Drucksache 18 / 18 602 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ines Schmidt und Hakan Taş (LINKE) vom 11. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. April 2019) zum Thema: Umsetzung des Berliner Prositituiertenschutzgesetzes und Antwort vom 29. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Ines Schmidt (Linke) und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18602 vom 11. April 2019 über Umsetzung des Berliner Prostituiertenschutzgesetzes ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Anmeldungsbescheinigungen nach § 5 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) sind im Land Berlin bisher ausgestellt worden? Zu 1.: Bisher wurden 1350 Anmeldebescheinigungen gemäß Prostituiertenschutzgesetz (Prost- SchG) ausgestellt (Stand: 23.04.2019). 2. Wie wird der Schutz der persönlichen Daten der Sexarbeiter*innen von behördlicher Seite sichergestellt? Wie ist die Diskretion und Anonymität in den bezirklichen Wartezimmern gewährleistet? Zu 2.: Für die gesundheitliche Beratung nach § 10 ProstSchG betreten die Sexarbeitenden einzeln das Geschäftszimmer. Dort geben sie ihren fiktiven Arbeitsnamen an, unter dem sie den Termin gebucht haben. Dann erhalten sie das Stellenzeichen der Beraterin bzw. des Beraters. Im Wartezimmer werden sie von der Beraterin bzw. dem Berater nur mit dem Stellenzeichen aufgerufen. Die Beratung erfolgt in Einzelbüros, ohne weitere anwesende Personen. Das Wartezimmer ist von außen nicht begeh- oder einsehbar. Die Mitarbeitenden im Geschäftszimmer haben einen Überblick darüber, wer sich im Wartezimmer aufhält. Nur Personen , die einen Termin gebucht haben, haben hier Zugang. Im Anschluss an die Beratung müssen die Prostituierten ihren Ausweis/Pass im Geschäftszimmer vorlegen und erhalten ihre Anmeldebescheinigung. Auch dieser Prozess erfolgt als Einzelbearbeitung. Die gesamten Prozesse der Anmeldung, Beratung und Bescheinigung laufen diskret ab. - 2 - 2 Der bürgerliche Name wird nicht genannt, so dass der persönliche Datenschutz gewährleistet ist. Es werden zu keinem Zeitpunkt Daten gespeichert. In der Anlaufstelle für die Prostitutionsanmeldung und -beratung (Probea) wird mit einer sicheren, geprüften Software (Migewa) gearbeitet. Diese wird auch in anderen Verwaltungen benutzt. Ein eigenes in der Software integriertes Modul zum Thema ProstSchG sorgt dafür, dass ausschließlich die Mitarbeitenden der Probea auf die Daten Zugriff haben. Durch die Terminvergabe gibt es nur einen kurzen Aufenthalt im Wartebereich, aus dem die Prostituierten einzeln in die Beratungszimmer gerufen werden. 3. Wie viele Bordelle und Laufhäuser sind nach Inkrafttreten des ProtSchG in Berlin angemeldet worden? Wie viele haben davon eine Betriebserlaubnis bekommen? 4. Ist dem Senat die Schließung von Wohnungsbordellen sowie Bordellen seit Inkrafttreten des ProstSchG bekannt? 5. Hat der Berliner Senat Auskunft darüber, ob bereits Klagen von Sexarbeiter*innen, Bordell- sowie Laufhausbetreiber *innen gegen das ProstSchG eingereicht worden sind? Zu 3., 4. und 5.: Allgemeine Anmerkung: Die Begriffe „Bordell“, „Laufhaus“ und „Wohnungsbordell“ sind keine Rechtsbegriffe des ProstSchG. Die Antwort geht davon aus, dass die Anfrage diese Begriffe als Synonyme für die Prostitutionsstätte im Sinne des § 2 Abs. 4 ProstSchG verwendet . Anmerkung zu Frage 4: Die Antwort geht davon aus, dass mit dem Begriff der „Schließung “ nach der Anzahl der Versagungen von Erlaubnisanträgen nach § 14 ProstSchG und der Untersagungen wegen fehlender Erlaubnis nach § 15 Absatz 2 Gewerbeordnung gefragt wird. Bezirk Anzahl der Anträge nach § 12 Prost- SchG zum Betrieb einer Prostitutionsstätte (Frage 3) Anzahl der erteilten Erlaubnisse nach ProstSchG für Prostitutionsstätten (Frage 3) Anzahl der Versagungen nach § 14 ProstSchG für Prostitutionsstätten (Frage 4) Anzahl der Schließungsverfügungen nach § 15 Abs. 2 GewO für Prostitutionsstätten (Frage 4) Anzahl der Klagen von Betreibenden von Prostitutionsstätten gegen Entscheidungen nach dem ProstSchG (Frage 5) Charlottenburg- Wilmersdorf 24 1 0 0 0 Friedrichshain- Kreuzberg 28 0 0 0 0 Lichtenberg 2 0 0 0 0 Marzahn- Hellersdorf 4 1 0 0 0 Mitte 25 1 0 1 0 Neukölln 30 3 1 2 0 Pankow 18 0 0 0 0 Reinickendorf 3 0 0 0 0 Spandau 5 0 0 0 0 Steglitz- Zehlendorf 4 0 0 0 0 Tempelhof- Schöneberg 32 0 0 0 0 Treptow- Köpenick 12 1 2 0 0 Gesamt 187 7 3 0 0 - 3 - 3 6. Zieht der Senat zur vereinfachten Koordinierung der 12 bezirklichen Verwaltungen eine neue Senatsstelle in Betracht? Zu 6.: Die Einrichtung einer diesbezüglichen Senatsstelle ist derzeit nicht in Planung. 7. Ab wann ist mit einer gesundheitlichen Beratung nach § 7 ProstSchG bei der Anmeldung der Sexarbeiter *innen zu rechnen? Kam es zu Neueinstellungen in der bezirklichen Verwaltung durch fachlich qualifizierte Mitarbeiter*innen bei der Anmeldungs- und Beratungstätigkeit? Zu 7.: Mit der gesundheitliche Beratung nach §10 ProstSchG wurde am 01.06.2018 begonnen. Bis zum 18.04.2019 wurden folgende Neueinstellungen für das Berliner Zentrum für gesundheitliche Beratung (BeZeGeBePro) in der Berliner Verwaltung vorgenommen: Die Personalkapazität ergibt neun Vollzeitäquivalente für Sozialarbeitende (Beraterinnen und Berater). Davon sind fünf Neueinstellungen in der Berliner Verwaltung. Zwei Vollzeitstellen wurden mit medizinischen Fachangestellten (im Geschäftszimmer für die Terminvergaben und Ausstellung der Bescheinigung zuständig) besetzt. Beide Stellen sind Neueinstellungen in der Berliner Verwaltung. Eine halbe Stelle wurde mit einer Ärztin (seit 01.04.2019, u.a. zur Qualitätssicherung, Erarbeitung und Umsetzung eines Fortbildungskonzepts ), besetzt, ebenfalls eine Neueinstellung in der Berliner Verwaltung. In der Anlaufstelle für die Prostitutionsanmeldung und -beratung (Probea) wurden acht Vollzeitstellen für Sachbearbeitende zur Beratung eingerichtet. 8. Ab wann ist mit speziellen Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen zur Sensibilisierung der Berliner Verwaltungsmitarbeiter*innen in den jeweils zuständigen Bezirken zu rechnen? Zu 8.: Zurzeit wird ein spezifisches Fortbildungskonzept für die Sozialarbeitenden der gesundheitlichen Beratung u.a. von der Ärztin erarbeitet. Es sind feste Schulungsintervalle geplant . Zusätzlich werden Fortbildungen zu entsprechenden Themen z.B. Menschenhandel u.a. durch freie Träger oder Institutionen und Akademien besucht. In der Anlaufstelle für die Prostitutionsanmeldung und -beratung (Probea) werden die Mitarbeitenden seit ca. einem Jahr durch Seminare, Fachtagungen und Fortbildungen durch die Verwaltungsakademie geschult. 9. Wie sieht der Beratungsleitfaden nach § 10 ProstSchG in Berlin aus? Nach welchen Standards /Maßnahmen wird die gesundheitliche Beratung durchgeführt? Zu 9.: Die Inhalte der gesundheitlichen Beratung nach § 10 ProstSchG sind vorgegeben (Krankheitsverhütung , Empfängnisregelung, Schwangerschaft, Risiken des Alkohol- und Drogengebrauchs ). - 4 - 4 Im Berliner Zentrum für gesundheitliche Beratung nach dem ProstSchG wird derzeit ein modularer Leitfaden verwendet. Der modulare Leitfaden zum ProstSchG ist in Anlehnung an die Leitfäden aus anderen Bundesländern entwickelt worden. Ziel ist es, den Leitfaden stets weiter zu entwickeln und zu optimieren. Es wird darauf hingewiesen, dass medizinische Untersuchungen in diesem Rahmen nicht durchgeführt werden. Die dafür richtigen Anlaufstellen werden den Betroffenen bei der Gesundheitsberatung vermittelt. Die Prostituierten können sich jederzeit freiwillig und anonym in den überbezirklichen Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung der Gesundheitsämter medizinisch beraten , untersuchen und behandeln lassen. Wenn die Behandlung dort nicht möglich ist, wird für die Einleitung einer Behandlung gesorgt. 10. Wie wird der Runde Tisch Sexarbeit in die Umsetzung des ProstSchG eingebunden? Zu 10.: Der Runde Tisch Sexarbeit ist nicht als Gremium zur Umsetzung des ProstSchG eingerichtet worden. Vielmehr ist der Runde Tisch Sexarbeit ein beratendes Gremium, welches die in den Richtlinien der Regierungspolitik vereinbarte Zielstellung verfolgt, ein Handlungskonzept zur Verbesserung der Rechte und Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden zu entwickeln. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen durch das ProstSchG werden am Runden Tisch Sexarbeit erörtert und diskutiert, so dass sie auch in das Handlungskonzept mit einfließen werden. 11. Welche eigenen Aktivitäten unternimmt der Senat, um die Ziele des ProstSchG, das heißt den Schutz der Sexarbeit*innen, umzusetzen? Zu 11.: Die von der Umsetzung des ProstSchG betroffenen Senatsverwaltungen sind in kontinuierlichem Austausch sowohl untereinander als auch mit den Bezirksverwaltungen – insbesondere Probea (Prostituiertenanmeldung und -beratung) und die Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung – sowie Beratungsstellen und Prostituiertenselbstorganisationen , um sicherzustellen, dass die Umsetzung des Gesetzes auf struktureller Ebene bestmöglich sichergestellt wird. In Berlin werden drei spezialisierte Einrichtungen, die als Anlauf- und Beratungsstelle für Prostituierte dienen, von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung gefördert. Hydra e.V. (Treffpunkt und Beratung für Prostituierte) bietet beispielsweise Steuer-, Rechts- und Berufsberatung an und unterstützt Frauen in akuten Krisen . Ein weiterer Schwerpunkt ist die Gesundheitsberatung und die HIV/AIDS-Prävention. Für ausstiegswillige Prostituierte bietet Hydra eine Umstiegsberatung an. Der Frauentreff Olga in der Trägerschaft des Notdienstes für Suchtmittelabhängige und -gefährdete Berlin e.V. bietet Prostituierten lebenspraktische Hilfen, gesundheitliche Prävention, Krisenintervention und Beratung (auch aufsuchend). - 5 - 5 Das Projekt SubWay in Trägerschaft des HILFE-FÜR-JUNGS e.V. berät männliche Prostituierte im Rahmen der aufsuchenden Arbeit und hält Selbsthilfeangebote vor. Allen drei genannten Einrichtungen wurden zum Haushalt 2018/2019 zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, um neuen Beratungsbedarfe im Zusammenhang mit dem ProstSchG begegnen zu können. Berlin, den 29. April 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung