Drucksache 18 / 18 475 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Swyter (FDP) vom 02. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2019) zum Thema: Potenziale des LGBT-Tourismus in Berlin und Antwort vom 17. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Apr. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Florian Swyter (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18 475 vom 02. April 2019 über Potenziale des LGBT-Tourismus in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die ökonomischen Potenziale durch LGBT-Tourismus für den Incomingreisemarkt in Berlin? Zu 1.: Berlin sieht sich als Stadt der Freiheit und wird auch so wahrgenommen. Diese Freiheit schließt LGBT ein und spielt auch in der touristischen Vermarktung der Stadt eine große Rolle. So wurde beispielsweise im Jahr 2010 Gay & Lesbian Travel als eigenständiges Segment auf der ITB Berlin etabliert. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Community Marketing & Insights aus dem Jahr 2013/2014 belegt, dass die Gay Community rund 57 Prozent mehr Geld auf Reisen ausgibt als heterosexuelle Urlauberinnen und Urlauber. Auch aus diesem Grund wird dem LGBT-Tourismus eine große Bedeutung zugemessen. Hierzu gibt es die CSD- Studien 2001 und 2016, die in Zusammenarbeit von visitBerlin und dem CSD e.V. erstellt wurden. Für 2016 wurde dafür eine Marktforschungsagentur mit der Durchführung einer Feldstudie beauftragt, in welcher 1.092 Personen befragt wurden. Der CSD Berlin ist mit Besuchs- und Teilnahmezahlen von regelmäßig über 500.000 im vergangenen Jahrzehnt eine der größten Pride-Demonstrationen weltweit. Laut Studie bleiben die rund 130.000 Personen, die dafür aus anderen Bundesländern oder dem Ausland anreisen, im Schnitt 5 Tage in Berlin und generieren zusammen 26,5 Mio. Euro Umsatz in der Übernachtungsbranche. Die Gesamtausgaben pro Gast (inkl. Anreise und Übernachtung) liegen bei 1.343 Euro. Die Gesamt-Wirtschaftskraft des CSD Berlin wird auf 177,56 Mio. Euro geschätzt. Auch zum beliebten schwul-lesbischen Straßenfest in Schöneberg wurde in 2014 eine Besucherumfrage durchgeführt. Aktuellere Erhebungen existieren noch nicht. a. Werden diese Potenziale nach Kenntnis des Senats bereits voll ausgeschöpft? 2 Zu 1.a): Das Thema LGBT spielt in der touristischen Vermarktung Berlins eine große Rolle. Die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (visitBerlin), die für das Land Berlin das touristische Stadtmarketing betreibt, ist in diesem Bereich aktiv und bestrebt, das Marktsegment u.a. durch Kooperationen mit relevanten Akteuren zu befördern. b. Wenn ja, wodurch lässt sich dies belegen? c. Wenn nein, was plant der Senat, um die ökonomischen Potenziale durch LGBT-Tourismus für den Incomingreisemarkt besser auszuschöpfen? Zu 1.b) und c): Siehe hierzu auch die Antworten zu 3.a). 2. Wie viele Übernachtungen und wie viel Umsatz in Berlin ist nach Kenntnis des Senats auf LGBT-Touristen zurückzuführen? Zu 2.: Eine Aufschlüsselung der Übernachtungen und Besuche nach sexueller Orientierung liegt dem Senat nicht vor. Als Anhaltspunkt kann die Studie des CSD e.V. aus dem Jahr 2016 dienen, welche in Frage 1 erläutert wird. 3. Koordiniert VisitBerlin oder eine andere Stelle das Marketing für LGBT-Tourismus? Zu 3.: Die vom Land Berlin initiierten Marketingmaßnahmen werden maßgeblich durch visitBerlin durchgeführt (dazu zählt auch der LGBT-Bereich) und vom Senat im Rahmen der Zuwendung finanziert und im Aufsichtsrat von visitBerlin begleitet. a. Welche Marketingaktivitäten fördert oder unternimmt der Senat zur Ausschöpfung der ökonomischen Potenziale von LGBT-Tourismus? Zu 3.a): VisitBerlin hat bereits über viele Jahre mit vielfältigen Maßnahmen national und international für die Regenbogenstadt Berlin geworben. Anstelle von aufwendigen kostenintensiven Kampagnen setzt visitBerlin auf kontinuierliche zielgruppengerechte Kommunikation. Dabei arbeitet visitBerlin eng mit der Berliner lesbisch-schwulen Community zusammen. Neben starken Märkten wie den USA oder Großbritannien wird auch in Märkten wie Polen und Ungarn geworben, aber auch in kleinen Märkten wie z. B. Israel. Zu den Maßnahmen gehören u.a. Roadshows, Events, Pressearbeit, Zusammenarbeit mit Fachmedien wie dem queeren Online-Magazin Siegessäule aus Berlin, aber auch internationalen Medien und die Zusammenarbeit mit dem visitBerlin Partnerhotels e.V. und der Entwicklung der pink pillow Berlin Collection (weltweit erste Hotelkollektion für lesbisch-schwulen Tourismus, gerelauncht 2012 in Kooperation mit den visitBerlin-Partnerhotels). Ziel von visitBerlin ist die kontinuierliche Erweiterung der Internationalisierung Berlins und die Vermarktung Berlins unter dem Thema Regenbogenstadt Berlin, u.a. im immer wichtiger werdenden Quellmarkt China. Informationen zu Hotels, Veranstaltungen, Ausstellungen, Shopping etc. stellt visitBerlin Berlin-Besucherinnen und -Besuchern unter gay.visitBerlin.de zur Verfügung. Ebenfalls werden die touristischen Akteurinnen und Akteure der Stadt, insbesondere die Berliner Hotellerie, und nationale und internationale Journalistinnen 3 und Journalisten regelmäßig mit aktuellen Informationen über das Partner- und Presseportal (press.visitBerlin.de und partner.visitBerlin.de) von visitBerlin versorgt. Das Hotelnetzwerk pink pillow Berlin Collection richtet sich gezielt an lesbische Touristinnen und schwule Touristen. Die weltweit einzigartige Initiative von derzeit rund 60 Berliner Hotels steht für schwulen- und lesbenfreundliche Unterkünfte, die sich der Community besonders empfehlen. Die pink pillow Berlin Collection wird schrittweise um weitere Hotels ergänzt. Die Hotelkollektion ist ketten-, marken- und marktübergreifend - vom 5* Luxushotel über Hostels bis zur privaten Pension. Neben der mehrsprachigen Website www.pinkpillow-berlin.de dienen Broschüren, Flyer und Give-Aways als Informationsmedium. Ziel der pink pillow Berlin Collection ist es, in Kooperation mit visitBerlin, Berlin als weltoffene und tolerante Stadt zu bewerben und das LGBTI-Angebot der Hauptstadt auszuweiten und transparent darzustellen. Zu den Marketingaktivitäten des Jahres 2018 und den für 2019 geplanten gehören u.a.: Präsenz auf der ITB (inkl. “Gay Breakfast” im Mercure Hotel Berlin City und Brunch mit Medienvertretern im LGBT Pavillon) Bewerbung Berlins als LGBTI-Destination in den BeNeLux-Staaten, Polen, Skandinavien und UK Anzeigenschaltung im Gay Guide Berlin Pink Pillow Hotels als Gastgeber des „Pride Breakfast Clubs“, monatlich ab Nov. 2018 Teilnahme des Pink-Pillow Boots beim CSD auf der Spree, Partnerschaft mit dem SchwuZ Präsenz auf dem schwul-lesbischen Straßenfest in Berlin Netzwerkveranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen vor den CSD´s u.a. in Stuttgart und Frankfurt, Kooperation mit dem LSVD Flankierend zu den dargestellten Maßnahmen von visitBerlin und der pink pillow Initiative akquiriert das Bündnis gegen Homophobie seit 2012 gezielt auch Hotels und Einrichtungen aus der Gastronomiebranche. So sind viele Mitglieder der pink pillow Hotels gleichzeitig auch im Bündnis gegen Homophobie aktiv. Von den insgesamt 120 Mitgliedern des Bündnisses gegen Homophobie gehören aktuell 24 Mitglieder dem Bereich Tourismus an. b. Sofern eine Förderung stattfindet, in welcher Höhe findet diese statt und betrifft diese spezielle Anlässe oder findet sie ganzjährig statt? Zu 3.b): Im Rahmen der Zuwendungen an Visit Berlin für das touristische Hauptstadtmarketing in Höhe von aktuell 6,543 Mio Euro für 2019 wird auch das Thema LSBTI vermarktet. Der Anteil der Förderung, der auf dieses Thema zurückzuführen ist, lässt sich nicht exakt bestimmen. Daneben fand eine Förderung des Berlin Pride e.V. für die Berliner Pride Saison 2018 im Rahmen der Zuschüsse für besondere touristische Projekte in Höhe von ca. 107.000 Euro statt. Die oben dargestellten „Pink Pillow“-Aktivitäten werden durch den visitBerlin Partnerhotels e.V. finanziert und sind nicht Gegenstand einer Förderung durch das Land Berlin. 4 4. Folgt der Berliner Senat beim Auslandsmarketing speziell im Hinblick auf die Zielgruppe LGBT, ein gesondertes Konzept? a. Wenn ja, wie gestaltet sich dieses? Zu 4. und 4.a): Das schwul-lesbische Berlin wird von visitBerlin in ausgewählten Märkten unter dem Oberbegriff „Diversity Marketing“ beworben (siehe hierzu die Antwort zu 3.a)). 5. Welche Studien oder Erhebungen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe befassen sich mit den Potenzialen des LGBT-Tourismus für den Berliner Incomingreisemarkt ? Zu 5.: Hier wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Ist eine stärkere Fokussierung auf die Zielgruppe LGBT für den Incomingreisemarkt geplant ? Zu 6.: Es werden im internationalen Destinationsmarketing Einzelprojekte wie das erfolgreiche Projekt „Pink Pillow Berlin Collection“ des visitBerlin Partnerhotels e.V. fortgesetzt und kontinuierlich auch Inhalte auf der Website https://www.visitberlin.de/de/lgbti-gay-berlin abgebildet. 7. Sind dem Senat Übergriffe auf LGBT-Touristen in Berlin bekannt? Wenn ja, welche? Wenn nein, werden solche Übergriffe systematisch erhoben? Zu 7.: Ob es sich bei Opfern von Straftaten der Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung um Touristinnen und Touristen handelt, ist nicht automatisiert recherchierbar. Die vom Senat geförderten Beratungs- und Anlaufstellen für Betroffene von homound /oder transphob motivierter Gewalt und Diskriminierung berichten aber im Rahmen ihrer Falldokumentation davon, dass auch LSBTI-Touristinnen und -Touristen wegen in Berlin erlebter Vorfälle ihre Angebote in Anspruch nehmen. 8. Hat der Senat Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit von LGBT-Touristen in Berlin zu gewährleisten? Bitte erläutern. Zu 8.: Der Senat trifft alle erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Wohnbevölkerung und der Gäste der Stadt. Im Kontext ist anzumerken, dass die Ansprechpersonen der Polizei Berlin für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) bei zahlreichen Veranstaltungen eingebunden sind, die auch eine touristische Anziehungskraft entfalten. So werden LSBTI-Touristinnen und -Touristen, insbesondere an Terminen während der sogenannten „Pride-Week“ (die Woche vor dem Christopher-Street-Day), über Begehungsformen von Hasskriminalität und anderen Straftaten sowie über diesbezügliche Präventionsmöglichkeiten aufgeklärt. Vor dem gleichen Hintergrund werden bei weiteren Veranstaltungen ganzjährig LSBTI-Lokalitäten und –Treffpunkte aufgesucht und auch themenbezogene 5 mehrsprachige Informationsmaterialien verteilt. Im Jahr 2018 wurde im Zeitraum der „Pride-Week“ durch die Polizei Berlin ein Spot im „Berliner Fenster“ im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit dem Titel „Du stehst zu Deiner Liebe – Wir stehen an Deiner Seite“ ausgestrahlt. Dieser hatte zum Ziel, insbesondere LSBTI- Touristinnen und Touristen auf die niedrigschwelligen Kontaktmöglichkeiten zur Polizei Berlin und zur Berliner Staatsanwaltschaft hinzuweisen. Seit mehreren Jahren werden vor zahlreichen öffentlichen Gebäuden, wie z. B. den Dienstgebäuden der Polizei Berlin während der „Pride Week“ Regenbogenfahnen gehisst, die LSBTI- Akzeptanz und Unterstützung signalisieren und so auch das Sicherheitsgefühl stärken. Der Senat hat weiterhin den Info-Flyer „Hilfe und Unterstützung für LSBTI bei homound transfeindlicher Gewalt und Diskriminierung“ erstellt, der in deutscher und englischer Sprache über Beratung, Begleitung und Anzeigeerstattung in Berlin informiert. Der Flyer liegt an Szeneorten, in Clubs, Bars und Beratungsstellen aus, er wird regelmäßig aktualisiert. 9. Welche Maßnahmen plant der Senat, um die Sicherheit von LGBT-Touristen in Berlin zu gewährleisten? Bitte erläutern. Zu 9.: Die in der Antwort zu Frage 8 genannten Maßnahmen werden fortgeführt. Darüber hinaus setzen das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Landeskommission Berlin gegen Gewalt im Rahmen der kiezbezogenen Gewaltprävention im Jahr 2019 ein Projekt im sogenannten Regenbogenkiez um. Dieses hat das Ziel, die objektive und subjektive Sicherheit für Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch für Touristinnen und Touristen aus der LGBTI-Community zu stärken. Durch Maßnahmen wie beispielsweise einem gemeinsamen Präventionsteam für den Bereich Nollendorfplatz/Fuggerkiez und für die Großgörschenstraße sowie einem kiezorientierten Präventionsrat Fuggerstraße mit aufsuchender Arbeit, soll dieses Ziel erreicht werden. Hierfür stellt die Landeskommission Berlin gegen Gewalt dem Bezirk 87.000 Euro zur Verfügung. 10. Welche Auswirkungen haben nach Einschätzung des Berliner Senats zunehmend homo - und transphobe-, aber auch fremdenfeindliche Äußerungen und Übergriffe in Berlin auf die Attraktivität für LGBT-Touristen? Bitte erläutern. Zu 10.: Hinsichtlich der statistischen Erfassung wird auf die Beantwortung zu Frage 7 verwiesen. Der Senat nimmt fremdenfeindliche Äußerungen und Übergriffe im Allgemeinen, aber insbesondere auch auf einzelne Gruppen ernst. Er bekämpft diese mit den in den Antworten zu 8. und 9. beschriebenen Maßnahmen, damit die Attraktivität für Gäste nicht eingeschränkt wird. 11. Welche Auswirkungen haben nach Einschätzung des Berliner Senats der wachsende Nationalismus und daraus erstarkte Parteien des rechten Spektrums auf den Berliner LGBT- Tourismus? Bitte erläutern. Zu 11.: Der Senat weiß, dass Menschen des LSBTI-Bereichs zum Ziel diverser Anfeindungen und Übergriffe durch Menschen und Gruppierungen mit extremen, nicht zu tolerierenden Werthaltungen werden können und auch werden. 6 Deshalb hat er die unter den Antworten zu 8. und 9. beschriebenen Maßnahmen ergriffen. 12. An welchen Projekten für LGBT-Tourismus mit der Europäischen Union oder mit anderen EU-Mitgliedstaaten beteiligt sich das Land Berlin? Plant der Senat weitere Beteiligungen an solchen Projekten? Zu 12.: Hier wird auf die Antwort zu Frage 3.a) verwiesen. 13. Welche Rolle spielt der Christopher Street Day für den Berliner Incomingtourismus? Zu 13.: VisitBerlin vermarktet grundsätzlich jede Großveranstaltung, die von touristischem Interesse ist, so auch den Christopher Street Day. Diese Großveranstaltung spielt für den Incomingtourismus eine große Rolle (siehe dazu die Antwort zu Frage 1). Weiterhin ist Berlin Gründungsmitglied des International Rainbow Cities Network (RCN) und als Regenbogenhauptstadt für den LSBTI Tourismus besonders attraktiv, z.B. aufgrund seiner spezifischen und vielfältigen Clubszene, den verschiedenen Events und Kulturangeboten, seiner vielfältigen LSBTI Community, unterschiedlichen Szeneorten und verstärkt auch aufgrund der kontinuierlichen Erforschung und Sichtbarkeit der LSBTI Geschichte in der Stadt. Der Christopher Street Day ist in diesem Zusammenhang als besonders attraktives Ereignis zu verstehen. Berlin, den 17. April 2019 In Vertretung Barbro D r e h e r ...................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe