Drucksache 18 / 18 264 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert (LINKE) vom 19. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2019) zum Thema: Durchführung und Umstände von Abschiebungen und Antwort vom 03. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Katina Schubert (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18264 vom 19. März 2019 über Durchführung und Umstände von Abschiebungen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bei wie vielen und welchen Abschiebemaßnahmen auf dem Luftweg befand sich 2018 von der Ausländerbehörde Berlin beauftragtes Personal mit welchen Aufgaben an Bord? (Bitte Flughafen, Zielflughafen, Monat, Art der Abschiebung - Sammelabschiebung vs. Linienflug - nennen und aufschlüsseln, welche berufliche Tätigkeit die Person jeweils ausübt, was ihre Aufgabe während des Fluges war, und ob diese Personen auf Honorarbasis oder in Festanstellung für das Land Berlin tätig waren.) Zu 1.: Die in der Frage erbetenen Angaben werden von der Ausländerbehörde statistisch nicht erfasst. Auf Chartermaßnahmen, die von der Ausländerbehörde Berlin organisiert werden, befinden sich regelmäßig Sprachmittler, die auf Honorarbasis für die Ausländerbehörde Berlin tätig sind. 2. Zu welchem Zeitpunkt, durch wen und aus welchem Grund wird den Betroffenen von Abschiebemaßnahmen das Mobiltelefon abgenommen? Zu 2.: Vor der Durchführung eines Personentransports erfolgt durch die eingesetzten Dienstkräfte eine Durchsuchung aus Eigensicherungsgründen. Dabei werden neben potentiell gefährlichen Gegenständen, wie Feuerzeugen, spitzen oder scharfkantigen Gegenständen, auch Mobiltelefone abgenommen. Durch unkontrollierte Telefonate könnten Flucht- oder Befreiungsversuche verabredet werden, die polizeiliche Maßnahmen sowie die körperliche Unversehrtheit aller Beteiligten gefährden. Anrufe bei Personensorgeberechtigten oder Rechtsbeiständen sind möglich, soweit es die Lage vor Ort zulässt. Abgenommene Gegenstände werden nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder ausgehändigt. 3. Wie wird sichergestellt, dass sich die Menschen in den Mobiltelefonen gespeicherte Telefonnummern von Angehörigen, Rechtsanwält*innen usw. notieren können? Seite 2 von 4 Zu 3.: Nachvollziehbar vorgetragenen Anrufbegehren wird regelmäßig stattgegeben, soweit es die Lage in der Situation des Einzelfalls zulässt. Die Maßnahmen der Durchsuchung zu Zwecken der Eigensicherung sowie der Abnahme von Gegenständen für einen begrenzten Zeitraum werden gegenüber Betroffenen transparent dargestellt. Insbesondere im Zusammenhang mit Rückführungsmaßnahmen werden Betroffene sensibilisiert, sich wichtige Telefonnummern separat zu notieren, da am Flughafen bzw. während des Fluges das Telefonieren mit dem eigenen Mobiltelefon unter Umständen nicht möglich ist. Nötigenfalls werden Papier und Stift zur Verfügung gestellt. 4. Wie wird den Betroffenen während Abschiebemaßnahmen jederzeit die Kommunikation zur möglichst frühzeitigen, sach- und zeitgerechten Führung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ermöglicht (Möglichkeit zu telefonieren und ggf. Faxe zu schicken, Erreichbarkeit von Gerichten/Rechtsanwält*innen, Zeitplanung)? Zu 4.: Rechtsbehelfsbelehrungen an vollziehbar ausreisepflichtige Personen erfolgen bereits mit der Androhung der Abschiebung durch die zuständige Behörde. In Berlin werden Rückführungen regelmäßig als Direktabschiebung ohne Haftbeschluss vollzogen, zu denen eine Freiheitsbeschränkung durch die Polizei am Tag der Rückführung erfolgt. Betroffenen wird das Formular „Information zu Ihrer Abschiebung“ (liegt mehrsprachig vor) mit folgendem Wortlaut ausgehändigt: „Sie können Angehörige, eine Vertrauensperson, einen Rechtsbeistand, Ihre Botschaft oder Ihre konsularische Vertretung über Ihre Abschiebung informieren. Sofern sich dafür benötigte Telefonnummern in Ihrem Mobiltelefon befinden, informieren Sie die Polizei. Es kann sein, dass Sie dieses Telefonat erst am Flughafen führen können. Dies ist abhängig von der aktuellen Situation vor Ort und wird Ihnen ggf. durch die Polizei mitgeteilt. Wenn Sie über keinen Rechtsbeistand verfügen, können Sie sich unter der Rufnummer 0172 325 55 53 an den anwaltlichen Notruf wenden.“ 5. Wie wird die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von anwaltlicher Betreuung und Begleitung während der Vollstreckung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sichergestellt (Kommunikation/Zeitplanung)? Zu 5.: Eine Begleitung des Betroffenen durch einen Rechtsbeistand im Transportfahrzeug der Polizei Berlin ist aus versicherungs- und sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich. Gemäß der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 23.03.2018 – OVG 1 N 8.17) besteht kein Anspruch auf anwaltliche Begleitung im Rückführungsbereich des Flughafens. Für die Betroffenen besteht im Rückführungsbereich des Flughafens die Möglichkeit, ihren Rechtsbeistand mittels Diensttelefon der Bundespolizei zu kontaktieren. Seite 3 von 4 6. Inwiefern teilt der Senat die vom Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Uwe Berlit auf einem Podium der diesjährigen Hohenheimer Tage zum Ausländerrecht geäußerte Rechtsauffassung, dass die weit verbreitete Praxis, bereits zu Beginn der Abschiebemaßnahmen den betroffenen Menschen die Mobiltelefone abzunehmen, die rechtzeitige Kontaktaufnahme zu Angehörigen und Anwälten und somit auch den Zugang zu effektivem Rechtsschutz verhindere und welche Konsequenzen zieht er daraus für die Praxis der Berliner Polizei? Zu 6.: Rechtsschutz ist nicht an einen besonderen Kommunikationsweg gebunden. Die Möglichkeit, Telefonate zu führen, besteht auch losgelöst von der Verwendung eines eigenen Mobiltelefons. 7. Aus welchem Grund war bislang die unabhängige Abschiebebeobachterin der Caritas bei Abschiebeflügen während des Einsteigens am Flughafen und während des Fluges selbst nicht mit an Bord? Zu 7.: Der Tätigkeitsbereich der Abschiebungsbeobachterin umfasst nach den bisher getroffenen Vereinbarungen nicht den Einsteigevorgang und den Flug. Die Entscheidungskompetenz über die Erweiterung der Abschiebungsbeobachtung auf das Einsteigen am Flughafen und während des Fluges obliegt der Bundespolizei. 8. Inwieweit wurden die vom Flüchtlingsrat Berlin im Zusammenhang mit dem Sammelabschiebecharter vom 6. Juni 2018 nach Madrid erhobenen Vorwürfe mit den laut der Antwort auf die Schriftliche Anfrage auf Drucksache 18/16508 an Bord befindlichen Ärzten und Sanitätern der Polizei Berlin sowie dem ebenfalls an Bord befindlichen Sprachmittler der Ausländerbehörde Berlin und den laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/4960 an Bord befindlichen drei Beobachtern der Bundespolizei besprochen und wenn ja, welche weiteren Erkenntnisse zum in Rede stehenden Sammelabschiebecharter haben sich daraus ergeben? Wenn nein, warum wurde mit den genannten Personen der in Rede stehende Sammelabschiebecharter nicht ausgewertet, um gegebenenfalls den seitens des Flüchtlingsrates Berlin erhobenen Vorwürfen adäquat nachgehen zu können und auf welchem anderen Weg ist der Senat den Vorwürfen nachgegangen? Zu 8.: Grundsätzlich werden durch die einsatzführende Stelle Führungsentscheidungen dokumentiert, Einsatzerfahrungen analysiert und Lösungsmöglichkeiten für erkannte Schwachstellen erarbeitet. Art und Umfang sind insbesondere vom Einsatzverlauf abhängig. In den genannten Anfragen waren keine konkreten Vorwürfe des Flüchtlingsrates Berlin e.V. im Zusammenhang mit der Rückführungsmaßnahme vom 6. Juni 2018 enthalten. Erst durch eine Pressemitteilung des Flüchtlingsrates Berlin e.V. vom 22. Oktober 2018 wurden Vorwürfe konkretisiert. Es wurden alle beteiligten Stellen der Polizei Berlin zu den Schilderungen befragt. Im Ergebnis konnte keine Fehlverhalten festgestellt werden. Unabhängig davon werden Abschiebungsmaßnahmen im Forum Abschiebungsbeobachtung Berlin-Brandenburg aufgearbeitet. 9. Welche konkreten Vorhaben verfolgt der Senat zur Stärkung der Position der behördenunabhängigen Abschiebebeobachtung an den Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin- Schönefeld? Seite 4 von 4 Zu 9.: Es besteht zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg Konsens darüber, dass die Mittel für die Abschiebungsbeobachtung erhöht werden sollen. Nähere Details werden durch die beteiligten Behörden und Stellen erörtert. Berlin, den 03. April 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport