Drucksache 18 / 18 578 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 09. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2019) zum Thema: Natur- und Werkpädagogik – Lernen sinnlich erfahren, Inklusion erleben und Antwort vom 30. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18578 vom 09. April 2019 über Natur- und Werkpädagogik – Lernen sinnlich erfahren, Inklusion erleben ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann bietet das PFH in Kooperation mit Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg Natur- und Werkpädagogik (NWP) an? Was ist der Hintergrund für die Etablierung des Programms? Zu 1.: Das Schulersatzprojekt „Arbeiten und Lernen“ für Oberschülerinnen und -schüler hatte seit Anfang der neunziger Jahre einen werkpädagogischen Schwerpunkt. Jugendliche , die in der Regelschule keinen Lernerfolg hatten, wurden über Erfolge in handwerklicher Projektarbeit motiviert und für die Reintegration in die Regelschule fit gemacht . Natur- und Werkpädagogik war hier kein Programm, sondern ein pädagogisches Profil, das sich zuerst nur an Oberschulen etabliert hatte. Der Schwerpunkt wurde in der Folge auf die Arbeit im Grundschulprojekt übertragen. Mit dem Landesprogramm Schulsozialarbeit baute das Pestalozzi-Fröbel-Haus (PFH) sozialpädagogische Angebote auf, die natur- und werkpädagogische Projektarbeit initiierten. 2 2. Wie viele Schulen nehmen bisher an dem Programm teil (Zeitraum und Name der Schule)? Zu 2.: Zurzeit haben 12 Grund- und Oberschulen sowie ein sonderpädagogisches Förderzentrum einen natur- und werkpädagogischen Schwerpunkt über die Kooperation mit dem PFH. Werkpädagogik in Grundschulen Otto-Wels Grundschule, Alexandrinenstraße 12, 10969 Berlin - seit 2008 (bis heute ): Es wird natur- und werkpädagogische Projektarbeit mit Klassen und in Gruppen durchführt. Kurt-Schumacher Grundschule, Puttkamerstraße 19, 10969 Berlin - seit 2011 (bis heute): Es wird natur- und werkpädagogische Projektarbeit mit Klassen und in Gruppen durchgeführt. Rosa-Parks Grundschule, Reichenberger Straße65, 10999 Berlin - seit 2014 (bis heute): Es wird natur- und werkpädagogische Projektarbeit mit Klassen und in Gruppen mit einem medienpädagogischen Schwerpunkt durchgeführt. Fichtelgebirge Grundschule, Görlitzer Ufer 2, 10997 Berlin - seit 2014 (bis heute) Es wird natur- und werkpädagogische Projektarbeit mit Klassen und in Gruppen mit einem medienpädagogischen Schwerpunkt durchgeführt. Charlotte-Salomon Grundschule, Großbeerenstraße 40, 10965 Berlin - seit 2009 (bis heute): Es wird natur- und werkpädagogische Projektarbeit mit Klassen und in Gruppen mit einem kunstpädagogischen Schwerpunkt durchgeführt. Nürtingen-Grundschule, Mariannenplatz 28, 10997 Berlin Hier ist die naturwissenschaftliche Lernwerkstatt Curioso mit Kiezprojekten aktiv. Blumen Grundschule, Andreasstraße 52, 10243 Berlin Bildungsverbund Campus Eastside - Kita Spiel- und Erlebniswelt Übergang Kita – GS-ISS Natur- und Werkpädagogik Werkpädagogik in Integrierten Sekundarschulen Ellen-Key Schule, Rüdersdorfer Straße 20-27, 10243 Berlin - seit 2011 (bis heute): Die werkpädagogische Klasse der Ellen-Key-Schule ist die erste Kooperation an der Schule und umfasst vier Werkbereiche: Kochen und gesunde Ernährung, Malereiund Raumgestaltung, Gärtnerei sowie Tischlerei. Ferdinand-Freiligrath Schule, Bergmannstraße 64, 10961 Berlin - seit 2005 (bis heute): 3 Hier wird die werkpädagogische Fahrradwerkstatt als Temporäre Lerngruppe organisiert . Carl-von-Ossietzky Schule, Blücherstraße 46/47, 10961 Berlin - seit 2015 (bis heute ): Die Praxislerngruppe KarriereKids an der Carl-von–Ossietzky Schule in Kooperation mit dem Pestalozzi-Fröbel-Haus hat sich seit dem Schuljahr 2015/2016 als besondere Organisationsform des Dualen Lernens ständig weiterentwickelt und den herausfordernden Bedingungen angepasst. Drei Werkbereiche bestehen: Fahrradwerkstatt „Bikes of CvO“, „Mediengestaltung“ und „Kochen und gesunde Ernährung“. Albrecht-von-Graefe Schule, Graefestraße 85-88, 10967 Berlin - 2013 (bis heute): Die werkpädagogische Klasse arbeitet zurzeit in zwei Werkbereichen. Die Schülerinnen und Schüler kochen und sorgen für eine gesunde Ernährung der Schulgemeinschaft und unterhalten eine Fahrradwerkstatt. Werkpädagogik im Förderzentrum Temple-Grandin Schule Lasdehner Straße 19, 10243 Berlin Das werkpädagogische Angebot umfasst die Arbeit mit Holz und Fotografie. Die Arbeit richtet sich sowohl an Grundschülerinnen und –schüler zum Kennenlernen und zur Übergangsgestaltung wie auch an Oberschülerinnen und -schüler, die hier eine besondere individuelle Förderung, zumeist in Gruppenkontexten, erhalten. Schulersatzprojekt Arbeiten und Lernen, Mariannenplatz 3, 10997 Berlin Hier werden seit 25 Jahren verschiedene Werkbereiche angeboten: Tischlerei, Steinmetz, Zweiradmechanik (Fahrrad), Gärtnerei sowie Imkerei. Zur Jahrtausendwende kam mit dem Grundschulprojekt Bethanien ein „Schulersatzprojekt “ für Kinder im Grundschulalter, in Kooperation mit der Otto-Wels- Grundschule, der Jens-Nydahl Grundschule, der Hunsrück Grundschule und der Fichtelgebirge Grundschule hinzu, das ebenfalls die natur- und werkpädagogische Ausrichtung übernahm. 3. Welche Zielsetzung verfolgt die NWP? Zu 3.: Die Natur- und Werkpädagogik bietet einen Lernweg mit Kopf, Herz und Hand (Pestalozzi), der allen Schülerinnen und Schülern besondere Entwicklungschancen bietet. Bei der gemeinsamen Arbeit an praktischen Aufgaben werden sie dazu ermutigt , ihre Fähigkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen zu erproben und zu stärken, vielfältige eigene Interessen und Fähigkeiten bei der Bewältigung von Praxisaufgaben zu entdecken, weiter zu entwickeln und Erfolge beim Lernen zu erleben. Die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an der Mitgestaltung ihrer Schule wird ermöglicht und damit die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme gestärkt. Die Chancen eine erfolgreiche Bildungskarriere mit einem regulären Schulabschluss zu erreichen, werden hierdurch erhöht. 4 4. Was ist das Konzept und wie wird es umgesetzt? a) Zielgruppe b) Altersgruppe c) fachliche Ausgestaltung d) Zusammenarbeit mit den Schulen e) Welche Auswirkungen hat es in den Sozialraum? Zu 4.: a): Natur- und Werkpädagogik ist in besonderem Maß geeignet einen Beitrag zur Bildung und Partizipation aller Schülerinnen und Schülern zu leisten, nicht nur derer, deren Schulerfolg aufgrund schwieriger Lern- und Lebensbedingungen gefährdet ist. b): Natur- und werkpädagogische Ansätze wurden – vom Bildungsprofil im Sek I Bereich auf altersgerechte Angebote für den Grundschulbereich übertragen und in Form von Lernwerkstätten bis in den Kindertagesstättenbereich ausgeweitet. c): Natur- und Werkpädagogik wird in unterschiedlichen Settings angeboten: Klassenprojekte , Teilungsgruppen, soziale Gruppenarbeit, werkpädagogische Klassen, Tagesgruppen mit natur- und werkpädagogischem Schwerpunkt, Übergangsgestaltung von Kita über Grundschule bis zur Oberschule sowie in der berufliche Integration. In der Natur- und Werkpädagogik wird in einem für die Schülerinnen und Schüler relevanten sozialen Kontext (Klasse, Schule, Schulumfeld, Familie) an Praxisaufgaben gearbeitet, die - eine Herausforderung für die Schülerinnen und Schüler darstellen, deren Bewältigung mit sozialer Anerkennung verbunden ist. - dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler Interesse an Lerninhalten entwickeln und die zum eigenständigen Forschen und Lernen ermutigen. - geeignet sind, sich in Teamarbeit zu üben und die dazu notwendigen Kompetenzen zu entwickeln. - Unterrichtsinhalte durch praktisches Nachvollziehen erlebbar und begreifbar machen . - selbständiges Lernen fördern, indem dazu ermutigt wird, zu planen, zu experimentieren , zu konstruieren, zu bauen, aus Misserfolgen zu lernen und bis zum Erreichen der angestrebten Ziele durchzuhalten. - die unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten und Lebensentwürfen in einem gemeinsamen Werk zusammenzuführen. Die bestehende Expertise des PFH umfasst hierzu ein breites Spektrum an handwerklichen , kunsthandwerklichen und naturpädagogischen Tätigkeiten. d): Die Zusammenarbeit mit den Schulen findet ihren Niederschlag in interdisziplinärer Teamarbeit von Lehrkräften mit Werkpädagoginnen und Werkpädagogen sowie so- 5 zialpädagogischen Fachkräften bei der an den individuellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schülern orientierten Gestaltung der Lernsettings, um so schulische Entwicklungsprozesse auf dem Weg zur Inklusion zu begleiten. Der Einsatz der Natur- und Werkpädagogik dient somit sowohl zur Prävention, zur Intervention als auch zur Mitgestaltung der Schulentwicklung. e): Auf sozialräumlicher Ebene unterstützen die natur- und werkpädagogischen Angebote - die Verknüpfung mit Bildungsangeboten im schulischen Umfeld. - die sozialräumliche Projektarbeit z.B. „Verantwortungsübernahme für Kiezprojekte“. - den Prozess der Übergangsbegleitung der Schule (Kita – GS – ISS - Beruf/Studium). - die Kooperationen innerhalb des jeweiligen Kiezes mit ansässigen Betrieben, den Aufbau eines Netzwerkes zur beruflichen Orientierung, die Weitervermittlung und Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. 5. Inwiefern werden Eltern bei dem Programm beteiligt? Zu 5.: Die Beteiligung von Eltern findet schon bei der Integration der Schülerinnen und Schülern in die Gruppe statt, da die Teilnahme nach den Grundsätzen der Jugendhilfe freiwillig ist. Die Motivation ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen steht dabei im Vordergrund. In der Regel werden mit der Lernentwicklungsplanung gemeinsame Lernziele vereinbart. Des Weiteren werden die Eltern z.B. zur Auswertung der Lernentwicklungsplanung und an Praxisprojekten oder deren Präsentation beteiligt. 6. Welche Chancen bietet das Programm hinsichtlich einer inklusiven Stärkung der Berliner Schulen und welche Erfolge kann die werkpädagogische Arbeit vorweisen? Zu 6.: Durch die Regelbeschulung gelingt es nicht immer allen Schülerinnen und Schülern umfassend gerecht zu werden. Individuelle Lernvoraussetzungen, Verhaltensweisen und fehlende Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern in verschiedener Hinsicht bedingen die Notwendigkeit inklusive Lernsettings wie z. B. die natur- und werkpädagogische Klasse zu etablieren. Zum Abbau von Desinteresse, Unverständnis, Schulmüdigkeit, verschiedenen persönlichen Bedingungen sind neue Lernwege entwickelt worden, um Schülerinnen und Schülern eine erfolgreiche Schullaufbahn zu ermöglichen, in der sie Interesse, Motivation und Erfolge erleben und daran wachsen . Zudem bietet die Natur- und Werkpädagogik einen unschätzbaren praktischen und berufsorientierenden Zugewinn für die Beteiligten. 6 7. Wie bewertet der Senat das Angebot? Zu 7.: Der Senat begrüßt das natur- und werkpädagogische Angebot des Pestalozzi-Fröbel- Hauses. 8. Wie finanziert sich das Programm bisher? Welche Probleme bzw. Risiken sind mit der aktuellen Finanzierungsform verbunden? Zu 8.: Die Angebote werden mischfinanziert über: das Programm Duales Lernen / besondere Organisationsform das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg Mittel aus dem Ganztagsbudget der Schulen Bonusmittel 9. Welche Chancen sieht der Senat für eine Ausweitung der Werkpädagogik auf weitere Schul- Standorte? Zu 9.: Es ist den Schulen im Rahmen ihrer Profilbildung freigestellt, werkpädagogische Angebote des PFH oder anderer Träger der Kinder- und Jugendhilfe in ihr pädagogisches Konzept zu integrieren. Berlin, den 30. April 2019 In Vertretung Beate Stoffers Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie