Drucksache 18 / 18 314 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 19. März 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. März 2019) zum Thema: Effizienzorientierte standardisierte Bearbeitung und Sofortabschluss bei der Polizei und Antwort vom 09. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18 314 vom 19. März 2019 über Effizienzorientierte standardisierte Bearbeitung und Sofortabschluss bei der Polizei ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Worum handelt es sich bei der „Effizienzorientierten standardisierten Bearbeitung“ bzw. dem „Sofortabschluss“-Verfahren bei der Polizei genau? Zu 1.: Es existiert keine behördeninterne, verbindliche Definition für den Begriff „Effizienzorientierte Bearbeitung“. Der Begriff bezeichnet eine Strategie in der Vorgangsbearbeitung zur Konzentration personeller und materieller Ressourcen vor dem Hintergrund der Erfolgswahrscheinlichkeit unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Die Verpflichtung der Polizei, sich aufbauorganisatorisch entsprechend auszurichten und danach zu handeln, ergibt sich aus unterschiedlichen Vorschriften, wie z.B. der Polizeidienstvorschrift (PDV) 100, dem Verwaltungsreform- Grundsätze-Gesetz (VGG) oder der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (GGO) I. „Standardisierte Bearbeitung“ bezeichnet eine Ausprägung der Effizienzorientierung, die insbesondere bei Massendelikten angewandt wird, bei denen nur geringe oder gar keine Ermittlungsanhalte vorliegen und bestimmte Bearbeitungsabläufe identifiziert werden können, die sich immer wiederholen. Die Bearbeitung kann nach einem festgelegten Muster erfolgen. Das Pendant hierzu ist die „qualifizierte Bearbeitung“, bei der aufgrund von Ermittlungsanhalten verschiedene Optionen für weitergehende Ermittlungen vorliegen. Für beide Methoden gelten die Anforderungen an eine „effizienzorientierte Bearbeitung“. „Sofortabschluss“ ist die Bezeichnung für eine gefertigte Strafanzeige, die unmittelbar nach der Anzeigenaufnahme an die Amts- bzw. Staatsanwaltschaft abgegeben wird, wenn keine weiteren polizeilichen Ermittlungsschritte erforderlich sind. Seite 2 von 3 2) Wie ist das polizeiliche Vorgehen bei dieser Form der Bearbeitung definiert? (Bitte im Wortlaut wiedergeben) Zu 2.: Bei der im Rahmen einer effizienzorientierten Bearbeitung vorgesehenen „Standardisierten Bearbeitung“ ist in einer Vielzahl von Fällen die Verwendung von Formularen, Anschreiben und Abschlussvermerken vorgesehen, die mit den Direktionen und mit der Justiz abgestimmt sind. Diese sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – obligatorisch zu verwenden. Die Ausarbeitung dieser Formulare unterliegt einer ständigen Anpassung. Die entsprechenden Regelungen sind in der Geschäftsanweisung (GA) Landeskriminalamt (LKA) Nr. 2/2015 über die Bearbeitung von Delikten der minderschweren Kriminalität (s. Anlage) enthalten. Die Voraussetzungen für einen „Sofortabschluss“ sowie das entsprechende Verfahren sind im Merkblatt „Sofortabschluss für Strafanzeigen der minderschweren Kriminalität“ (s. Anlage) geregelt. 3) Für welche Delikte bzw. Phänomenbereiche gibt es derartige Regelungen seit jeweils wann? Zu 3.: Erste Abstimmungen zur Effizienzorientierung polizeilicher Ermittlungsarbeit erfolgten schon vor vielen Jahren mit der Amts- und Staatsanwaltschaft. Sie fanden ihren Niederschlag in unterschiedlichen Vorschriften, z. B. in der GA LKA Nr. 1/2007 über die Bearbeitung von Delikten der Kleinkriminalität sowie deren Vorgänger Version. Der „Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung betreffend die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei vom 11. November 2012“ entsprechend wurden im Rahmen der Betrugszentralisierung (April 2011) die polizeilichen Bearbeitungsmodalitäten zu einer Vielzahl von Massendelikten in diesem Deliktsfeld mit der Justiz abgestimmt. Parallel mit Beginn der Erprobung von Abschnittskommissariaten wurde die GA LKA Nr. 1/2007 novelliert und in die GA LKA Nr. 2/2015 überführt. Hier wurden konkrete Aspekte zur standardisierten Vorgangsbearbeitung und Effizienzorientierung ergänzt. 4) In wie vielen Fällen, sortiert nach Delikten und Phänomenbereichen, ist das Verfahren zu 1. in den Jahren 2013 – 2018 bei der Polizei Berlin zur Anwendung gekommen? Zu 4.: Eine valide Aussage ist hierzu nicht möglich, da neben Delikts- oder Phänomenbereich noch weitere Faktoren wie z. B. das Alter von Tatverdächtigen sowie die konkreten Umstände der Tatbegehung dazu führen können, dass Delikte der minderschweren Kriminalität nicht standardisiert, sondern qualifiziert bearbeitet werden, was mit den zur Verfügung stehenden statistischen Mitteln nicht abgebildet werden kann. Eine statistische Erfassung der Bearbeitungstiefe und -art findet nicht statt, auch eine Auswertung bezüglich der Bearbeitungsdienststelle lässt hierauf keinen sicheren Rückschluss zu. 5) Gilt ein Verfahren, das im Sinne der Frage zu 1) „sofort abgeschlossen“ worden ist, als „bearbeitet“ im Sinne der Kriterien der PKS? (vgl. Anfrage 18/14934 zu Begriffsdefinitionen im Bereich der Senatsverwaltung für Inneres III). Seite 3 von 3 Zu 5.: Ja. Berlin, den 09. April 2019 In Vertretung Aleksander Dzembritzki Senatsverwaltung für Inneres und Sport LKA St 11 Stand: Juli 2016 Seite 1 von 3 1.1. Was ist ein Sofortabschluss? Der sehr zeitnahe Abschluss von Strafanzeigen, bei denen die Voraussetzungen für einen Abschluss des Vorgangs an die AA/StA vorliegen, weil keine weiteren Ermittlungsschritte mehr erforderlich sind, folgt den Erfordernissen eines sich an Belangen der Effizienz orientierenden Kräfte- und Mittelansatzes (PDV 100). Die mit der Entgegennahme und Fertigung von Strafanzeigen betrauten Dienstkräfte sind daher aufgefordert, noch stärker als bisher von dem Instrument der Sofortabschlüsse Gebrauch zu machen und die Prüfung der Voraussetzungen in den Ablauf der Anzeigenprüfung einzubinden. Sofortabschluss ist die Bezeichnung für eine gefertigte Strafanzeige, die unmittelbar nach der Anzeigenaufnahme von derselben Dienstkraft an die AA/StA abgeschlossen wird. Jede Ab- und Weitergabe bzw. Neuzuweisung des Vorganges schließt ihn aus der Kategorie der Sofortabschlüsse aus. 1.2. Voraussetzungen für Sofortabschlüsse Nur Strafanzeigen mit klarem Sachverhalt der minderschweren Kriminalität ohne gesicherte Spuren ohne Asservate mit erwachsenen Tatverdächtigen (ab 21 Jahre; sofern bekannt) bei denen alle Fragen zu einer ggf. erforderlichen Sachfahndung geklärt sind bzw. sich zeitnah klären lassen (siehe Punkt 3.2. Ermittlungen/Sachfahndung) sind für einen Sofortabschluss geeignet. Hinzu kommen weitere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen: a) Tatverdächtige/r ist unbekannt: alle für eine abschließende Bewertung erforderlichen Erkenntnisse liegen bereits bei Anzeigenaufnahme vor bzw. konnten kurzfristig von der verantwortlichen Dienstkraft eingeholt werden, und aus ihnen ergeben sich in Bezug auf die Aufklärung der Tat keine Erfolg versprechenden Ermittlungsansätze Merkblatt Sofortabschluss für Strafanzeigen der minderschweren Kriminalität 1. Begriffsdefinition LKA St 11 Stand: Juli 2016 Seite 2 von 3 b) Tatverdächtige/r ist bekannt: Strafantrag des Antragsberechtigten – soweit erforderlich – liegt vor der Tatverdächtige ist ohne festen Wohnsitz und unbekannten Aufenthaltes durch die bereits bei der Anzeigenaufnahme vor Ort getroffenen Maßnahmen ergeben sich keine weiteren Bearbeitungserfordernisse Ausnahmslos nicht für einen Sofortabschluss in Frage kommen von Minderjährigen (unter 21 Jahre), Intensiv- oder Kiezorientierten Mehrfachtätern begangene Straftaten Fälle der Häuslichen Gewalt (HG) Fälle der BtM-Kriminalität 1. Begriffsdefinition 2.1. Keine Berücksichtigung der im ZSR geregelten Bearbeitungszuständigkeiten Gemäß der Geschäftsanweisung (GA) LKA Nr. 2/2015 über die Bearbeitung der minderschweren Kriminalität sind die im ZSR enthaltenen Regelungen bei Sofortabschlüssen nicht zu beachten. Das bedeutet, dass Sofortabschlüsse ohne Einschränkungen auf jeder Dienststelle möglich sind, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Eine Information an die eigentlich gemäß ZSR zuständige Dienststelle ist nicht erforderlich. 2.2. Berücksichtigung der im ZSR geregelten Bearbeitungszuständigkeiten Sollten im Einzelfall nach einem Sofortabschluss zu einem späteren Zeitpunkt weitere Maßnahmen oder Ermittlungen erforderlich werden, sind diese von der Dienststelle zu führen, die ursprünglich für den Sachverhalt gem. ZSR sachlich und örtlich zuständig gewesen wäre. Hierzu gefertigte Unterlagen sind dem Ermittlungsvorgang ggf. nach Abschluss der Maßnahmen nachzusenden. 2.3. Rücksendeverbot Treffen Vorgänge bei der gemäß ZSR sachlich und örtlich zuständigen Dienststelle ein, obwohl sie die Eignung als Sofortabschluss aufweisen, sind sie dort abzuschließen. 3. Sachbearbeiterprinzip und Qualitätssicherung 3.1. Sachbearbeiterprinzip Die anzeigenaufnehmende Dienstkraft entscheidet auf der Grundlage der vorliegenden Informationen über den Vorgangsabschluss als Sofortabschluss und hat in diesem Zusammenhang das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen. Der Vorgang ist nach den Grundsätzen der Führung von Strafermittlungsakten zu heften, zu paginieren und mit einer entsprechenden Abverfügung zu versehen. 2. Bearbeitungszuständigkeiten gemäß Zuständigkeitssachregister (ZSR) 3. Sachbearbeiterprinzip und Qualitätssicherung LKA St 11 Stand: Juli 2016 Seite 3 von 3 3.2. Ermittlungen/Sachfahndung Die anzeigenaufnehmende Dienstkraft stellt sicher, dass dem Anzeigenden das Geschäftszeichen – vorzugsweise mittels POL 917 – mitgeteilt wird und vermerkt das im Anwendungsfall. Bei der Anzeigenaufnahme sind gezielt sachfahndungsrelevante Daten zu erfragen und - wenn möglich - unmittelbar beim Anzeigenden/Geschädigten einzuholen (E-Mail oder Rückruf des Anzeigenden), so dass die entsprechenden Sachfahndungen eingeleitet werden können. Darüber hinaus mögliche und erforderliche Beratungen (z. B. Präventionsprogramm KUNO oder Schlosswechsel Wohnungstür) sind je nach Sachverhalt wie gewohnt ebenfalls im Rahmen der Anzeigenaufnahme durchzuführen. 3.3. Qualitätssicherung Die Qualitätssicherung wird von der jeweils vorgesetzten Dienstkraft durchgeführt. Sie achtet auf die Einhaltung der erforderlichen Parameter und kontrolliert die erforderlichen Arbeitsschritte auf Vollständigkeit. Der Vorgang ist im Anschluss durch Fachpost-/Kurierversand an die AA/StA zu senden. GA LKA Nr. 6/2007 über die Erfassung polizeilicher Tätigkeiten und deren Eingabe in das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) GA LKA Nr. 9/2007 über die Entgegennahme von Strafanzeigen GA LKA Nr. 3/2015 über die Anlage und Führung von Strafermittlungsakten GA LKA Nr. 2/2015 über die Bearbeitung von Delikten der minderschweren Kriminalität GA PPr St Nr. 6/2012 über die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Verlust oder Auffinden von Personalausweisen Rückfragen zu diesem Merkblatt bitte an LKA St 11, 90 91 10 4. Hinweise auf zu beachtende Regelungen