Drucksache 18 / 18 585 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 11. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2019) zum Thema: Das May-Ayim-Ufer als Lernort und Begegnungsstätte und Antwort vom 24. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. April 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18585 vom 11. April 2019 über Das May-Ayim-Ufer als Lernort und Begegnungsstätte Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Am früheren Gröben-Ufer in Kreuzberg werden, der Verdrängung durch Sanierung, inzwischen klare Grenzen aufgezeigt; die Gedenkstele für May Ayim wird öfters entglast, mit Stickern kommentiert oder in rosarote Farbe getaucht. Im Gegenzug sind die Uferanlagen durch eine Freie Szene migrantischdiasporischer Gruppen rekolonisiert worden, die dort ihre landestypischen Agrarprodukte aus heimischen Genossenschaften direkt an den Verbraucher abgeben können. Frage: Während die Oberbaumbrücke täglich von Tausenden in- und ausländischer Tourist*innen überquert wird, ist die vor Ort heimisch gewordene afrikanische Community gezwungen, die umliegenden Grünanlagen als Abort zu benutzen. Wie verhindert der Senat, dass hierdurch bei den Passanten exotistische Fremdzuschreibungen entstehen oder sogar verfestigt werden, zumal May Ayim auch Schwarze war? Antwort: Die Fragestellung betrifft vordergründig Möglichkeiten der Verhinderung exotistischer Fremdzuschreibungen gegenüber Migrantinnen und Migranten. Da die Frage jedoch selbst mehrere derartige Zuschreibungen enthält, ist die Vermutung nicht fernliegend, dass auch der Fragesteller hier im Wesentlichen seine eigenen Gedanken und entsprechende Attributionen thematisiert. Der in diesem Zusammenhang in der Frage verwendete Begriff des „Exotismus“ beschreibt die voreingenommene und unreflektierte Perspektive einer als geheimnisvoll oder faszinierend erlebten Wahrnehmung von vermeintlich Fremdartigem, geäußerte Eindrücke sagen dabei weniger über das Beschriebene aus als vielmehr über den Beschreibenden selbst. Zahlreiche Untersuchungen zu diesem Thema weisen darauf hin, dass sich exotistische Vorstellungen vornehmlich aus Projektionen speisen, die maßgeblich mit eigenen Entsagungen, Ängsten oder Wunschgedanken zusammenhängen. Zur Vermeidung derartiger Fremdzuschreibungen empfiehlt der Senat eine unvoreingenommene, die kritische Selbstreflektion fördernde Beschäftigung mit den 2 Themen Kolonialismus und Rassismus. Hierzu kann bereits die Lektüre der Aufschrift auf der Gedenkstele für May Ayim beitragen, die wie folgt lautet: „Diese Straße ist nach May Ayim, geb. 1960 in Hamburg, gest. 1996 in Berlin-Kreuzberg, benannt. Die Wissenschaftlerin, Autorin, Pädagogin und Aktivistin der Schwarzen Bewegung in Deutschland hat in ihrem wissenschaftlichen, literarischen und politischen Werk das Fortbestehen von kolonialen Überlegenheitsvorstellungen und Rassismus aufgezeigt. May Ayim, Tochter einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters, beschrieb rassistische Phänomene, die vom deutschen Kolonialismus über die Zeit des Nationalsozialismus bis heute fortwirken. Damit gab sie wichtige Anregungen zur Auseinandersetzung mit diesen Bestandteilen deutscher Geschichte und Gegenwart. Deren Manifestation im Alltagsrassismus, aber auch in kolonialen Straßennamen, hat Ayim vielfach kritisiert. Sie war Gründungsmitglied der »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD) und maßgeblich an der Prägung und Einführung der Selbstbezeichnung »afrodeutsch« beteiligt. Von 1895 bis zur Umbenennung im Jahre 2010 hieß diese Straße »Gröbenufer«. Sie war nach dem Major Otto Friedrich von der Gröben (1657-1728) benannt, der im 19. Und bis ins 20. Jahrhundert als deutscher Kolonialpionier geehrt wurde. Mit der Straßenbenennung würdigte Kaiser Wilhelm II. in der Hochphase des deutschen Kolonialismus von der Gröben als »ersten Brandenburgischen Colonial-Gouverneur« und »Erbauer der Feste Gross-Friedrichsburg an der Küste von Guinea« im heutigen Ghana (Quelle: Geheimes Staatsarchiv). Von der Gröben hatte Groß-Friedrichsburg im Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg errichten lassen. Das Fort diente zwischen 1683 und 1717 als Stützpunkt für Handel und für die organisierte Verschleppung von versklavten afrikanischen Männern, Frauen und Kindern nach Amerika und Europa. Sklavenhandel ist nach der UN-Resolution von Durban (2001) ein »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, das »zu allen Zeiten als solches hätte gelten sollen«. Kolonialismus hat zu Rassismus, zu Diskriminierung von Menschen aufgrund ethnischer Verschiedenheiten, zu Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz geführt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat als Zeichen gegen Kolonialismus und Rassismus das Gröbenufer in May-Ayim-Ufer umbenannt. Damit soll zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und zu einer Umkehr der Erinnerungsperspektive angeregt werden.“ Berlin, den 24.04.2019 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz