Drucksache 18 / 18 256 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 18. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2019) zum Thema: Die besten Lehrer an den schwierigsten Schulen? und Antwort vom 03. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18256 vom 18. März 2019 über Die besten Lehrer an den schwierigsten Schulen? _______________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Am 19.07.2017 zitierte der „Tagesspiegel“ den SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh mit den Worten, er fordere „die besten Lehrer für die schwierigsten Schulen“. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung kommt zu dem Ergebnis, dass diese Forderung bisher nicht umgesetzt wurde. [Helbig, Marcel u. Rita Nikolai: Bekommen die sozial benachteiligsten Schüler*innen die „besten“ Schulen? Eine explorative Studie über den Zusammenhang von Schulqualität und sozialer Zusammensetzung von Schulen am Beispiel Berlins. WZB Discussion Paper P-2019-002. März 2019] Die Verfasser konstatieren, dass ein hoher Anteil von Schülern mit Lehrmittelbefreiung zugleich mit mehr Unterrichtsausfall, mit mehr Vertretungsunterricht und einen hohen Anteil von Quereinsteigern einhergehe. Fachfremder Unterricht und zahlreiche Vertretungsstunden aber wirkten sich erwiesenermaßen negativ auf den Lernerfolg aus. Dennoch würden Mittel zur Umsetzung inklusiver Beschulung (Lehrpersonal, Bauinvestitionen etc.) gleichermaßen den Schulen in akademisch geprägten Villenvierteln wie auch denen in sozial deprivierten Plattenbauvierteln zugeteilt. Die mangelnde Attraktivität bestimmter Schulstandorte für angehendes Lehrpersonal sei auch die Folge der Ballung von ethnischer und sozialer Segregation; Befunde aus den USA zeigten, dass Schulen mit einem hohen Anteil afroamerikanischer Schüler, von Schülern lateinamerikanischer Herkunft und sozioökonomisch schwachen Schülern eine deutlich geringere Anzahl von Bewerbungen durch angehende Lehrer erhalten würden. Der Wunsch, einer Beschäftigung an „Brennpunktschulen “ aus dem Weg zu gehen, sei nun auch für Berlin zu erwarten: Stattdessen aber seien Quereinsteiger an diesen sogar stark überrepräsentiert. Ich frage den Senat: 1.) Wie bewertet der Senat die oben zitierte Studie? Zu 1.: Die zitierte Studie befasst sich mit dem „Zusammenhang von Schulqualität und sozialer Zusammensetzung von Schulen am Beispiel Berlins“, ohne dabei den Eindruck und das Ziel vermitteln zu wollen, dass die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft allein in der Lage sei, „die Schulqualität vorherzusagen“. Die untersuchende Studie verwendet einen überschaubaren Kranz an Variablen wie Schülerinnen und Schüler, die von der Zuzahlung von den Lehr- und Lernmitteln befreit sind, wie Lehrpersonal zur Unterrichtsabde- - - 2 ckung oder wie Berichte der Schulinspektion, um u.a. zu den Ergebnissen zu gelangen, dass bei weiterführenden allgemeinbildenden Schulen kein Zusammenhang zwischen der sozialen Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler und der Unterrichtsabdeckung auszumachen ist. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass der Zusammenhang zwischen der Unterrichtsabdeckung im Verhältnis zum Anteil der Schülerinnen und Schüler, die von der Zuzahlung zu den Lehr- und Lernmitteln befreit sind, an Grundschulen kein einheitliches Bild ergibt, da gerade an jenen Grundschulen, die die höchsten Anteile lernmittelbefreiter Schüler/-innen besitzen, der Anteil an Schulen signifikant niedriger ist, die keine personelle Unterrichtsabdeckung von 100 % erreichen, als an Schulen mit einem geringeren Anteil an lernmittelbefreiten Schülerinnen und Schülern. 2.) Wenn sich, wie in der Studie erwähnt, die Arbeit von „Quereinsteigern“ qualitativ nicht von denen der grundständig ausgebildeten Absolventen pädagogischer Studienfächer unterscheidet, was sagt dies dann über die Arbeit der Lehrer in der heutigen Zeit aus? Kommen die im pädagogischen Studium vermittelten Kenntnisse im Schulalltag ohnehin nicht mehr zum Einsatz? Zu 2.: Die o. g. Studie trifft keine Aussage zur besseren oder schlechteren Arbeit von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern im Vergleich zu Lehrkräften mit einem lehramtsbezogenen Studium. Vielmehr wirft sie am Rande die Frage auf, ob Quereinsteigende die besseren oder schlechteren Lehrkräfte seien und stellt fest, dass dies schwierig zu beantworten sei. Dies wird auch daran liegen, dass alle Quereinsteigenden über eine abgeschlossene akademische Ausbildung verfügen, die sie in den Stand versetzt, sich selbstständig neue Themenfelder zu erschließen und aktiv an ihrer Kompetenzentwicklung mitzuwirken. In den meisten Fällen können Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mehrere Jahre Berufserfahrung nachweisen, in denen sie Kompetenzen entwickeln konnten, die auch als Lehrkraft hilfreich sind. Viele Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger haben pädagogische Erfahrungen mit eigenen oder anderen Kindern. Alle Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger durchlaufen ein berufsbegleitendes Qualifizierungssystem, das bis zu viereinhalb Jahre umfassen kann. Die Maßnahmen des Programms für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in Berlin sind stark auf bestmögliche Individualisierung angelegt, wodurch eine stärkere individuelle Leistungssteigerung ermöglicht werden kann. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sind im Vergleich zu lehramtsbezogen ausgebildete Universitätsabsolventinnen und Universitätsabsolventen nicht schlechter oder besser, sondern anders qualifiziert. Bestehende Unterschiede werden durch Qualifizierungsmaßnahmen berufsbegleitend ausgeglichen. 3.) Die Untersuchung konstatiert, die Inklusion von Förderschülern werde nach wie vor überproportional von Schulen in schwieriger Soziallage geleistet. Wäre nicht das Gegenteil geboten? Zu 3.: Die Untersuchung zitiert mit der Einschätzung, dass die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit einem Förderschwerpunkt überwiegend in Schulen in schwieriger Soziallage geleistet wird, eine Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem Jahr 2017 zur Situation in Nordrhein-Westfalen. - - 3 4.) An Schulen mit Lmb-Anteilen von über 70 % sind die meisten Ausfallstunden zu verzeichnen. Warum bekommen diese Schulen nicht wenn nicht die „besten“, so doch wenigstens die meisten Lehrer? Zu 4.: Die o. g. Studie stellt fest, dass der Anteil an Schulen, die keine personelle Unterrichtsabdeckungen von 100 Prozent erreichen, signifikant geringer ist, wenn der Anteil an lernmittelbefreiten Schülerinnen und Schülern mehr als 70 % umfasst, sodass nach den Ausführungen dieser Studie Schulen mit einem Anteil von über 70 % an Schülerinnen und Schülern , die von der Zuzahlung zu den Lehr- und Lernmitteln befreit sind, personell besser ausgestattet sind. 5.) Der Anteil der Quereinsteiger ist an Schulen mit einem LmB-Anteil von mehr als 70 Prozent rund dreimal so hoch wie an Schulen mit einem LmB-Anteil von unter 10 Prozent. Bilden die Quereinsteiger eine „Senatsreserve “, um dort zu unterrichten, wo es normale Lehrer nicht mehr können oder nicht mehr wollen? Zu 5.: Nein. Der Anteil der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bewegt sich laut der o.g. Studie an Berliner Grundschulen in ihrer sozialen Zusammensetzung gemessen nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler, die von der Zuzahlung zu den Lehr- und Lernmitteln befreit sind, bei einem Anteil zwischen drei und sechs Prozent an der Gesamtlehrerschaft. 6.) In den Inspektionsberichten bzw. auch bei der Unterrichtsabdeckung weisen Schulen mit einem Lmb- Anteil von 40-70 Prozent ungünstigere Werte auf als die sozial am meisten benachteiligten Schulen. Wie ist zu vermeiden, dass sich Maßnahmen zur Verbesserung der schulischen Situation auf jene Standorte beschränken , die jeweils im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen? Zu 6.: Die o.g. Studie arbeitet mit Regressionsanalysen ohne das Merkmal „Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit“, sodass die Annahme der Frage, dass eine Verbesserung der schulischen Situation auf jene Standorte beschränkt sei, die jeweils im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stünden, aus den Ergebnissen der Studie weder abgeleitet noch überprüft werden kann. Berlin, den 3. April 2019 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie