Drucksache 18 / 18 277 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) vom 20. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. März 2019) zum Thema: Koks- und Drogenlieferdienste in Berlin und Antwort vom 02. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18277 vom 20. März 2019 über Koks- und Drogenlieferdienste in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: In der Show „Late Night Berlin“ vom 11.03.2019 hieß es: „Gefährlich, aber lustig: Klaas fährt Koks-Taxi und verkauft echtes Obst statt Drogen. Ein sogenanntes Koks-Taxi kann man anrufen, wenn man Drogen haben will. Getarnt sind sie oft als Obstlieferant. Klaas Heufer-Umlauf hat es in seiner Show „Late Night Berlin“ aber wörtlich genommen und in seinem Taxi wirklich Obst verkauft.“ Mit der Show „Late Night Berlin“ vom 11.03.20191, wurde dem Zuschauer so schonungslos vor Augen geführt, wie leicht es sein kann an Drogen durch sog. Kokstaxis zu kommen und welcher Markt scheinbar in Berlin besteht. 1. Welche Erkenntnisse hat der Senat zu den sog. Kokstaxis bzw. Drogenlieferservices in Berlin? Zu 1.: Das Phänomen der sogenannten Kokstaxis bzw. Drogenlieferservices ist seit vielen Jahren bekannt. Seit 2012 ist jedoch ein verstärktes Auftreten feststellbar. Diese Form des Betäubungsmittelhandels ist für die Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar, da die Treffen zwischen Kundinnen bzw. Kunden und Lieferanten an eher unauffälligen Orten, wie beispielsweise Wohn- oder Büroadressen der Kunden, stattfinden. Die Kommunikation zwischen Kundinnen bzw. Kunden und Lieferanten spielt sich zu einem Großteil über Messenger-Dienste ab. Die Auslieferung der Betäubungsmittel erfolgt unter Nutzung eines Fahrzeuges, in das die Kundin bzw. der Kunde nach vorheriger telefonischer Ankündigung einsteigt, um dort Geld zu übergeben und die Ware zu empfangen. Der gesamte Vorgang nimmt gewöhnlich nur einen kurzen Zeitraum in Anspruch. 2. Hat der Senat Kenntnis welche Art von Drogen in diesem Zusammenhang illegal verkauft werden? 1 https://www.prosieben.de/tv/late-night-berlin-mit-klaas-heufer-umlauf/video/20194-die-show-vom-11- 03-2019-ganze-folge Seite 2 von 4 Zu 2.: Aus bisherigen Ermittlungsverfahren ist der unerlaubte Handel mit nahezu allen Betäubungsmitteln, insbesondere Kokain, bekannt geworden. Eine Ausnahme bilden neue psychoaktive Stoffe und Heroin. 3. Laut einem Artikel auf welt.de vom 11.02.20142 wird die Zahl dieser Lieferdienste auf 150 Anbieter geschätzt. Ein Insider geht in einem Artikel von vice.com vom 29.12.2017 sogar von mehreren hundert Anbietern aus.3 a) Hält der Senat diese Zahlen für realistisch bzw. von welchen Zahlen geht der Senat aus? b) Gibt es dazu eine Statistik? Wenn nein, warum nicht? c) Wie beurteilt der Senat das Dunkelfeld in diesem Bereich und ist eine Dunkelfeldstudie in diesem Bereich geplant? zu 3.: a) Der Senat nimmt hierzu keine Schätzungen vor. b) Die hier in Rede stehenden Taten werden als „Unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln“ erfasst. Es erfolgt keine weitere Klassifizierung. Demzufolge können keine expliziten Fallzahlen zu diesem Phänomenbereich erhoben werden. c) Dunkelfeldforschungen wurden von der Polizei Berlin in diesem Deliktsbereich bislang nicht durchgeführt. Im Rahmen eines bundesweiten Viktimisierungssurvey hat die Polizei Berlin die Absicht, sich unter Federführung des Bundeskriminalamts regelmäßig an der Dunkelfeldforschung zu beteiligen. 4. Wie schätzt der Senat die Gefährlichkeit dieses Deliktbereichs ein, speziell vor dem Hintergrund eines Anstiegs des Kokainkonsums alleine in den Jahren 2015 und 2017 um mehr als 70 Prozent? Zu 4.: Grundsätzlich gilt, dass in jedem Einzelfall Drogenmissbrauch eine Gefahr für die Gesundheit, die persönliche Entwicklung oder das Leben von Konsumierenden und der Drogenhandel eine permanente Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Zwar ist der reine Konsum von Betäubungsmitteln nicht strafbar, aber die Polizei Berlin erfasst in diesem Zusammenhang die Fälle des strafbaren Besitzes und strafbaren Erwerbs von Betäubungsmitteln. Diese gemäß polizeilicher Kriminalstatistik in den Jahren 2015 – 2017 erfassten „Allgemeinen Verstöße“ (Besitzund Erwerbsfälle; hier Kokain) gegen das Betäubungsmittelgesetz weisen keine in der Anfrage benannte Fallzahlensteigerung von 70 % auf (2015: 762, 2016: 638, 2017: 898). 5. Wie viele Menschen starben in Berlin in den Jahren 2015 bis heute an den Folgen von Drogenmissbrauch allgemein? Bitte nach Jahren und Bezirken aufschlüsseln. Zu 5.: Die Angaben zu den Rauschgifttoten für die Jahre 2015 – 2018 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Auffindebezirk 2015 2016 2017 2018 Mitte / Tiergarten / Wedding 27 42 22 32 2 https://www.welt.de/vermischtes/article124740369/Eine-Nacht-mit-dem-Kokaintaxi-durch-Berlin.html 3 https://www.vice.com/de/article/9kn35v/die-umsatzstarkste-nacht-des-jahres-ein-koks-taxi-fahrererzahlt -von-seinem-silvester Seite 3 von 4 Friedrichshain / Kreuzberg 30 27 26 31 Prenzlauer Berg / Weißensee / Pankow 4 10 10 14 Charlottenburg / Wilmersdorf 13 18 13 11 Spandau 8 7 9 12 Zehlendorf / Steglitz 6 8 7 8 Schöneberg / Tempelhof 13 8 20 20 Neukölln 28 19 25 26 Treptow / Köpenick 4 6 11 8 Marzahn / Hellersdorf 3 8 5 8 Lichtenberg / Hohenschönhausen 11 9 12 12 Reinickendorf 7 5 8 9 Gesamt 154 167 168 191 Quelle: Landeskriminalamt (LKA 43 Auswerteeinheit) 6. Wie hoch sind die Ausgaben im Zusammenhang mit Drogenbekämpfung und -prävention in Berlin in den Jahren 2010 bis heute? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Zu 6.: Drogen- und Suchtpolitik ruht auf drei wesentlichen Pfeilern: Ordnungspolitische Maßnahmen (am ehesten mit dem Begriff Drogenbekämpfung gleichzusetzen) sowie gesundheitspolitischen Maßnahmen wie Suchthilfe und Suchtprävention. Dazu können für die letzten beiden die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen Angaben (bereitgestellte Mittel (in Euro)) dargelegt werden: Jahr Gesamt 2010 9.629.590 2011 10.707.390 2012 10.927.510 2013 10.869.890 2014 10.823.000 2015 11.338.100 2016 11.894.000 2017 11.928.420 2018 14.959.000 Ausgaben für Polizeieinsätze einschließlich Präventionsarbeit, soweit sie der Polizei Berlin obliegt, sind durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt und werden deshalb nicht gesondert erhoben. Im Bereich der Justiz werden weder bei den Strafverfolgungsbehörden noch bei den Strafgerichten die Aufwände im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelkriminalität gesondert erfasst, sodass eine Aussage zu den Ausgaben nicht getroffen werden kann. 7. Wie bewertet der Senat eine Aussage im Artikel von vice.com4 „Die Ausbeute an relevanten Straftätern und Straftäterinnen unter der Kundschaft ist ziemlich gering. Daher lohnt sich die Ermittlungsarbeit kaum.“ 4 https://www.vice.com/de/article/9kn35v/die-umsatzstarkste-nacht-des-jahres-ein-koks-taxi-fahrererzahlt -von-seinem-silvester Seite 4 von 4 Zu 7.: Die Polizei Berlin ist für die Bekämpfung aller Straftaten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität zuständig. Der Schwerpunkt der Ermittlungsarbeit liegt auf dem Bereich der Handels- und Schmuggeldelikte, die bandenmäßig organisiert oder gewerbsmäßig vorgehende Täterkreise betreffen und mit erheblichen Rauschgiftmengen verbunden sind. Berlin, den 02. April 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport