Drucksache 18 / 18 312 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 19. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. März 2019) zum Thema: Verschleierte Schleierfahndung? und Antwort vom 10. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18312 vom 19. März 2019 über Verschleierte Schleierfahndung? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Am 18.03.2019 teilte ein Mitarbeiter der Polizei Berlin über den Nachrichtendienst Twitter mit: „Aufbauend auf die Intensivierung der Kontrollen im Bereich #Neukölln-Nord überprüfen wir zur Zeit mit ca. 75 Kolleg. hochwertige Fahrzeuge auf mögliche Verbindungen zu kriminellen Clanmitgliedern.“ (Rechtschreibfehler von Twitter übernommen). Wie viele Beamte welcher polizeilichen Einheiten waren wie lange mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung dieses Einsatzes befasst? Zu 1.: In der Einsatzvorbereitung waren acht Dienstkräfte beteiligt, welche sich in der Führungsfortbildung II der Polizeiakademie (PA) im Fachbereich III 2 (Einsatzlehre) befanden. Die Vorbereitung des Einsatzes dauerte fünf Werktage. An der Durchführung des Einsatzes waren insgesamt 74 Beamte verschiedener Dienststellen beteiligt. Die Nachbereitung führten 16 Beamte des Führungslehrgangs durch. Die Einsatznachbereitung dauerte etwa zwei Stunden. 2. Wer hat wann, wo und mit welchem Inhalt festgelegt, welche Fahrzeuge anlässlich dieser Maßnahme kontrolliert werden sollen? Zu 2.: Dieses wurde durch den Polizeiführer gemäß seiner taktischen Ziele festgelegt. Die taktischen Ziele für den Einsatz waren: 1. Vorbeugung von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs 2. Erkennen und Dokumentieren von Strukturen in Bezug auf Clankriminalität 3. Gewährleisten einer spürbaren, flexiblen und möglichst kontinuierlichen Polizeipräsenz 4. Stärkung des Sicherheitsgefühls der Anwohner bei gleichzeitiger Verunsicherung der Zielgruppe 5. Reduzierung des immer wieder festgestellten „Revierverhaltens“ im Straßenverkehr 6. Konsequente und beweissichere Verfolgung von Verkehrsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr Seite 2 von 4 Bei Unterpunkt 2 handelte es sich entsprechend um einen Teilaspekt und nicht um den Hauptzweck des Einsatzes. 3. Auf welcher Rechtsgrundlage ist die zu 1) beschriebene Kontrollmaßnahme erfolgt? Zu 3.: Das Anhalten von Kraftfahrzeugführenden durch Kontrollkräfte beruhte auf einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle (§ 36 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung - StVO). Die Überprüfung erstreckte sich gemäß Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) zu § 36 Abs. 5 StVO auf die Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführenden als auch auf die mitführpflichtigen Dokumente sowie auf den technischen Zustand, die Ausrüstung und die Beladung des Fahrzeuges. Des Weiteren kamen folgende Rechtsgrundlagen zur Anwendung: - § 163b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) bzw. § 163b Abs. 1 StPO für Überprüfungen im Rahmen von festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeiten / Verkehrsstraftaten zum Zwecke der Identitätsfeststellung - § 21 Abs. 1 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) für Identitätsfeststellungen im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr sowie - § 18 ASOG für Ermittlungen, Befragungen und Datenerhebungen. 4. Wie viele Fahrzeuge (bitte geordnet nach Fabrikaten) wurden im Rahmen dieser Maßnahme untersucht? Zu 4.: Im Rahmen der Kontrollen wurden 71 Fahrzeuge überprüft. Weitere Feststellungen im Sinne der Fragestellung erfolgten nicht. 5. Wurden auch a) die Fahrzeugführer und b) die Insassen kontrolliert? Wenn ja, welche Daten zu den jeweiligen Personen wurden erfasst? Zu 5.: Es wurden Kraftfahrzeugführende im verkehrsrechtlichen Sinne überprüft. Eine Kontrolle von Mitfahrenden (Insassen) erfolgte nicht. Eine Erfassung der Daten erfolgte im Rahmen der Kraftfahrzeugkontrolle, dies beinhaltete nur die Überprüfung des Nachweises benötigter Fahrerlaubnisklassen und der Zulassungsbescheinigung Teil I. Bei Ordnungswidrigkeiten und/oder Straftaten wurden weitere personenbezogene Daten erfasst, insbesondere die Identitäten der Betroffenen. 6. Auf welcher rechtlichen Grundlage sind diese Daten erfasst, gespeichert und verarbeitet worden? An wen wurden diese Daten auf welcher Rechtsgrundlage weitergegeben? Zu 6.: Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Daten im Rahmen der unter 5. beschriebenen Kontrolle wird auf die Antwort zu 3. (dortiger 2. Absatz) verwiesen. Die erhobenen Daten wurden gemäß § 28 ASOG und im Falle festgestellter Verstöße gegen Straftat- oder Ordnungswidrigkeitstatbestände gemäß § 98c StPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 46 OWiG) abgeglichen. Die Speicherung der Daten erfolgte auf der Grundlage von § 42 ASOG, gegebenenfalls in Verbindung mit Seite 3 von 4 § 483 StPO, soweit Daten im Zusammenhang mit Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten (§ 46 OWiG) erfasst wurden. Bei eingeleiteten Ermittlungs - oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wurden im Nachgang des Einsatzes Daten an andere Behörden übersandt (Amtsanwaltschaft, Bußgeldstelle etc.). Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus den §§ 477 ff StPO / ggf. in Verbindung mit § 46 OWiG. 7. Wie definiert die Polizei Berlin „Verbindungen“ eines Fahrzeugs zu kriminellen Clanmitgliedern“? Besteht eine „Verbindung“ zum Beispiel bei Abschluss eines Automietvertrages? Zu 7.: Im Einzelfall werden Verbindungen von Fahrzeugen zu polizeilich relevanten Personen offenbart, z. B. als Fahrzeughalter, Eigentümer, Mieter oder Fahrer. Dabei kann es sich im Einzelfall auch um ein gemäß polizeilichen Vorerkenntnissen kriminelles Mitglied einer ethnisch abgeschotteten Struktur, sogenannter „Clankriminalität“, handeln. 8. Wie definiert die Polizei Berlin „hochwertige Fahrzeuge“? Sind damit auch zum Beispiel BMW 7er (Dienstwagen des Innensenators) gemeint? Zu 8.: Die Polizei Berlin bezeichnet im internen Sprachgebrauch und ggf. bei der Abgrenzung von Bearbeitungszuständigkeiten Fahrzeuge als „hochwertig“, wenn diese bestimmte Merkmale wie zum Beispiel eine ausgefallene Marke, hochwertige Verarbeitung, Größe, leistungsstarke Motoren und/ oder eine hochwertige Ausstattung aufweisen. Dabei steht vielmehr das Gesamterscheinungsbild als eine bestimmte Wertgrenze im Vordergrund. 9. Wie definiert die Polizei Berlin „kriminelle Clanmitglieder“? Zu 9.: Aktuell sind der Polizei Berlin die Zuordnungskriterien und Indikatoren bekannt, auf die sich die Mitglieder der Kommission Organisierte Kriminalität (KOK) auf die Darstellung von Clankriminalität geeinigt haben, ausschließlich in Bezug auf das vom Bundeskriminalamt verantwortete Bundeslagebild „Organisierte Kriminalität“. Über den Phänomenbereich der Organisierten Kriminalität hinaus gibt es aktuell keine Definition sogenannter „Clankriminalität“. Entsprechend verfügt die Polizei Berlin derzeit auch nicht über eine Definition des Begriffs „kriminelle Clanmitglieder“. Das Social Media Team der Polizei Berlin kann sich bei seinem Twitter-Auftritt aber nicht immer gänzlich des offiziellen polizeilichen Sprachgebrauchs bedienen. Um den Gesetzmäßigkeiten des Mediums und den Ansprüchen des Rezipientenkreises gerecht werden zu können, wird verkürzt, plastisch und zielgruppenorientiert formuliert. 10. Da für die Maßnahme zu 1) ja ein entsprechender Personenkreis definiert worden sein muss: wie viele „kriminelle Clanmitglieder“ sind aktuell in Berlin polizeilich gemeldet? Zu 10.: Da der Begriff derzeit nicht definiert ist, ist eine Beantwortung im Sinne der Fragestellung nicht möglich. 11. Plant die Polizei derartige Maßnahmen auch in Bezug auf andere sozial oder ethnisch definierte Bevölkerungsteile? Wenn ja, welche? Seite 4 von 4 Zu 11.: Einsätze der Polizei Berlin zur gesetzlich normierten Überwachung der Regeln des Straßenverkehrs beziehen sich grundsätzlich auf deliktische und/oder örtliche Brennpunkte unter den Aspekten der Prävention, der Verkehrssicherheit und der Strafverfolgung, sofern entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Eine Ausrichtung auf ethnische oder soziale Gesichtspunkte erfolgt nicht. Berlin, den 10. April 2019 In Vertretung Aleksander Dzembritzki Senatsverwaltung für Inneres und Sport