Drucksache 18 / 18 262 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert (LINKE) vom 19. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2019) zum Thema: Geduldete und ausreisepflichtige Geflüchtete in Berlin und Antwort vom 02. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Katina Schubert (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18262 vom 19. März 2019 über Geduldete und ausreisepflichtige Geflüchtete in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen halten sich derzeit im Land Berlin auf, denen eine Duldung erteilt wurde? Wie vielen Personen wurde davon eine Duldung a) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG (Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen), b) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG (Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen), c) gem. § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG (Aussetzung aufgrund eines Strafverfahrens), d) gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG (Ermessensduldung) sowie e) gem. § 60a Abs. 2 Satz 4ff. AufenthG (Ausbildungsduldung) f) § 60a Abs. 1 (Abschiebestopp) g) § 60a Abs. 2b (Eltern von Kindern mit Bleiberecht aufgrund guter Integration) h) § 60a Abs. 2 Satz 13 (Verfahren zur Anerkennung der Vaterschaft) erteilt? Zu 1.: Zur Beantwortung der Frage muss auf die Auswertung aus dem Ausländerzentralregister (AZR) zurückgegriffen werden, da zu den unterschiedlichen Duldungsgründen keine Auswertungen aus dem Fachverfahren der Ausländerbehörde vorliegen. Einzige Ausnahme stellt insoweit die unter 1 e) angefragte Anzahl zu Ausbildungsduldungen dar, die sich aus den AZR- Auswertungen derzeit nicht ergibt und die von der Ausländerbehörde halbjährlich aus dem Fachverfahren ausgewertet wird. Die Angaben zu 1a-d und 1 f-g beziehen sich auf den Stichtag 28.02.2019, die Angabe unter 1 e (Ausbildungsduldungen) bezieht sich hingegen auf den 31.12.2018. Eine Differenzierung zwischen rechtlichen und tatsächlichen Abschiebungshindernissen findet bereits seit 2013 nicht mehr statt. Eine gesonderte Erfassung von Duldungen auf der Grundlage von § 60a Abs. 2 Satz 13 AufenthG entsprechend der Fragestellung 1h) findet nicht statt. Die Duldungszahlen zu den Fragen 1a) - d) und 1 f) - g) können der nachfolgenden Aufstellung entnommen werden: Seite 2 von 4 Duldungen im Land Berlin Quelle: AZR zum Stichtag 28.02.2019 gesamt 10.820 a) Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 1. Alt. AufenthG (Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen) b) Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG (Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen) 9.221 (Duldungen gem. § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG, da keine getrennte Erfassung entsprechend Fragestellung) c) Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG (Aussetzung aufgrund eines Strafverfahrens) 18 d) Duldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG (Ermessensduldung) 944 f) Duldung gem. § 60a Abs. 1 AufenthG (Abschiebestopp) 25 g) Duldung gem. § 60a Abs. 2b AufenthG (Eltern von Kindern mit Bleiberecht aufgrund guter Integration) 126 Im Besitz einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 ff. AufenthG waren lt. Auswertung der Ausländerbehörde zum Stichtag 31.12.2018 220 Ausländer. Die Differenz zwischen der Gesamtzahl der Geduldeten und der Summe der zu den einzelnen Duldungsgründen genannten Zahlen ergibt sich daraus, dass im AZR zusätzlich noch Altfälle von Duldungen erfasst sind, die auf der Grundlage früherer gesetzlicher Regelungen erstellt worden sind. 2. Wie viele der unter 1. genannten Personen hielten sich länger als drei Jahre, länger als vier Jahre, länger als sechs Jahre bzw. länger als acht Jahre in Berlin bzw. der Bundesrepublik Deutschland auf (bitte nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten, Geschlecht und Alter über oder unter 18 Jahren differenzieren)? Zu 2.: Eine Auswertung zu den erbetenen Angaben liegt nicht vor. 3. Wie vielen der unter 1. genannten Personen wurde hat die Ausländerbehörde eine Erlaubnis zur Ausübung einer konkreten Beschäftigung gem. § 32 Abs. 1 sowie Abs. 2 Nr. 2 bis 4 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) erteilt? Zu 3.: Eine Auswertung des Fachverfahrens findet bei der Ausländerbehörde hinsichtlich der Frage halbjährlich zum 30.6. und 31.12. eines jeden Jahres statt. Zum Stichtag 31.12.2018 waren 636 geduldete Ausländer im Besitz einer Erlaubnis zur Ausübung einer konkreten Beschäftigung nach § 32 Abs. 1 oder § 32 Abs. 2 Nr. 2- 4 BeschV. 4. Wie vielen der unter 1. genannten Personen hat die Ausländerbehörde eine Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung gem. § 32 Abs. 2 Nr. 5 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) erteilt? Zu 4.: Seite 3 von 4 Nach der halbjährlichen Auswertung des Fachverfahrens bei der Ausländerbehörde waren zum Stichtag 31.12.2018 1.117 geduldete Ausländer im Besitz einer Erlaubnis zur Ausübung jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochen vierjährigen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV. 5. Wie vielen der unter 1. genannten Personen hat die Ausländerbehörde die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gem. § 60a Abs. 6 AufenthG untersagt? (Bitte nach den Versagungsgründen von § 60a Abs. 6 Nr. 1 bis 3 AufenthG, der Aufenthaltsdauer [länger als drei Jahre, länger als vier Jahre, länger als sechs Jahre bzw. länger als acht Jahre in Berlin] und den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten differenzieren.) Zu 5.: Zum Stichtag 31.12.2018 waren 5.471 geduldete Ausländer nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Die erbetenen weiteren Angaben zu den Versagungsgründen nach § 60a Abs. 6 AufenthG werden statistisch nicht erfasst. 6. Wie bewertet der Senat die hohe Zahl der Beschäftigungsverbote auch bei langjährigem Aufenthalt im Hinblick auf die Integrationschancen der Betroffenen, deren aufenthaltsrechtliche Legalisierung über das Bleiberecht für langjährig Geduldete nach §§ 25a und 25b AufenthG, und die sozialpolitischen Konsequenzen des dauerhaften Ausschlusses einer großen Zahl geduldeter Menschen von jeglichen legalen Erwerbsmöglichkeiten? Welche Lösungswege strebt der Senat an? Zu 6.: Die Zahl der Beschäftigungsverbote Geduldeter beruht ganz überwiegend auf den ungeklärten Identitäten und der fehlenden Mitwirkung der Ausländer bei der Identitätsklärung und der Passbeschaffung. Es obliegt den Ausländern, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen und sich in der Folge gute Integrationschancen zu eröffnen. Der Gesetzgeber hat mit § 32 Beschäftigungsverordnung (BeschV) konkret Regelungen für Geduldete bezüglich des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt geschaffen, um ihnen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Integration zu bieten. Im Zuge des Integrationsgesetzes (Inkrafttreten am 06.08.2016) führte der Gesetzgeber die sog. Ausbildungsduldung ein. In der Praxis wird diese Regelung aktiv umgesetzt. Langfristig Geduldeten steht insbesondere durch die Schaffung der §§ 25a und 25b AufenthG die Möglichkeit offen, nach bereits geleisteter Integration schwerpunktmäßig im Hinblick auf das Beherrschen der deutschen Sprache und des eigenständigen Beitrags zur Sicherung des Lebensunterhalts, einen humanitären Aufenthaltstitel zu erhalten. Hier wird zum einen einer gewissen Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet Rechnung getragen und zum anderen den Geduldeten ein Maß an Verantwortung für ihre eigene Integration übertragen. Das Land Berlin hat sich auf Bundesebene für eine integrationsfreundlichere Gestaltung der §§ 25a und 25b AufenthG eingesetzt. 7. Welche weiteren Aufenthaltsdokumente verwendet die Berliner Ausländerbehörde für ausreisepflichtige Ausländer außer der Duldung (z.B. Grenzübertrittsbescheinigung GÜB 1 und GÜB 2), und wie wird die Verwendung dieser Dokumente jeweils begründet? Seite 4 von 4 Zu 7.: Kommt bei einem ausreisepflichtigen Ausländer die Erteilung einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung) nicht in Betracht, so ist abhängig von den jeweiligen Voraussetzungen im Einzelfall die Ausstellung der nachstehenden Dokumente für Ausreisepflichtige denkbar: Bescheinigung über die Aussetzung der Vollziehbarkeit Grenzübertrittsbescheinigung 1 Grenzübertrittsbescheinigung 2 Hinsichtlich der Begründung der Bescheinigungen wird auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zum Aufenthaltsgesetz vom 27.07.2009 verwiesen, die in allen Bundesländern verbindlich gilt. Insbesondere wird auf die Ausführungen unter Abschnitt 50.4. ff., 58.0. ff. sowie 84.1.2. ff. verwiesen. 8. Wie viele ausreisepflichtige Ausländer ohne Duldung halten sich derzeit im Land Berlin auf (bitte nach Art des Aufenthaltsdokuments und Art der Grenzübertrittsbescheinigung, Geschlecht, Alter über oder unter 18 Jahren und den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten differenzieren)? Zu 8.: Im Land Berlin halten sich nach Auswertung des Fachverfahrens der Ausländerbehörde zum 31.01.2019 1.237 ausreisepflichtige Ausländer ohne Duldung auf. Die erbetenen Angaben zur Art des Aufenthaltsdokuments, Geschlecht, Alter und Herkunftsstaaten werden statistisch nicht erfasst. 9. Wie viele der unter 8. genannten Personen haben eine generelle Beschäftigungserlaubnis erhalten, wie viele eine Erlaubnis für eine konkrete Tätigkeit und für wie viele wurde ein Verbot jeglicher Erwerbstätigkeit verfügt? Zu 9.: Die erbetenen Angaben werden statistisch nicht erfasst. 10. Da im Aufenthaltsgesetz und der Aufenthaltsverordnung keine rechtliche Grundlage für die Ausstellung einer Grenzübertrittsbescheinigung anstelle der Duldung ersichtlich sind: Auf welche rechtlichen Grundlagen stützt die Berliner Ausländerbehörde die Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen? Inwieweit sieht der Senat ein Problem darin, dass die Berliner Ausländerbehörde bei der Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen nicht auf gesetzlicher Grundlage handelt? Zu 10.: Nach § 59 Abs. 6 AufenthG ist dem Ausländer über die Gewährung der Frist nach § 59 Abs. 1 AufenthG eine Bescheinigung auszustellen. Ein besonderer amtlicher Vordruck für die Bescheinigung über die Fristgewährung existiert nicht (vgl. Bergmann/Dienelt/Bauer/Dollinger, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 59, Randnummer 20). In der Praxis erhält der Ausländer eine Grenzübertrittsbescheinigung. Die Ausstellung einer Duldung kommt nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung tatsächlich ausgesetzt ist. Berlin, den 02. April 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport