Personenkontrollen auf dem Alexanderplatz. Es seien überwiegend „Migranten“ kontrolliert worden. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als unbegründet bewertet. Sachverhalt 7: Der Jugendhilfeausschuss des Bezirks Mitte wandte sich mit einem Schreiben „Dokumentation von Polizeikontrollen durch Gangway e.V. (Sommer 2018)“ an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport. In diesem Schreiben wurden zwölf Personenkontrollen und die wiederholte mobile Videoüberwachung durch Polizeidienstkräfte auf dem Alexanderplatz beschrieben. Von diesen geschilderten Beschwerden bezogen sich neun Sachverhalte auf die Kontrolle von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ohne „erkennbaren“ Anlass. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Kontrollen nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund betrafen. 2. Welche Aus- und Fortbildungsprogramme wurden seit 2016 bei Berliner Polizeibehörden freiwillig oder verpflichtend angesetzt, um die Sensibilität bei „Racial Profiling“ zu erhöhen? 3. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat darüber hinaus aktuell, um „Racial Profiling“ seitens der Berliner Sicherheitsbehörden vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken? Zu 3 und 4.: Die Polizeiangehörigen werden sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch in Fortbildungen im Themenfeld „Racial Profiling“ geschult und sensibilisiert. Seite 3 von 5 Ausbildung: Während der Ausbildung finden ein zweitägiges Diversity-Seminar sowie ein dreitägiger Lehrgang zum Thema „Interkulturelle Kompetenz im Polizeidienst“ statt. Zu den Ausbildungsinhalten gehören Themen wie „Berlin - Stadt der Vielfalt“ und „Interkulturelle Kompetenz im Berufsalltag der Polizei“. Zum Thema „Berlin - Stadt der Vielfalt“ wird die Diversität in der Gesellschaft unter Berücksichtigung aktueller Diskriminierungsphänomene besprochen. Darüber hinaus werden zum Thema „Interkulturelle Kompetenz im Berufsalltag der Polizei“ folgende Aspekte unterrichtet: Soziale Brennpunkte in Berlin, Interkulturelle Konfliktlinien, Berliner Quartiersmanagement, Polizei und Sozialarbeit im multikulturellen Umfeld, Möglichkeiten und Grenzen einer vernetzten Präventionsarbeit unter Berücksichtigung globaler Problemlagen. In den Seminaren des Verhaltenstrainings werden die Auszubildenden über den Zeitraum der Ausbildung mindestens zwei Mal für je eine Woche sowohl theoretisch als auch in praktischen Übungen für „Racial Profiling“ sensibilisiert und erhalten Handlungsempfehlungen. In diesen Seminaren lernen die Auszubildenden unter anderem empfängerorientierte und konfliktmindernde Kommunikation und Verhaltensweisen sowie Selbstreflexion in Bezug auf Konfliktursachen. Allen Seminaren des Verhaltenstrainings ist die interkulturelle Sensibilisierung, die Sensibilisierung für Diversity und „Racial Profiling“ immanent. Fortbildung: Im Rahmen der Fortbildung werden praxisnahe Seminare, Begegnungsveranstaltungen sowie Projekttage in Zusammenarbeit mit der/dem Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration, mit der Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung (LADS) und in Kooperation mit Migrantenorganisationen durchgeführt. Unter dem Titel „Diversity – Vielfalt aktiv gestalten“ werden im Rahmen der Fortbildung für Führungskräfte Inhouse-Seminare des Diversity Büros der Polizei Berlin angeboten. Dort wird in Auseinandersetzung mit Wahrnehmungen, Werten und Verhaltensweisen ein Bewusstsein für Diskriminierungsmechanismen geschaffen und es werden Hintergründe über die Entstehung und Wirkung von Vorurteilen vermittelt. Im Jahre 2017 wurde von Mitarbeitenden der Stiftung SPI – Sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“ – in Kooperation mit dem Diversity Büro der Polizei Berlin das stadtweite Projekt „Polizei und Vielfalt“ abgeschlossen. Die Handlungsempfehlungen des Projekts fließen in die Arbeit der Polizei ein. Darüber hinaus ist die Polizei Berlin als eine von vier Länderpolizeien assoziierte Projektpartnerin im Projekt "MIGRATE - Migration und Polizei - Auswirkungen der Zuwanderung auf die Organisation und Diversität der deutschen Polizei" der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol). Das Projekt MIGRATE analysiert die Prozesse institutionellen Wandels, mit denen die Polizei auf die Herausforderungen der Migration reagiert, sowie deren Folgen. Im Mittelpunkt sollen die Organisationsgestaltung der Polizei, ihr Personal- und Diversitätsmanagement, die Bürger-Polizei-Interaktion sowie die Organisationskultur der Polizei stehen, wobei insbesondere qualitative empirische Methoden eingesetzt werden sollen. Weitere Projektpartner sind die Universität Duisburg Essen sowie die Akademie der Polizei Hamburg. Seite 4 von 5 4. Welche Anlaufstellen gibt es, bei den Betroffene Beschwerde über „Racial Profiling“ einreichen können, und wie oft wurde jeweils in den Jahren seit 2016 Beschwerde eingereicht? Zu 5.: Bei der Polizei Berlin kann sich jede betroffene Person mit Beschwerden an das Zentrale Beschwerdemanagement und an die dezentralen Beschwerdestellen der einzelnen Organisationeinheiten wenden. Für die Jahre 2018 und 2019 gab es die in der Antwort zu Frage 2 genannten sieben Beschwerden, die sich im weitesten Sinne dem Begriff „ Racial Profiling“ zuordnen lassen. An die Beschwerdestelle des Arbeitsbereichs „Qualitätssicherung“ im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) können sich Bewohnerinnen und Bewohner von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Asylbegehrende mit Beschwerden - einschließlich über „Racial Profiling“ – wenden. Im Regelfall wird daraufhin vom LAF eine Stellungnahme der Betreiberin/des Betreibers der betroffenen Unterkunft eingeholt; darüber hinaus werden zumeist Gespräche mit den für den ordnungsgemäßen Betrieb der Unterkunft zuständigen Ansprechpartnern geführt, um insbesondere den hohen Stellenwert und die Relevanz einer derartigen Beschwerde zu verdeutlichen. Die Anzahl der im LAF erfassten Beschwerden über „Racial Profiling“ ist der nachfolgenden Gliederung zu entnehmen: Jahr Anzahl 2016 5 2017 1 2018 2 2019 1 Quelle: Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Darüber hinaus steht das durch den Berliner Senat geförderte „Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin“ des Türkischen Bundes Berlin Brandenburg e.V. (ADNB) als Anlaufstelle für von Diskriminierung betroffene Personen zur Verfügung. 5. Welche Kenntnisse liegen dem Senat über Beschwerden gegen ein mögliches „Racial Profiling“ bei verdachtsunabhängigen Kontrollen vor und beziehen sich diese Beschwerden überwiegend auf sogenannte kriminalitätsbelastete Orte? Wenn ja, bitte einzeln nach Ort und Anzahl der Beschwerden aufschlüsseln. Zu 6.: Der in der Antwort zu Frage 2 genannte Sachverhalt 7 bezieht sich auf den Vorwurf anlassunabhängiger Kontrollen am Alexanderplatz, bei dem es sich um einen kriminalitätsbelasteten Ort (kbO) handelt. Beim LAF liegen keine Beschwerden zu einem möglichen „Racial Profiling“ bei verdachtsunabhängigen Kontrollen an kriminalitätsbelasteten Orten vor. 6. Welche Vorteile sieht der Senat in der künftigen Einrichtung eines Polizeibeauftragten als unabhängige Beschwerdestelle für von „Racial Profiling“ Betroffene? Zu 7.: Der Senat ist offen für Vorschläge, die auf einen effektiven Diskriminierungsschutz der Bürgerinnen und Bürger zielen. Welche Vorteile im Einzelnen ein vom Abgeordnetenhaus zu bestellender Beauftragter mit sich brächte, hängt von der Seite 5 von 5 gesetzgeberischen Ausgestaltung seiner Zuständigkeiten und Kompetenzen ab, die als Selbstbefassungsangelegenheit dem Abgeordnetenhaus obliegt. Berlin, den 27. März 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport