Drucksache 18 / 18 500 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert und Harald Gindra (LINKE) vom 08. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. April 2019) zum Thema: Weil wir gute Arbeit lieben? – Kontrolle der Arbeitsbedingungen bei Auftragnehmern der BVG und Antwort vom 23. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Apr. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Frau Abgeordnete Katina Schubert (Die Linke) Herrn Abgeordneten Harald Gindra (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18 500 vom 08. April 2019 über Weil wir gute Arbeit lieben? – Kontrolle der Arbeitsbedingungen bei Auftragnehmern der BVG ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nur zum Teil in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt öffentlichen Rechts um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird in der Antwort an den entsprechend gekennzeichneten Stellen wiedergegeben. Vorbemerkung: Mit Umwandlung der BVG in eine Anstalt öffentlichen Rechts entfielen bis dahin geltende gesetzliche Regelungen zur Fachaufsicht. Stattdessen übt seither gemäß § 21 Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) die Rechtsaufsicht die gemäß Geschäftsverteilungsplan des Senats zuständige Senatsverwaltung aus (aktuell die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe). 1. Welche Maßnahmen haben die BVG, der Senat von Berlin bzw. die für die Fachaufsicht über die BVG zuständige Senatsverwaltung bereits ergriffen oder werden sie noch ergreifen, um das im Oktober 2018 öffentlich gewordene systematische Unterlaufen des für das Reinigungsgewerbe geltenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrags durch die Gebäude- und Verkehrsmittelreinigung GmbH & Co. KG (GVR) abzustellen und ggf. zu sanktionieren? Zu 1.: Die Firma GVR wurde von der BVG geprüft und mit Nachdruck darauf hingewiesen , dass die vertraglich vereinbarten Vorgaben des Berliner Ausschreibungsund Vergabegesetzes (BerlAVG) zwingend einzuhalten sind. Eindeutige und vor allem systematische Verstöße des allgemein verbindlichen Tarifvertrags waren nach detaillierter Prüfung nicht nachzuweisen. Die BVG hat sich dazu entschieden, den bestehenden Vertrag nicht zu verlängern. Ein Eingriff im Rahmen der Rechtsaufsicht ist nicht notwendig. - 2 - 2. Welche weiteren Unternehmen sind mit der Reinigung von U-Bahnhöfen der BVG beauftragt? Zu 2.: Nach Auskunft der BVG sind derzeit drei weitere Dienstleister mit der Reinigung von U-Bahnhöfen der BVG beauftragt. 3. Welche Informationen hat die BVG bzw. die für die Fachaufsicht über die BVG zuständige Senatsverwaltung , ob bei den anderen Auftragnehmern zur Reinigung der U-Bahnhöfe Verstöße gegen tarifliche Regelungen vorliegen? Zu 3.: Derartige Verstöße sind weder der BVG noch dem Senat bekannt. 4. Welche Maßgaben hinsichtlich der Beachtung von tariflichen Regelungen und Arbeitsbedingungen gibt die BVG bzw. die für die Fachaufsicht über die BVG zuständige Senatsverwaltung bei der Auftragsvergabe an Dritte vor? (Bitte ausführlich darlegen.) Zu 4.: Das BerlAVG sieht vor, dass Aufträge ab einem Wert von 500 Euro netto nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über Mindestentgelte verpflichten. Sofern sich nicht aus einem nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) einzuhaltenden Tarifvertrag, dem Mindestlohngesetz (9,19 Euro) oder einer anderen gesetzlichen Bestimmung ein höheres Stundenentgelt ergibt, muss das den Auftrag ausführende Unternehmen seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistung das in § 1 Absatz 4 BerlAVG i.V.m. der Verordnung zur Anpassung der Höhe des nach § 1 Absatz 4 BerlAVG zu zahlenden Entgelts (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 348 vom 11.07.2017) festgelegte Stundenentgelt von 9,00 Euro brutto zahlen. Zu den Verpflichtungen gehören z. B. die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn, den ILO-Kernarbeitsnormen (ILO: Internationale Arbeitsorganisation ) und der Frauenförderung. Neben den geltenden gesetzlichen Regelungen werden auch umfängliche Prüfungsrechte der BVG sowie Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen verbindlich vereinbart. Bieterinnen und Bieter, die entsprechende Unterlagen nicht oder nicht ordnungsgemäß einreichen, werden vom Verfahren ausgeschlossen . Ferner teilte die BVG mit, dass sie alle Dienstleister verpflichte, für angemessene Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben und während der Leistungserbringung zu sorgen . 5. Inwieweit und nach welchem Verfahren erfolgt eine Kontrolle dieser Maßgaben hinsichtlich der Beachtung von tariflichen Regelungen und Arbeitsbedingungen seitens der BVG bzw. der Fachaufsicht in der zuständigen Senatsverwaltung? (Bitte ausführlich darlegen.) Zu 5.: Gemäß § 5 Absatz 2 BerlAVG haben die ausführenden Unternehmen vollständige und prüffähige Unterlagen zur Prüfung der eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen bereitzuhalten und auf Verlangen dem öffentlichen Auftraggeber vorzulegen. Die öffentlichen Auftraggeber sind verpflichtet, bei den Auftragnehmern stichprobenartig Kontrollen durchzuführen, um die Einhaltung der vertraglich vereinbarten, nachfolgend genannten Auflagen und Pflichten zu überprüfen, u. a.: nach dem AEntG einzuhaltende Tarifverträge (§ 1 Abs. 2), Entlohnung gemäß einschlägiger Tarifverträge bei der Vergabe von Leistungen über öffentliche Personennahverkehrsdienste (§ 1 Abs. 3), andere gesetzliche Bestimmungen über Mindestentgelte (z. B. Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz – MiLoG -), Mindestentgelt (§ 1 Abs. 4), - 3 - Verpflichtung von Nachunternehmern und Verleihern von Arbeitskräften (§ 1 Abs. 6), Nachweis der vollständigen Entrichtung von Beiträgen (§ 4). Die kontrollierenden Personen dürfen – sofern vertraglich vereinbart – zu Kontrollzwecken Einblick in die Entgeltabrechnungen der ausführenden Unternehmen, in die Unterlagen über die Abführung von Steuern und Beiträgen an in- und ausländische Sozialversicherungsträger, in die Unterlagen über die Abführung von Steuern und Beiträgen an in- und ausländische Sozialversicherungsträger, in die Unterlagen über die Abführung von Beiträgen an in- und ausländische Sozialkassen des Baugewerbes und in die zwischen den ausführenden Unternehmen abgeschlossenen Verträge nehmen. Die Kontrolle erfordert somit grundsätzlich eine Einsichtnahme in Unterlagen, die personenbezogene Daten, Sozialdaten und Steuerdaten enthalten. Diese Daten unterliegen verschiedenen Datenschutzvorschriften, die eine Übertragung der Kontrolle an Dritte bzw. die Einbindung von Dritten bei der Kontrolle sehr erschweren bzw. nicht ermöglichen. Die BVG-Kontrollen der jeweiligen Verpflichtungen erfolgen stichprobenartig oder im Rahmen regelmäßiger Kontrollen. 6. Inwieweit werden seitens der BVG die für das Reinigungsgewerbe zuständigen Gewerkschaften bei der Überwachung der Einhaltung tariflicher Regelungen durch Auftragsnehmer im Reinigungsgewerbe einbezogen bzw. werden Gewerkschaften insgesamt durch die BVG bei der Überwachung der Einhaltung tariflicher Regelungen durch Auftragsnehmer der BVG einbezogen? 7. Wenn die Gewerkschaften nicht einbezogen werden: Warum wird diese Expertise der Interessensvertretungen von Arbeitnehmer*innen nicht einbezogen? Zu 6. und 7.: Nach Auskunft der BVG kam es im Fall der GVR mehrfach zu einem Austausch mit der zuständigen Gewerkschaft. Auch in anderen Fällen werde bei Bedarf auf Informationen oder Vorerfahrungen einer zuständigen Gewerkschaft zurückgegriffen , soweit dies sinnvoll erscheint. 8. Inwieweit ist beabsichtigt, diese Lücke im Kontrollregime im Rahmen der Novellierung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz zu schließen? Zu 8.: Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe hat einen Referentenentwurf für eine Überarbeitung des BerlAVG vorgelegt. Die Kontrollmöglichkeiten werden darin in praktischer und rechtlicher Hinsicht deutlich verbessert. So erhält die zentrale Kontrollgruppe ein Informations- und Anforderungsrecht gegenüber den Vergabestellen, um eine eigenständige Auswahl der zu überprüfenden Vergabevorgänge zu treffen. Sie wird auch dann tätig, wenn hinreichende Anhaltspunkte, insbesondere aufgrund von Hinweisen Dritter, für einen Verstoß gegen vertraglich eingegangene Verpflichtungen vorliegen. Die Kontrolle wird ferner dadurch effizienter, dass festgestellte Verstöße gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll zu melden sind. Zivilrechtliche Vertragsverstöße sollen an ein noch zu gründendes Landesregister über ungeeignete Bewerber und Bieter bei öffentlichen Aufträgen gemeldet werden. Im Übrigen bleibt die Meldepflicht an das Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis Berlin bestehen. 9. Welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es seitens der BVG bzw. der für die Fachaufsicht über die BVG zuständigen Senatsverwaltung, um Verstöße gegen tarifliche Regelungen im Rahmen der Ausführung von Aufträgen der BVG durch Dritte zu ahnden? (Bitte ausführlich darlegen.) Zu 9.: Grundsätzlich gilt: Um die Einhaltung der aus dem BerlAVG resultierenden Verpflichtungen der Auftragnehmer zu sichern, ist zwischen dem Auftraggeber und - 4 - dem Auftragnehmer für jeden schuldhaften Verstoß regelmäßig eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Der Auftragnehmer ist zur Zahlung einer Vertragsstrafe auch für den Fall zu verpflichten , dass der Verstoß durch einen von ihm eingesetzten Nachunternehmer oder einen von diesem eingesetzten Nachunternehmer begangen wird (§ 6 Abs. 1 BerlAVG). Der Auftraggeber hat mit dem Auftragnehmer zu vereinbaren, dass die schuldhafte Nichterfüllung der Anforderungen gemäß BerlAVG durch den Auftragnehmer oder seinen Nachunternehmer den Auftraggeber zur fristlosen Kündigung berechtigen (§ 6 Absatz 2 BerlAVG). Von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen öffentlichen Auftrag sowie als Nachunternehmer sollen alle Unternehmen bis zu einer Dauer von drei Jahren ausgeschlossen werden, die gegen die Pflichten und Auflagen verstoßen (§ 6 Abs. 3 BerlAVG). Auch das allgemeine Vergaberecht sieht die Möglichkeit einer Auftragssperre vor. Von einer Pönale (1% des Gesamtauftragswertes je schuldhaftem Verstoß, in Summe bis zu 5% des Gesamtauftragswertes gem. Vorgabe des BerlAVG) über die fristlose Kündigung bis zum Ausschluss der Teilnahme an zukünftigen Ausschreibungen für die Dauer von bis zu drei Jahren als Auftragnehmer oder Nachunternehmer eines Auftragnehmers stehen der BVG grundsätzlich und fallweise unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Darüber hinaus kann die BVG entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen Schadensersatz geltend machen. In bestimmten Fällen können ferner auch strafrechtliche Schritte eingeleitet werden. Diese Instrumente werden von der BVG nach dortiger Auskunft bei nachweisbaren Verstößen konsequent genutzt. 10. Inwieweit wurden und werden diese Sanktionsmöglichkeiten auch tatsächlich genutzt? (Bitte ausführlich darlegen.) Zu 10.: Die Ziehung von Pönalen aus unterschiedlichen Gründen seitens der BVG ist nach dortiger Mitteilung ein relativ häufig vorkommendes Mittel. Um jedoch eine fristlose Kündigung oder gar einen Ausschluss von weiteren Vergabeverfahren zu rechtfertigen, müssen Verstöße gerichtsfest festgestellt und nachgewiesen sein, deren Anwendung auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen (z. B. vergabe- und wettbewerbsrechtliche Bestimmungen) Bestand haben muss. Dies prüfe die BVG jeweils einzelfallbezogen. Berlin, den 23. April 2019 In Vertretung Barbro D r e h e r ........................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe