Drucksache 18 / 18 255 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 18. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2019) zum Thema: Wofür steht das "House of One"? und Antwort vom 29. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 18255 vom 18.03.2019 über Wofür steht das "House of One"? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Der Begriff der "Einheit" ist zentral für den islamischen Glauben. Daher haben islamische Erneuerungsbewegungen meist den "Tauhid", wörtlich: die "Singularisierung" zum Mittelpunkt ihrer Lehren gemacht: Die "muwaḥḥidūn", d.h. "Bekenner des Einsseins" oder Almohaviden; die "ahl at-tauḥīd" d.h. "Leute des "Einsseins", die Drusen; die "ahl al-ʿadl wa-t-tauḥīd", d.h. "Leute der Gerechtigkeit und Einheit" oder Muʿtaziliten; die "ahl at-tauḥīd wal-ǧihād" d.h."Leute der Einheit und des Kampfes" oder Salafisten; jüngst auch "Tauhid Germany", eine Formation, die vor einigen Jahren durch das Innenministerium verboten worden ist. Die Rückbesinnung auf die "Einheit" und "Einzigartigkeit" Gottes war stets Ausdruck einer politisch-ideologischen Krise der jeweiligen Zeit, die mit der Aufforderung zur Weltabkehr und innerweltlichen Askese einherging; dies schließt jedoch, wie die Episode des IS zeigt, den aktiven Kampf gegen weniger Gläubige keineswegs aus. Islamische Theologen gliedern die Fragestellungen des Tauhid gewöhnlich folgendermaßen: Der "tauḥīd al-ulūhiyya", die "Singularisierung der Erhabenheit" spricht sich gegen die Immanenz Allāhs in der Welt aus: Sie ist sein Werk, aber er ist kein Teil von ihr. Der "tauḥīd al-asmāʾ wa-ṣ-ṣifāt", die "Singularisierung der Namen und Eigenschaften" bemüht sich zu klären, welchen Inhalt und welche Reichweite die Attribute Allāhs haben. Der "tauḥīd ar-rubūbiyya", die "Sin-gularisierung der Allvaterschaft " schließlich wendet sich gegen Vorstellungen, dass es neben Allāh weitere kosmische Kräfte geben könne, sei es in Form von Göttern, Dämonen, Schutzheiligen oder der Trinität. Hieran knüpft dann etwa die salafistische Agitation mit der Behauptung an, westliche Werte seinen in Wirklichkeit die Götzen und Dämonen der heutigen Zeit, von denen es sich zu reinigen gelte. Seite 2 von 3 Vorbemerkung des Senats von Berlin: Die Antworten des Senats von Berlin beziehen sich allein auf die konkreten Fragestellungen zum House of One. 1. Wieso unterstützt der Senat ein Projekt, das den Antagonismus der überwiegenden Zahl von Juden , Christen und Muslimen hervorrufen muss, welche hier synkretistische Tendenzen am Werke sehen? Zu 1.: Das House of One spricht sich dezidiert gegen Synkretismus aus. In der Präambel der Charta für ein Miteinander von Judentum, Christentum und Islam1, die dem House of One zugrunde liegt, heißt es, dass Unterschiede und theologische Gegensätze nicht überspielt, sondern ausgehalten werden sollen. „Die Raumgestalt des Neubaus wird deshalb so beschaffen sein, dass jede der Religionen einen eigenen , separaten Gottesdienstraum nutzen kann („Bethaus“), der sich zu einem gemeinsam zu nutzenden Zentralbereich öffnen lässt („Lehrhaus“). Unvermischt (in getrennten Bereichen) und zugleich in direkter, wahrnehmbarer Nachbarschaft, ist der Neubau Kirche, Synagoge und Moschee ‚unter einem Dach’.“ Im Übrigen ist die in der Frage zum Ausdruck kommende These, dass das Projekt House of One bei der überwiegenden Zahl der Gläubigen der drei beteiligten Religionen Widerspruch auslösen würde, eine Annahme des Fragestellers. Dem Senat von Berlin sind keine seriösen Untersuchungen bekannt, die diese These stützen. 2. Die Differenzen zwischen Christentum, Judentum und Islam sind wesentlich in den oben angeführten theologischen Streitfragen begründet; wären sie ausgeräumt, so bestünden nicht drei Religionen, sondern nur eine. Ist in Berlin der Bedarf zur friedlichen Klärung dieser Fragen derart ausgeprägt, dass vorhandene Räumlichkeiten (etwa in Kirchen und Moscheen oder auch Universitäten, Bibliotheken oder Rathäusern) hierfür nicht mehr ausreichen? Zu 2.: Der Senat von Berlin begrüßt die Tatsache, dass der Dialog der Religionen mit verschiedenen Fragestellungen und Schwerpunkten an unterschiedlichen Orten in der Stadt stattfindet. Das House of One verfolgt, vor allem durch die Architektur, die eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee sowie Räume der Begegnung unter einem Dach vereint, ein Konzept, das deutschlandweit einzigartig ist. Es ist geeignet, neue Impulse für den Dialog der Religionen in Berlin zu setzen, die an anderen Orten so nicht denkbar sind. Beim Dialog der Religionen geht es nicht darum, theologische Unterschiede zwischen den Religionen zu negieren. Vielmehr ist das Ziel des Religionsdialogs, wie er nach eigenen Angaben auch vom House of One verstanden und praktiziert wird, Anlässe zur Begegnung und zum Gespräch zu schaffen sowie gemeinsam für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft einzustehen. 3. In seiner Antwort auf die Anfrage 18/17842 erklärt der Senat, das dem Gülen-Netzwerk zugehörige "Forum-Dialog e.V" leiste eine "aktive und glaubwürdige Unterstützung der religionsübergreifenden Zusammenarbeit und zeige sich anderen Religionen gegenüber offen und gesprächsbereit". "Dialogbereitschaft " ist aber eine soziale Standardtechnik des Proselytismus und findet sich bei den Bahāʾī ebenso wie bei der Aḥmadiyya oder auch den Jesuiten der katholischen Gegenreformation. Welche Formen der "Zusammenarbeit" sind dem Senat bekannt, welche dem Gülen-Netzwerk nicht indirekt Vorteile im Sinne einer Aufmerksamkeitsökonomie verschafft hätten? Inwiefern ist es die Rolle des Senates, dem "Forum-Dialog e.V" ein Attest der "Glaubwürdigkeit" auszustellen und wie kann er dies? 1 abrufbar unter: https://house-of-one.org/sites/default/files/downloads/houseofonechartadt.pdf?t=1BfFc5 Seite 3 von 3 Zu 3.: Das Land Berlin kann nur ihm bekanntgewordene Vorgänge und Äußerungen bewerten. Das Ergebnis dieser Bewertungen wurde in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage 18/17842 bereits dargelegt. An Spekulationen über angeblich dahinterliegende Absichten beteiligt sich der Senat nicht. Berlin, den 29.03.2019 In Vertretung Gerry Woop Senatsverwaltung für Kultur und Europa