Drucksache 18 / 18 444 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Michael Dietmann (CDU) vom 02. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. April 2019) zum Thema: Scheinbar unmögliche Absicherung des Fußgängerverkehrs am Märkischen Zentrum wegen paradoxer Verwaltungsrichtlinien und Antwort vom 16. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Apr. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Michael Dietmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18444 vom 2. April 2019 über Scheinbar unmögliche Absicherung des Fußgängerverkehrs am Märkischen Zentrum wegen paradoxer Verwaltungsrichtlinien Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Ergebnisse brachte wann die letzte im Bereich Senftenberger Ring nördlich des Einkaufszentrums Märkische Zeile durchgeführte Verkehrszählung (Fußgänger und Fahrzeuge)? Antwort zu 1: Die letzte der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vorliegende Verkehrszählung vom 02.11.2015 ergab, das in der Spitzenstunde des Fußverkehrs 261 Fußgängerinnen und Fußgänger den Senftenberger Ring überquerten, bei einer zur selben Stunde vorliegenden Kraftfahrzeugbelegung von 364 Kraftfahrzeugen. Die absolut höchste Kraftfahrzeugbelegung pro Stunde betrug 411 Kraftfahrzeuge. Frage 2: Welche Unfallzahlen aus den letzten 5 Jahren sind im Bereich Märkische Zeile für den Abschnitt vom Straupitzer Steig bis zur östlich davon gelegenen Einmündung Senftenberger Ring bekannt? Antwort zu 2: Die für die Erhebung von Unfallzahlen zuständige Fachdienststelle des Polizeipräsidenten in Berlin hat mitgeteilt, dass auf dem Streckenabschnitt zwischen Straupitzer Steig und der östlich davon gelegenen Einmündung des Senftenberger Rings in dem Zeitraum vom 01.01.2014 – 31.12.2018 insgesamt 17 Verkehrsunfälle registriert sind. Dabei wurde keine Person verletzt. Die Anzahl der Verkehrsunfälle im Fließverkehr betrug 6. Frage 3: Kann der Senat nachvollziehen, dass der nördliche Ausgang des größten Einkaufszentrums des Märkischen Viertels erhebliche Fußgängerströme in den Senftenberger Ring entlässt, dass an vielen Stellen das 2 ungeordnete Überqueren der Fahrbahn die tägliche Praxis ist und dass daher trotz Tempo 30 eine sichere und geordnete Querungsmöglichkeit in unmittelbarer Fortsetzung des Ausgangsbereichs des Einkaufszentrums dringend erforderlich ist? Antwort zu 3: Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hält seit langem eine gesicherte Querungsstelle an ebendieser Stelle für notwendig und hat daher am 19.06.2017 einen Antrag auf Einrichtung eines Fußgängerüberweges (FGÜ), am Senftenberger Ring nördlich des Märkischen Zentrums, an die dafür zuständige Straßenverkehrsbehörde des Bezirksamtes Reinickendorf übergeben. Frage 4: Warum kann hier kein Fußgängerüberweg angeordnet werden, der nach Ziffer 2.1 der „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen“ zwar in Tempo-30-Zonen „in der Regel nicht“ angeordnet werden soll, aber eben nicht generell? Antwort zu 4: Nach Auffassung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz könnte durchaus, trotz der Tempo-30-Zonen-Regelung, gemäß der Ziffer 2.1 (3) der „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001)“ an diesem Standort ein FGÜ angeordnet werden. Dies muss jedoch auf Basis der Ergebnisse einer Einzelfallprüfung begründet werden. Als Basis kann in diesem Fall der Umstand dienen, dass aus den umliegenden Wohnanlagen insbesondere viele und besonders schutzbedürftige Personen, wie etwa in ihrer Mobilität eingeschränkte Seniorinnen und Senioren sowie Kinder, die angesprochene Querungsstelle am Senftenberger Ring nutzen. Frage 5: Warum wird die Frequenztabelle für Kfz/ Fußgänger in Ziffer 2.3 (2) der Richtlinie für eine Versagung eines Fußgängerüberwegs (FGÜ) herangezogen, obwohl Ziffer 2.3 (3) feststellt, „außerhalb des für FGÜ möglichen/ empfohlenen Einsatzbereiches können FGÜ in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden“? Welche Sachverhalte liegen den begründeten Ausnahmefällen zugrunde und liegt hier ein begründeter Ausnahmefall vor? Antwort zu 5: Die heranzuziehenden Sachverhalte für die Prüfung eines Ausnahmefalls sind unter 2. in dem Erlass vom 04.03.2019 erläutert. Mit der Beantragung auf Einrichtung eines FGÜ im Senftenberger Ring hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Straßenverkehrsbehörde des Bezirksamtes Reinickendorf aufgefordert, eine Anordnung wohlwollend zu prüfen, da eine Überschreitung der generell maximal zugelassenen Fußgängeranzahl um nur 11, in einer einzigen Stunde eines 12-Stunden-Zeitraums, zu verzeichnen war. Innerhalb der restlichen 11 Stunden des Erhebungszeitraumes ermöglichen die ermittelten Verkehrszahlen der zu Fuß Gehenden als auch Kraftfahrzeuge den Einsatz eines FGÜ eindeutig. Eine Ausnahmeprüfung durch die Oberste Straßenverkehrsbehörde wurde aufgrund der zu vernachlässigenden Werte von nur 11 Fußgängerinnen und Fußgänger in 3 nur einer Stunde daher von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz als unverhältnismäßig eingeschätzt. Von der Straßenverkehrsbehörde des Bezirksamtes liegt bislang jedoch noch keine Anordnung für die Einrichtung eines FGÜ im Senftenberger Ring nördlich des Märkischen Zentrums vor. Die Straßenverkehrsbehörde schließt sich hier der Meinung der Polizeidirektion 1 des Polizeipräsidenten an, dass eine Notwendigkeit zur Errichtung eines FGÜ nicht ersichtlich ist und es bei einer Bevorrechtigung des Fußverkehrs zu unverhältnismäßigen Benachteiligungen des Fahrzugverkehrs kommen würde. Frage 6: Wenn die Versagung eines FGÜ mit dem angeblich zu hohen Fußgängeraufkommen begründet wird, wie ist dann die Anordnung des viel stärker genutzten Fußgänger-Doppelüberwegs an der Charlottenburger Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße/ Schillerstraße möglich gewesen? Antwort zu 6: Die beiden FGÜ über die Schillerstraße in Höhe der Wilmersdorfer Straße wurden noch nach den Vorgaben der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 84) vom 30.11.1984 geprüft und angeordnet. In der damaligen Richtlinie wurde geregelt, dass Fußgängerüberwege schon prinzipiell bei einer Fußgängerstärke von über 100 zu Fuß Gehenden möglich sind. Frage 7: Ist es zutreffend, das die in Ziffer 2.3 (6) der o.a. Richtlinie angesprochene Alternative „oberhalb des für FGÜ möglichen/ empfohlenen Einsatzbereiches sind in der Regel LZA erforderlich“ nach der Richtlinie für LZA (Lichtzeichenanlagen) unmöglich ist, weil diese nicht in Tempo-30-Zonen angeordnet werden sollen/ dürfen? Antwort zu 7: Gemäß den Richtlinien für Lichtsignalanlagen ist in Tempo 30-Zonen die Anordnung von Lichtsignalanlagen zur Verkehrsregelung an Kreuzungen oder Einmündungen unzulässig. Frage 8: Ist es zutreffend, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die zügige Finanzierung der einzigen sich zum Fußgängerüberweg noch bietenden (schlechteren) Alternative, den Bau einer Mittelinsel, im Herbst des vergangenen Jahres zurückgezogen hat, weil dazu eine vorhandene Vorstreckung abgebrochen werden sollte (logischerweise nimmt die Mittelinsel Platz weg, den man am Fahrbahnrand wieder schaffen muss, wenn dort in einer einspurigen Straße eine Gehwegvorstreckung ist…)? Antwort zu 8: Ja. 4 Frage 9: Ist somit die einzige Lösungsmöglichkeit die Anordnung von Tempo 50 in diesem Bereich (mit dem höchsten Fußgängeraufkommen) des Senftenberger Rings, damit zur Sicherung der Fußgänger ein Fußgängerüberweg gebaut werden kann? Antwort zu 9: Nein. Wie unter 4. bereits beschrieben, favorisiert die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Anordnung eines FGÜ bei bestehender Tempo-30-Regelung. Frage 10: Welchen Vorschlag hat der Senat zur Lösung des verwaltungsgemachten Paradoxons, dass so viele Fußgänger die Straße überqueren wollen, dass man sie nicht mit in der Straßenverkehrsordnung vorgesehenen Mitteln schützen darf und es der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auch noch sinnvoller erscheint, unter Beibehaltung von Gehwegvorstreckungen am Fahrbahnrand die Fußgänger lieber zwei Fahrbahnen in einem Zug überqueren zu lassen, als eine Mittelinsel errichten zu können? Antwort zu 10: Aus Sicht der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz gibt es in diesem konkreten Fall kein Paradox, da - wie unter 4. und 5. bereits beschrieben - eine Anordnung eines FGÜ durchaus möglich wäre. Berlin, den 16.04.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz