Drucksache 18 / 18 418 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Georg P. Kössler (GRÜNE) vom 01. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. April 2019) zum Thema: Mensch Meier, was war denn da los? und Antwort vom 17. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Apr. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Georg P. Kössler (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18418 vom 1. April 2019 über Mensch Meier, was war denn da los? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was war der Anlass der Zollkontrolle bzw. Finanzkontrolle Schwarzarbeit und der Stürmung im Club- und Kulturhaus "Mensch Meier" am 30. März 2019 durch Beamte der Polizei und des Zolls? Zu 1.: Das Verfahren liegt in der Zuständigkeit des Hauptzollamtes Berlin, einer Bundesbehörde, die auch für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig ist. Zu dem Prüfobjekt, betrieben durch die Mensch Meier GmbH, lag ein anonymer Hinweis vor, der durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung dem Zoll mit der Bitte übersandt wurde, dem angezeigten Hinweis nachzugehen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der anonyme Hinweisgeber verweist auf Schwarzarbeit beim Bedienungsservice und Einlass, und dass unversteuerter Alkohol aus dem Ausland vertrieben werde. Entgegen der in der Fragestellung geäußerten Annahme erfolgte keine Stürmung des Objekts. 2. War der Polizei und dem Zoll bewusst, dass zur Zeit des Einsatzes eine Podiumsdiskussion im Rahmen der "Nacht der zivilen Seenotrettung" SeaWatch beginnen sollte? Zu 2.: Den Zoll- und Polizeidienstkräften war bekannt, dass die besagte Veranstaltung am Prüfungstag stattfinden sollte, dies war dem Internetauftritt des Unternehmens zu entnehmen. Es war geplant, dass die Prüfungsmaßnahme noch vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung um 21 Uhr beginnen und den Betrieb möglichst nicht beeinträchtigen sollte. 3. Wird der Senat dem entstandenen Eindruck entgegen wirken, dass es sich hier um eine Reaktion auf die zuvor vom "Mensch Meier" mit organisierte Demonstration "Seehofer Wegbassen" handelt? Wenn ja, wie wird der Senat hier vorgehen? Seite 2 von 6 Zu 3.: Der Senat von Berlin sieht dazu keine Veranlassung, da die Polizei Berlin bei diesem Einsatz nur in Amtshilfe für das Hauptzollamt tätig wurde. Es gibt keinerlei Zusammenhänge zu der in der Fragestellung genannten Demonstration. 4. Wie viele Beamte der Polizei bzw. des Zolls wurden bei diesem Einsatz eingesetzt? Zu 4:. Seitens der Polizei Berlin waren 24 Polizeidienstkräfte und seitens der Zollverwaltung 16 Dienstkräfte am Einsatz beteiligt. 5. Wie stellt sich laut Polizei der Ablauf des Vorfalls bzw. das „Missverständnis“ mit den Türstehern des Mensch Meier dar? Zu 5.: Bei Eintreffen der beteiligten Einsatzkräfte am Objekt war die Eingangstür zur Lokalität geöffnet und der Eingangsbereich von außen einsehbar. Der Türsteher und spätere betroffene polizeibekannte Tatverdächtige schlug bei Erblicken der uniformierten Polizeikräfte unvermittelt und schlagartig die Tür vor diesen zu. Die Beamten gaben sich wiederholt und lautstark mit den Worten „Polizei, öffnen Sie die Tür!“ zu erkennen. Durch ein in der Tür befindliches Fenster konnten die Polizeidienstkräfte den späteren Tatverdächtigen zweifelsfrei erkennen. Die wiederholten Aufforderungen, die Tür zu öffnen, wurden ignoriert. Als Einsatzkräfte die Tür einen Spalt breit öffneten, sprühte der Tatverdächtige unvermittelt Reizstoff aus einem Reizstoffsprühgerät nach draußen und traf drei Einsatzkräfte im Gesicht. Anschließend gelang es weiteren Polizeidienstkräften, die Eingangstür komplett zu öffnen. Im Eingangsbereich versprühte der Tatverdächtige erneut Reizstoff. Dabei wurden drei weitere Einsatzkräfte getroffen. Im Zuge dessen konnte der Tatverdächtige festgenommen werden. Es wurden sechs Polizeidienstkräfte der Einsatzhundertschaft durch das vom Tatverdächtigen eingesetzte Reizstoffsprühgerät mit starken Augen- und Atemwegsreizungen mittels Rettungswagen der Augenklinik des Unfallkrankenhauses Berlin zugeführt und mussten dort behandelt werden. Alle sechs Beamtinnen und Beamte mussten im Anschluss an die Behandlung vom Dienst abtreten. 6. Haben die eingesetzten Beamten während der gesamten Zeit des Einsatzes - auch schon bei der ersten Kontaktaufnahme - sich als Beamte klar und eindeutig zu erkennen gegeben? Wenn ja, wie genau (Uniform, Weste, Armbinden? Bitte auch für die Zollbeamten angeben.) Zu 6: Die Polizeidienstkräfte der Einsatzhundertschaft Berlin waren durch ihre Dienstkleidung legitimiert und als solche erkennbar. An der Dienstkleidung war sowohl der Schriftzug „Polizei“ (reflektierend) als auch das Hoheitszeichen angebracht. Dienstkräfte des LKA Berlin waren während der gesamten Einsatzzeit mit der für Zivilkräfte dienstlich gelieferten Weste mit der Aufschrift „Polizei“ gekennzeichnet. Die eingesetzten Zolldienstkräfte haben sich während des Einsatzes als solche, die Zivilkräfte durch Armbinde und die weiteren Kräfte durch die Dienstkleidung, zu erkennen gegeben. Da zunächst eine Absprache über den Zweck der Maßnahme und das weitere Vorgehen mit den Personen am Einlass bzw. dem / den Verantwortlichen des Unternehmens beabsichtigt war, trugen die zivilen Kräfte der Zollverwaltung beim Seite 3 von 6 Herangehen an das Prüfobjekt zunächst keine Armbinden, da sich diese Vorgehensweise bei anderen Prüfungsmaßnahmen als praktikabel, problemlos und einsatztaktisch sinnvoll erwiesen hat. 7. Wird die Polizei angesichts widersprüchlicher Angaben von Beamten, Türstehern und Zeugen eine interne Ermittlung zu diesem Einsatz einleiten? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Der Einsatz wurde auf Grundlage von Rechtsvorschriften rechtmäßig durchgeführt. Straf- oder disziplinarrechtliche Verstöße durch Polizeidienstkräfte sind bislang nicht bekannt. 8. Durch wen erfolgte bei der eskalierten Kontrolle der Erstkontakt - Zoll- oder Polizeibeamte - und warum? Zu 8.: Der Erstkontakt erfolgte gemäß Vorabsprache mit dem Hauptzollamt Berlin durch Berliner Polizeidienstkräfte der Einsatzhundertschaft. 9. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde die Kontrolle am 30. März 2019 angeordnet und von wem ist diese angeordnet worden? Zu 9.: Die Durchführung einer Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz wurde grundsätzlich durch die Fachgebietsleitung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Berlin mit Unterstützung durch das Sachgebiet Kontrollen des Hauptzollamtes Berlin festgelegt. Rechtsgrundlage dieser Prüfung war §§ 2 ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz i. V. mit § 14 Mindestlohngesetz sowie §§ 209, 210 Abgabenordnung. 10. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde die Begleitung der Zollbeamten durch eine Einsatzhundertschaft der Polizei von wem und zu welchem Zeitpunkt angeordnet? Zu 10.: Der Berliner Polizei wurde am 22. Februar 2019 ein Unterstützungsersuchen als Zusammenarbeitsbehörde gem. § 2 (2) i. V .m. § 6 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sowie aus Gründen der Eigensicherung übermittelt. Am 26. Februar 2019 ging die Unterstützungszusage der Polizei Berlin beim Hauptzollamt Berlin ein. Die gegenseitige Unterstützung zwischen Behörden des Bundes und der Länder leitet sich aus Art. 35 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ab. 11. Wurde das "Mensch Meier" vor dem Vorfall durch Zoll oder Polizei observiert? Wenn ja, wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage? Zu 11.: Im Rahmen der Prüfungsvorbereitung wurde das Prüfobjekt durch Dienstkräfte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Berlin kurzzeitig von außen in Augenschein genommen. Es handelte sich dabei nicht um eine Observation im Rechtssinne. Seitens der eingesetzten Kräfte der Polizei Berlin erfolgten keine Observationsmaßnahmen des Objektes. 12. Gab es im "Mensch Meier" vor dem Vorfall Fälle von Schwarzarbeit? Wenn ja, bitte auflisten nach dem Stand des Verfahrens und ggf. dessen Ausgang. Seite 4 von 6 Zu 12.: Vor dem zu Frage 1. bereits thematisierten Hinweis lagen keine vorherigen Erkenntnisse zu Schwarzarbeit vor. 13. Gab es im "Mensch Meier" vor dem Vorfall Polizeieinsätze? Wenn ja, wie oft und wann Zu 13.: Im Sinne der Fragestellung erfolgt keine statistische Erhebung bei der Polizei Berlin. 14. Hält der Senat den Einsatz einer behelmten Einsatzhundertschaft bei einer Zollkontrolle für verhältnismäßig und wenn ja, wie begründet er dies im konkreten Fall? Zu 14.: Die Polizeidienstkräfte, die planmäßig das Objekt begehen sollten, führten zur Durchführung der Maßnahmen keine Helme bei sich. Erst die zur Unterstützung hinzugezogenen Kräfte der Einsatzhundertschaft in Halbgruppenstärke (sechs Mitarbeitende) entschieden sich, aufgrund des vorangegangenen Angriffes im Eingangsbereich, den Helm mitzuführen und aufzusetzen. Mit eintretender Lageberuhigung nahmen die Polizeidienstkräfte die Helme ab. 15. Inwiefern hält der Senat das Eintreten von Türen auch im Innenraum und den Einsatz von Schusswaffen gegenüber unbeteiligten Dritten für verhältnismäßig? Zu 15.: Durch die eingesetzten Dienstkräfte wurden keine Türen eingetreten und keine Schusswaffen gegenüber unbeteiligten Dritten eingesetzt. Zwei Polizeidienstkräfte entschlossen sich, aufgrund des Angriffes durch den Türsteher im Eingangsbereich, die Waffe zur dienstrechtlich korrekten Eigensicherung in die Hand zu nehmen. Dies geschah in der entschlossenen Sicherungshaltung. Dabei zeigte die Waffenmündung vorwärts-abwärts auf den Boden. 16. Wurden Personalien von Personen bei diesem Einsatz durch die Polizei festgestellt und wie lange wurden bzw. werden diese zu welchem Zweck gespeichert? Zu 16.: Durch Polizeidienstkräfte der Polizei Berlin wurden drei Personen überprüft. Die zum Zwecke der Identitätsfeststellung im Rahmen der strafprozessualen Maßnahmen aufgenommenen Personaldaten werden unter Einhaltung gesetzlich geregelter Fristen gespeichert. 17. Kam es zu Festnahmen von Personen bei diesem Einsatz und wenn ja, wie lange wurden diese Personen festgehalten und aus welchem Grund? Zu 17.: Von Polizeidienstkräften wurden drei Freiheitsentziehungen durchgeführt. Alle drei Personen wurden nach erfolgter Identitätsfeststellung am Ort entlassen. 18. Wurden den anwesenden Personen der Anlass der Kontrolle bzw. der Stürmung der Räumlichkeiten vor Ort genannt? Wenn nein, warum hat man darauf verzichtet? Zu 18.: Den angetroffenen Personen, insbesondere der Person, die nach eigenen Angaben Vorstandsmitglied des Tatendrang e.V., Verantwortlicher für die Veranstaltung und für Seite 5 von 6 die Beschäftigten der Mensch Meier GmbH, sowie der Person, die nach eigenen Angaben Koordinator der Veranstaltung war, sowie den weiteren Beschäftigten als auch weiteren Anwesenden wurden mehrmals der Zweck und die Rechtsgrundlagen der Prüfung erläutert. Den mittels Personenerfassungsbogen aufgenommenen Personen wurde zudem ein Hinweisblatt gemäß Art. 13 Datenschutzgrundverordnung übergeben. Die Unterschriften zu den Personenerfassungen sowie die Bestätigung des Erhalts des Hinweisblattes wurden nur zum Teil geleistet. Zum Ende der Maßnahme erschien die Rechtsanwältin der Mensch Meier GmbH. Auf ihre Nachfrage wurden ihr die Rechtsgrundlagen und mithin die Betretungsrechte und Mitwirkungspflichten erläutert. 19. Fand die anscheinend geplante Finanzkontrolle Schwarzarbeit schlussendlich statt? Wenn ja, bei wie vielen Personen wurde das Arbeitsverhältnis geprüft und wie viele Verstöße wurden festgestellt? Wenn nein, warum fand der Einsatz dann überhaupt statt? Zu 19.: Mit der Prüfungsmaßnahme wurde unmittelbar nach Betreten des Prüfobjektes begonnen. Aufgrund der Vorkommnisse bei Betreten des Prüfobjekts wurden zunächst keine Personen bei einer eindeutigen Arbeitstätigkeit angetroffen. Nach vorheriger Erläuterung der Maßnahme wurden zunächst die Personalien der Anwesenden festgestellt. Bei 14 Personen wurde der standardisierte Erfassungsbogen – teilweise unvollständig – ausgefüllt. Dabei handelte es sich unter anderem um 7 Personen, welche nach eigenen Angaben einer Arbeitstätigkeit nachgingen und bei der Mensch Meier GmbH zur Sozialversicherung angemeldet sind. Ob Verstöße festgestellt wurden, ist Bestandteil der Ermittlungen des Hauptzollamtes und somit dem Senat von Berlin nicht bekannt. 20. Wurde den unbeteiligten Personen von den Beamten direkt vor Ort Hilfe angeboten, um einer möglichen Traumatisierung entgegenzuwirken? Zu 20.: Durch die überprüften Personen wurden gegenüber den eingesetzten Kräften keine entsprechenden Ersuchen geäußert. Ferner wurden durch die eingesetzten Kräfte keine Personen festgestellt, die offenkundig medizinischer Hilfe bedurften. Im gesamten Einsatzverlauf erschien die Annahme einer Traumatisierung bei keiner angetroffenen Person naheliegend. Die verletzten Polizeidienstkräfte wurden vor Ort erstversorgt. 21. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde den Anwesenden der Gang auf die Toilette sowie die Nutzung ihrer Telefone während der Zeit des Einsatzes untersagt? Auf wessen Anordnung hin? Zu 21.: Von den eingesetzten Dienstkräften des Zoll und der Polizei Berlin wurde der Gang zur Toilette zu keiner Zeit untersagt. Aus Gründen der Eigensicherung und zur ordnungsgemäßen Durchführung der Kontrollmaßnahmen des Hauptzollamtes wurden zu Beginn der Maßnahmen einzelne Personen durch Polizeidienstkräfte aufgefordert, zunächst auf die Nutzung von Mobilfunkgeräten zu verzichten. 22. Welche Konsequenzen zieht der Berliner Senat aus dem Einsatz am 30. März 2019 bei im "Mensch Meier“? Zu 22.: Insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Zuge des Einsatzes sechs Polizeidienstkräfte der Polizei Berlin verletzt wurden, wird der Einsatz durch die am Seite 6 von 6 Sachverhalt beteiligten Dienstkräfte intensiv nachbereitet, um über die aus dem Einsatz gewonnenen wichtigen Erkenntnisse für zukünftige Einsatzlagen zu sensibilisieren und Gefahren sowie Risiken für Polizeidienstkräfte zu minimieren. Berlin, den 17. April 2019 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport