Drucksache 18 / 18 243 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 14. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2019) zum Thema: Die Finanzierung des kostenlosen Mittagessens an Grundschulen ist die eine Sache, das Organisieren und Umsetzen die andere – schwer verdaulich V und Antwort vom 03. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18243 vom 14. März 2019 über Die Finanzierung des kostenlosen Mittagessens an Grundschulen ist die eine Sache, das Organisieren und Umsetzen die andere – schwer verdaulich V ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchem Konzept bereitet der Senat die Einführung des kostenlosen Mittagessens für die Klassenstufen 1-6 vor? Worin sieht er seine Prioritäten und worin die der Bezirke? Mit welchen Maßnahmen unterstützt er die Bezirke, um die vielfältigen aus der Umstellung entstehenden Probleme zu minimieren? Zu 1.: Grundsätzlich liegt es in der Zuständigkeit der Bezirke, das Schulmittagessen bereitzustellen. Die Bezirke schließen dafür eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit Caterern. Der Senat geht jedoch davon aus, dass das Mittagessen ein wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit an einer Schule ist. Die konkrete Ausgestaltung und die alltägliche Organisation des Essenangebots gehört zu den vielfältigen Aufgaben der Schule. Ein erster Austausch der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung mit den Bezirken fand auf der Sitzung der Bezirkstadträtinnen und Bezirksstadträte für Schule und Bildung am 25.01.2019 statt. Auf der Sitzung der Leiterinnen und Leiter der bezirklichen Schul- und Sportämter am 15.02.2019 wurde den Bezirken angeboten, regionale Werkstätten gemeinsam mit dem jeweiligen bezirklichen Schulträger und der regionalen Schulaufsicht durchzuführen. Diese regionalen Werkstätten fanden inzwischen in allen Bezirken in einer sehr konstruktiven Atmosphäre statt. Ziel der regionalen Werkstätten war es, schulscharf die aktuelle Situation bezüglich der räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen für das 2 Schulmittagessen zu erfassen und nach ersten Lösungsansätzen und möglichen Optionen zu suchen. Weitere Werkstätten mit z. B. Schulen, Schulaufsicht, Schulträger, ggf. Träger der freien Jugendhilfe und Caterern sollen in den Regionen folgen. Hauptaugenmerk der Bezirke im weiteren Prozess, ist die Prüfung im Einzelfall, ob einfache bauliche oder raumorganisatorische Maßnahmen möglich und realistisch sind. Ebenso zählt die Bereitstellung zusätzlich benötigter Ausstattung zu den bezirklichen Aufgaben. In den Werkstattgesprächen wurde jedoch deutlich, das konkrete Maßnahmen und Aufträge durch die Bezirke erst nach Beschluss der rechtlichen Grundlagen für das elternkostenbeteiligungsfreie Mittagessen veranlasst werden können. Die schulaufsichtlichen Prioritäten ergeben sich aus den pädagogischen Herausforderungen, die eine voraussichtliche Erhöhung der Anzahl der am Mittagessen Teilnehmenden zur Folge hat und zielen auf die Begleitung und Beratung der Schulen bei der Weiterentwicklung, Optimierung bzw. Neugestaltung ihres Raum- und Zeitkonzepts als Bestandteil des Ganztagskonzepts der Schule. 2. Wie wird sich prozentual gesehen der Zuwachs an Schülerinnen und Schülern (bitte pro Bezirk ausweisen) durch die Teilnahme am kostenlosen Mittagessen ab 1. August 2019 darstellen? Oder ist der Senat immer noch der Ansicht wie in meiner Schriftlichen Anfrage 18/16840, dass er "für eine Datenerhebung zu den Begleitumständen der schulischen Verpflegung derzeit keinen Anlass" sieht? Zu 2.: Aussagen über den zu erwartenden Zuwachs an Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 1 bis 6 bezogen auf die Teilnahme am elternkostenbeteiligungsfreien Mittagessen sind derzeit noch nicht möglich und wären zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Es ist nicht verlässlich abzusehen, wie viele Eltern tatsächlich zusätzlich ab dem 01.08.2019 einen entsprechenden Essenvertrag abschließen werden. 3. Was wird der Zuwachs der Teilnehmerzahlen am kostenlosen Mittagessen den Senat kosten? Auf welcher Zahlenbasis wurden die dafür bisher genannten 25 Millionen Euro errechnet und waren hierin schon die Kosten zum Beispiel für Räume und Inventar enthalten? Inwieweit muss der Ansatz für den realen Zugang an Schülerinnen und Schülern erhöht werden? In welcher Höhe werden sich dann die Gesamtkosten bewegen? Zu 3.: Durch den Wegfall der Elternkostenbeteiligung und den damit verbundenen Mindereinnahmen muss eine Summe von 60 Millionen Euro pro Jahr kompensiert werden. Die Prognose dieses Betrags resultiert aus der Auswertung der derzeit gezahlten Elternkostenbeiträge. Für die mit Einführung der Maßnahme zum 01.09.2019 verbleibenden 5 Monate ergeben sich die zum Nachtragshaushalt angemeldeten 25 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2019. Die bezirklichen Kosten für einen ggf. erhöhten Ausstattungsbedarf sind in dieser Kalkulationssumme nicht enthalten. 3 4. In wie vielen und welchen Bezirken fehlen auf Grund der Umstellung zum kostenlosen Mittagessen in welcher Größenordnung Räumlichkeiten (bitte Gesamtzahl pro Bezirk auflisten)? Können die daraus entstehenden Probleme nach Auffassung des Senats noch bis zum Einführungsdatum am 1. August 2019 gelöst werden? Zu 4.: Im Rahmen der in der Antwort zur Frage 1 erwähnten regionalen Werkstätten entstand ein erster genereller Überblick über die organisatorischen und räumlichen Gegebenheiten bzgl. des Mittagessens an den Schulen. In den kommenden Wochen finden in den Bezirken zahlreiche Begehungen durch die bezirklichen Schulträger, zum Teil gemeinsam mit der regionalen Schulaufsicht, in den einzelnen Schulen statt, um die Bestandsaufnahme vor Ort fortzusetzen und gemeinsam mit der Schule nach Handlungsoptionen zu suchen. Detaillierte statistische Aufstellungen der Bezirke befinden sich derzeit noch im Diskussionsprozess. 5. Trifft es zu, dass auf Grund von Raumknappheit an vielen Schulen in "Schichten" gegessen werden muss? Um bis zu wie viele Schichten kann es sich dabei handeln? Was verändert sich dadurch für die Organisation der Unterrichtsstunden und das Pausenregime? Wie lange wird sich der Unterricht in den Nachmittag erstrecken müssen, wenn beispielsweise - wie in der Presse berichtet - die "erste Schicht" bereits um 10.30 Uhr das Mittagessen einnimmt? Zu 5.: Es trifft zu, dass die räumlichen Gegebenheiten in den Berliner Schulen ein gleichzeitiges Mittagessen alle Schülerinnen und Schülern der Schule nicht ermöglichen. Daher wird das Mittagessen in der Regel zeitlich gestaffelt organisiert. Dabei ist es bereits auch jetzt schon in vielen Schulen nicht ausreichend, das Mittagessen auf ein oder zwei große Pausen zu beschränken. Vielmehr sind hier flexible Organisationsstrukturen erforderlich, z. B. sogenannte Mittagsbänder, in denen parallel einige Lerngruppen Zeit zum Mittagessen haben und andere dagegen Unterricht oder andere Bildungsangebote besuchen. Die Rhythmisierung des Unterrichtstages ist seit vielen Jahren eine Anforderung an die Berliner Grundschulen und als solche im § 25 der Grundschulverordnung verankert. Das bedeutet, dass auch bereits jetzt eine Schule so organisiert sein sollte, dass sich Angebote des Unterrichts, der Pause, des Mittagessens und andere Bildungsangebote über den Tag hin abwechseln. Die Schule entscheidet hier eigenverantwortlich wie diese Tagesstruktur zu gestalten ist und wann für die Kinder sinnvoller Weise die Essenzeit beginnt. 6. Welche Auswirkungen hat die Umstellung auf das kostenlose Mittagessen auf weitere Fragen der Schulorganisation, wie beispielsweise Betreuungspersonal, Sanierungskosten für Räumlichkeiten, Mehrbedarf an Inventar, Kühlsystemen oder Lagerungsmöglichkeiten? Wer trägt dafür die Kosten oder sind die im Koalitionsantrag 18/1732 angeforderten 5 Millionen Euro dafür ausreichend? Zu 6.: Die verlässliche Halbtagsgrundschule ist von 7:30 Uhr bis mindestens 13:30 Uhr derart mit Personal an Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern ausgestattet, dass ein durchgehendes pädagogisches Angebot für alle Schülerinnen und Schüler 4 ermöglicht wird. Das schließt das Mittagessen als pädagogische Aufgabe der gesamten Schule mit ein. Es ist im Zusammenhang mit der Einführung des elternkostenbeteiligungsfreien Mittagessens zu erwarten, dass ein zusätzlicher Bedarf an Inventar und Ausstattung erforderlich sein wird. Hier wird zwischen den Vertragspartnern (bezirklicher Schulträger und Caterer) zu vereinbaren sein, wer für die Beschaffung dieser Ausstattung zuständig bzw. verantwortlich ist. Insofern die Zuständigkeit bei den Bezirken liegt, unterstützt die für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung die Bezirke darin, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ob die angeforderten 5 Millionen Euro angemessen bzw. ausreichend sind, kann durch die für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung nicht eingeschätzt werden. 7. Auf welcher Datenbasis wird der Senat die unter 6. anfallenden realen Kosten ermitteln? Gibt es dafür bereits Schätzungen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Die für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung sieht es nicht in ihrer Zuständigkeit, die Höhe der in Frage 6 genannten Kosten zu ermitteln. Das ist vielmehr Aufgabe der Bezirke. 8. Wie will der Senat neben der Einführung eines kostenlosen Mittagessens dessen Qualität erhöhen, ohne dafür bis 2020 die Verträge mit den Caterern erneuern zu wollen? Wie soll sich so der Bio-Anteil erhöhen, wie im Koalitionsantrag 18/1732 "Qualitätspaket Schulessen" gefordert? Zu 8.: Die derzeitige vertragliche Situation zwischen den Bezirken und den jeweiligen Caterern sieht eine Änderung der Verträge vor 2020 nicht vor. Daher sind alle Anpassungen der Verträge, einschließlich Preisgestaltung und Weiterentwicklung der Qualitätsstandards erst im Zuge der neuen Musterausschreibungen für das Schulmittagessen in Berlin im Jahr 2020 möglich. Dazu finden aktuell bereits entsprechende Vorbereitungen statt. 9. Welchen Beitrag zur flächendeckenden Qualität des Mittagessens können nach Ansicht des Senats Pilotprojekte leisten, wie im Antrag 18/1732 gefordert? Welche zusätzlichen Kosten würden diese verursachen und wer würde diese tragen müssen? Zu 9.: Pilotprojekte dienen in der Regel der Erkundung von Gelingensbedingungen und Akzeptanzfaktoren von Maßnahmen und verbindlichen Regelungen vor einer flächendeckenden Einführung. Es gibt aktuell keine konkreten Überlegungen zu Kosten und Zuständigkeiten solcher Pilotprojekte. 5 10. Im Koalitionsantrag 18/1731 "Gesetz zum Mittagessen an Schulen" wird der Senat ermächtigt, das Nähere zur Qualität des schulischen Mittagessens durch Rechtsverordnung zu regeln. Welche Eckpunkte zur Qualität wird diese Rechtsverordnung umfassen? Zu 10.: Im Koalitionsantrag 17/1731 „Gesetz zum Mittagessen an Schulen“ wird zunächst nur die Möglichkeit der Regelung von Qualitätsfragen des Mittagessens durch Rechtsverordnungen seitens des Senats vorgesehen. Es gibt derzeit keine Überlegungen, über die aktuellen Qualitätsstandards hinaus Regelungen zu treffen. 11. Trotz täglicher Essensabfrage an vielen Schulen mussten die Caterer für die Beseitigung des Abfalls jährlich Kosten von mehr als 100.000 Euro aufbringen. Wie will der Senat künftig mit den damit zusammenhängenden Fragen umgehen, da bei Steigerung der Teilnahmezahlen beim kostenlosen Mittagessen auch hier ein Anstieg nicht ausgeschlossen werden kann? Zu 11.: Um die Quantitäten an Mittagessensportionen auf den tatsächlichen Bedarf in einer Schule zu beschränken, wird auch zukünftig die Bereitstellung eines Mittagessens an einen Vertrag über die ergänzende Förderung und Betreuung bzw. für Kinder ohne Betreuungsvertrag an einen Vertrag zwischen Eltern und Caterer gebunden sein. Der nachhaltige und verantwortungsvolle Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mahlzeiten ist zudem auch weiterhin ein wichtiges pädagogisches Thema. Hier eröffnet sich eine sehr praxisnahe Anwendung der Themen gesunde Ernährung und Umwelterziehung, die Bestandteil des pädagogischen Konzepts einer jeder Schule sind. 12. Inwieweit sieht der Senat die Forderungen und Beschlüsse des Landeselternausschusses in Bezug auf die Darreichung des Mittagessens an Schulen als bindend an? Wie steht er insbesondere zur Forderung nach ausreichend großen Räumlichkeiten und dem Verbot, dass Mehrzweckräume nicht dauerhaft in Mensen umgewandelt werden dürfen? Zu 12.: Die für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung beteiligt den Landeselternausschuss auch in der aktuellen Diskussion über die Weiterentwicklung des Mittagessens, z. B. bei der Überarbeitung der Musterausschreibungen zum Jahr 2020. In Gesprächen bringt der Landeselternausschuss seine Forderungen zum Mittagessen an weiterführenden Schulen ein. Aus pädagogischer Perspektive sind diese auch nachvollziehbar und in der Regel zu unterstützen. In der schulischen Realität stehen jedoch sehr oft die realen räumlichen Gegebenheiten an den Schulen im Kontext der raumorganisatorischen Bedarfe einer vollständigen Umsetzung entgegen. 13. Wie schätzt der Senat insgesamt den derzeitigen Vorbereitungsstand zur Einführung des kostenlosen Mittagessens ein? Welche Aufgaben sieht er bis zum 1. August 2019 als besonders vordringlich an und auf welche weiterführenden Schritte in den darauffolgenden Monaten hat er sich bereits mit den Bezirken geeinigt? 6 Zu 13.: Allen Beteiligten, insbesondere den Schulen, den bezirklichen Schulträgern, den regionalen Schulaufsichten, den Caterern, den Trägern der freien Jugendhilfe und der für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung sind die mit der Einführung des elternkostenbeteiligungsfreien Mittagessens verbundenen Herausforderungen bewusst. Jede der genannten Gruppen hat sich bereits frühzeitig individuell und eigenverantwortlich auf den Weg gemacht, Lösungen und Handlungsoptionen zu finden. Darüber hinaus gibt es auf unterschiedlichsten Ebenen einen konstruktiven Austausch zwischen den Akteuren. Die praktischen Umsetzungsaufgaben finden in den nächsten Wochen und Monaten in den jeweiligen Regionen und in der einzelnen Schule statt. An vielen Schulen sind Veränderungsprozesse hinsichtlich Raumnutzung und Gestaltung der Zeitstruktur erforderlich. Die Gestaltung einer pädagogisch durchdachten Ganztagsschule, ob nun in offener oder gebundener Form, gewinnt in diesem Zusammenhang noch einmal an Bedeutung. Eine wichtige Aufgabe, die auch über den 01.08.2019 hinausgeht, wird daher die Begleitung, Unterstützung und Beratung der Schulen durch die bezirklichen Schulträger, aber insbesondere durch die regionale Schulaufsicht, die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ und die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin sein. Berlin, den 3. April 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie