Drucksache 18 / 18 622 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Graf (CDU) vom 11. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2019) zum Thema: Wie sichert der Senat die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung in den Berliner Bezirken? Jahrelange Gespräche führen offensichtlich zu keinen Ergebnissen! und Antwort vom 03. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Florian Graf (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18622 vom 11. April 2019 über Wie sichert der Senat die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung in den Berliner Bezirken? Jahrelange Gespräche führen offensichtlich zu keinen Ergebnissen! ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Die demographische Entwicklung ermöglicht auch in Berlin die Neuzulassung von Ärzten. Wie viele Ärzte sind in den jeweiligen Arztgruppen aufgrund des demographischen Wandels in Berlin zugelassen worden? Zu 1.: Die bundesweit gültige Bedarfsplanungsrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses legt Berlin als einen einheitlichen Planungsbereich fest. Die Bedarfsplanungsrichtlinie legt zudem für jede Arztgruppe allgemeine Verhältniszahlen fest, die das Verhältnis von kassenärztlichen Versorgungsaufträgen zu den Einwohnerinnen und Einwohnern eines Planungsbereichs regeln. So beträgt z. B. die allgemeine Verhältniszahl in der hausärztlichen Versorgung 1 : 1.671, d.h. auf eine Bevölkerung von 1.671 Personen sollte ein hausärztlicher Versorgungsauftrag entfallen. Die allgemeine Verhältniszahl wird durch einen regionalen Demografiefaktor modifiziert, der auf dem Anteil der über 65-Jährigen in der jeweiligen Bevölkerung eines Planungsbereichs beruht. Dem Demografiefaktor liegt die Überlegung zu Grunde, dass ältere Menschen häufiger ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen . Der Vergleich der mit dem Demografiefaktor modifizierten Verhältniszahl mit dem real in einem Planungsbereich bestehenden Arzt-Einwohner-Verhältnis stellt den jeweiligen Versorgungsgrad eines Planungsbereichs dar. Die Feststellung eines Versorgungsgrads von über 110 % gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie zieht nach § 103 Absatz 1 Satz 2 SGB V Zulassungsbeschränkungen nach sich. Im Jahr 2018 sank in Folge des Bevölkerungswachstums der Versorgungsgrad bezüglich der Arztgruppe der Hausärzte unter 110 %, so dass insgesamt 42,5 neue Versorgungsaufträge ausgeschrieben wurden. - 2 - 2 Für alle anderen Arztgruppen liegt der Versorgungsgrad weiterhin über 110 %, so dass der gesamte Planungsbereich Berlin für weitere Zulassungen von Ärztinnen und Ärzten anderer Arztgruppen weiterhin gesperrt ist. 2. In welchen Bezirken sind sie zugelassen worden? Zu 2.: Die abschließenden Auswahlverfahren zur Vergabe der Niederlassungen finden im Mai 2019 statt. Somit können noch keine Aussagen über die Verortung der Niederlassungen gemacht werden. 3. Ist der LOI diesbezüglich um eine Zulassungsregel (zunächst in den am schlechtesten versorgten Bezirken ) ergänzt worden? Zu 3.: Der LOI wurde bezüglich möglicher Neuzulassungen bisher nicht ergänzt. Das Plenum des gemeinsamen Landesgremiums hat in der Sitzung am 19.04.2018 durch die zustimmende Kenntnisnahme des Zwischenberichts der AG Versorgungssteuerung beschlossen, dass im Zuge einer partiellen Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen bezogen auf die jeweilige Arztgruppe grundsätzlich zunächst in den drei am schlechtesten versorgten Bezirken neue Sitze ausgeschrieben werden sollen. 4. Wurden weitere Ergänzungen des LOI hinsichtlich einer gerechteren regionalen Verteilung der Ärzte vorgenommen (z.B. Nutzung von nicht ausgefüllten Versorgungsanteilen für Steuerung gem. § 95 SGV)? Zu 4.: Das gemeinsame Landesgremium beschloss am 26.10.2017 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Versorgungssteuerung unter Vorsitz der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin unter Mitwirkung der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen, der Patientenvertretung sowie der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung . Die Arbeitsgruppe wurde mit der Konkretisierung und Weiterentwicklung des LOI und seiner Empfehlungen beauftragt. Der Zwischenbericht der AG Versorgungssteuerung wurde dem gemeinsamen Landesgremium in der Sitzung am 19.04.2018 vorgestellt. Vorgesehen wurden: - Die Grundsätze des LOI sind in vollem Umfang auch auf medizinische Versorgungszentren anzuwenden. - Künftige Verlegungen von Sitzen sollen grundsätzlich nur in einen Bezirk erfolgen, der bezogen auf die jeweilige Fachgruppe zu den drei am schlechtesten versorgten Bezirken Berlins zählt. Das gilt auch, soweit im Zuge einer partiellen Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen neue Sitze ausgeschrieben werden. - Zur Frage, wie nicht ausgefüllte Versorgungsanteile für eine effektivere Versorgungssteuerung zu nutzen sind, wird eine Prüfung der Versorgungsaufträge durchgeführt . - 3 - 3 Die Ergebnisse der Prüfung lagen Ende August 2018 vor. Demnach erfüllten 95,59 % der 9.049 überprüften Ärztinnen und Ärzte ihren Versorgungsauftrag vollumfänglich. Bei 399 Ärztinnen und Ärzten wurde eine vertiefte Überprüfung von Detailfragen zur Erfüllung des Versorgungsauftrages in die Wege geleitet. 5. Warum werden die Versorgungsgrade nur mit einem modifizierten Sozialfaktor, der auf 10% beschränkt ist, angepasst und nicht die volle Schwankungsbreite zugelassen? Zu 5.: Der Sozialindex I wird in Berlin zur Modifikation der Verhältniszahlen in ausgewählten Arztgruppen verwendet, um der Erkenntnis Rechnung zu tragen, dass ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit besteht, der sich auch im ambulanten Versorgungsbedarf zeigt. Um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, erscheint es daher wünschenswert, die Sozialstruktur im Planungsgebiet zu berücksichtigen. Die Begrenzung des Sozialindex I auf eine Spreizung von 10 % liegt in dem zu seiner Berechnung angewandten statistischen Verfahren begründet: Beim Sozialindex I handelt es sich um faktoranalytisch ermittelte Werte pro Bezirk, die statistisch z-standardisiert sind, also einen Mittelwert von 0 und eine Streuung von 1 aufweisen. Für die Berechnung einer modifizierten Verhältniszahl müssen die Werte in einen positiven Wertebereich transformiert werden und hierfür ein praktikabler Maßstab gewählt werden. Mit den Partnern der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wurde im Gemeinsamen Landesgremium nach § 90a SGB V eine Spreizung der Verhältniszahlen durch den Sozialindex um maximal 10 % vereinbart, da dies in etwa auch der Spreizungswirkung unter Berücksichtigung des durch die Bedarfsplanungsrichtlinie vorgeschriebenen Demografiefaktors entspricht. Die Wirkung einer stärkeren Spreizung der berechneten Verhältniszahlen durch den Sozialindex sei am Beispiel der Hausärzte verdeutlicht: Bei einer Spreizung um 10 % kommen auf jeden Hausarztsitz rechnerisch im Bezirk mit der günstigsten Alters- und Sozialstruktur 11 % mehr Einwohner/innen (oder 1,1 mal so viele Einwohner/innen) als im Bezirk mit der ungünstigsten Alters- und Sozialstruktur. Würde die Spreizung auf 100 % ausgedehnt , hätte ein Hausarztsitz im Bezirk mit der günstigsten Alters- und Sozialstruktur 2,7 mal so viele Einwohner/innen zu versorgen wie ein Hausarztsitz im Bezirk mit der ungünstigsten Alters- und Sozialstruktur. Dies würde nicht den Prinzipien einer bedarfsgerechten Versorgung entsprechen. 6. Warum wird der so beschränkte Sozialfaktor noch einmal mit dem Demographie Faktor gemittelt und damit insgesamt geglättet? Zu 6.: Gemäß § 10 Absatz 1 der bundesweit gültigen Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses sind die allgemeinen Verhältniszahlen planungsbereichsbezogen durch einen Demografiefaktor zu modifizieren. Somit wird keinesfalls der bezirkliche Sozialindex angepasst, der eine Besonderheit der Berliner sozialindikativen Bedarfsplanung darstellt. Vielmehr wurde für die Berliner Bedarfsplanung festgelegt, den Sozialindex - 4 - 4 additiv zum gesetzlich vorgeschriebenen Demografiefaktor zu verwenden und mit gleicher Stärke zu gewichten. 7. Was haben die rechtlichen Prüfungen und Gespräche mit den Beteiligten zur Errichtung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren ergeben (siehe auch Anfrage Nr. 18/12626 von Dr. Gottfried Ludewig vom 27.11.2017)? Zu 7.: Die rechtliche Prüfung zur Errichtung kommunaler medizinischer Versorgungszentren seitens der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ergab für die Gründung von kommunalen medizinischen Versorgungszentren eine Zuständigkeit der Bezirke. Allerdings sind die Bezirke von Berlin nicht rechtsfähig, so dass auch mögliche kommunale medizinische Versorgungszentren formal dem Land Berlin zuzuordnen sind. Dabei sind die Regelungen der Landeshaushaltsordnung (LHO) im Falle der Gründung oder der Beteiligung eines medizinischen Versorgungszentrums als privatrechtliches Unternehmen zu beachten. Die Gründung von privatrechtlichen Unternehmen kann dabei nur auf einem bestimmten Bezirksgebiet erfolgen. Hierzu ist die Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und des Abgeordnetenhauses oder das Einvernehmen der Senatsverwaltung für Finanzen (vgl. § 65 Absatz 7 LHO) erforderlich. Im Falle der Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums als Eigenbetrieb sind die Regelungen des Eigenbetriebsgesetzes zu berücksichtigen. Das Ergebnis der Prüfung wurde, verbunden mit einer Erklärung der Bereitschaft der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, entsprechende Gründungsprozesse zu unterstützen, interessierten Vertreterinnen und Vertretern der Bezirke im Jahr 2018 kommuniziert. 8. Das Landesgremium nach § 90 a SGB V soll in der Regel nach dem Willen des Senats öffentlich tagen. Was ist unter „öffentlich“ zu verstehen und wie oft hat das Gremium öffentlich getagt? Zu 8.: Gemäß § 7 des Gesetzes zur Errichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a des fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 29.11.2012 gibt sich das Landesgremium mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder eine Geschäftsordnung , in der unter anderem auch die Arbeitsweise des Gremiums festgelegt wird. § 12 der Geschäftsordnung des gemeinsamen Landesgremiums bestimmt, dass die Sitzungen des gemeinsamen Landesgremiums nicht öffentlich sind und über den Verlauf der Sitzungen Stillschweigen zu wahren ist. Daher hat das gemeinsame Landesgremium bisher noch nicht öffentlich – d.h. über den in § 3 des Gesetzes zur Errichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a des fünften Buches Sozialgesetzbuch als Beteiligte genannten Kreis hinaus - getagt. 9. Die Frage 4 der Anfragen Nr. 18/13002 vom 19.12.2017 sowie 18/13403 vom 14.2.2018 von Dr. Gottfried Ludewig wurde mit Verweis auf laufende Gespräche nicht beantwortet. Sie wird hier wiederholt gestellt: Das Landesgremium sollte um gleichberechtige Vertreter(innen) der Patienten(innen), von Menschen mit Behinderung , der Pflege, der Bezirke und des ÖGD erweitert werden: a. Wie werden in Zukunft die Stimmverhältnisse im Landesgremium verteilt werden? b. Welche Bezirke sollen ins Landesgremium eingebunden werden? - 5 - 5 c. Wer vertritt künftig den ÖGD im Landesgremium? d. Welche gesetzlichen Initiativen sind bereits in die Wege geleitet worden, um die neue Struktur des Landesgremiums umzusetzen? e. Durch die Aufnahme neuer Mitglieder ergibt sich eine fast identische Struktur von der Landesgesundheitskonferenz (§ 3 Abs. 6 GDG) und dem Landesgremium nach § 90 a SGB V. Welchen Sinn macht diese ressourcenaufwendige Doppelstruktur? Zu 9.: § 3 des Gesetzes zur Errichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a des fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 29.11.2012 bestimmt die Beteiligten des gemeinsamen Landesgremiums. Vertretungen der Bezirke und damit auch des bezirklichen ÖGD sind in § 3 Absatz 1 dieses Gesetzes bislang nicht als regelhaft Beteiligte des gemeinsamen Landesgremiums vorgesehen. Die sachkundigen Personen, die durch die für die Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten sowie der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen gemäß § 140 f Absatz 3 SGB V benannt werden, sind zum jetzigen Zeitpunkt gemäß der Geschäftsordnung des gemeinsamen Landesgremiums nicht stimmberechtigt. Mit der Erstellung von Entwürfen zur Änderung des Gesetzes über das gemeinsame Landesgremium und einer Änderung der Geschäftsordnung, die der Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen des gemeinsamen Landesgremiums bedarf, befasst sich derzeit eine in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung angesiedelte Projektgruppe. Im Hinblick auf den in Senat und dem gemeinsamen Landesgremium noch ausstehenden Willensbildungsprozess können die Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden . Berlin, den 03. Mai 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung