Drucksache 18 / 18 727 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 29. April 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. April 2019) zum Thema: Einen Missbrauchsbeauftragten für Berlin schaffen und Antwort vom 15. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18727 vom 29. April 2019 über Einen Missbrauchsbeauftragten für Berlin schaffen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Wie steht der Senat zum Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM)? Zu 1.: Das Amt und die Tätigkeit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM) wird vom Senat von Berlin begrüßt. Mit der dauerhaften Einrichtung dieser Funktion hat die Bundesregierung dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche eine hohe Priorität eingeräumt. 2) Wie steht der Senat zu der Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ des UBSKM und inwiefern unterstützt der Senat das Anliegen der Initiative? Zu 2.: Ziel der Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ ist es, alle Institutionen, an denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, gegenüber der Gefahr vor sexuellem Missbrauch zu sensibilisieren , damit sie dort kompetente Ansprechpersonen finden, wenn sie Hilfe brauchen. Daraus wurde die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ entwickelt, die speziell Schulen unterstützt, für ihre Einrichtungen Schutzkonzepte zu entwickeln. Berlin schloss sich am 26.September 2018 der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ an und unterstützt das Anliegen des UBSKM, Schulen für dieses Thema zu sensibilisieren. 3) Wie steht der Senat zur Schaffung eines eigenen Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs für das Land Berlin? 2 Zu 3.: Zunächst wird auf das wirksame und kontinuierlich wachsende „Netzwerk Kinderschutz“ verwiesen, das vom Senat im Februar 2007 beschlossen wurde und auf dem vorhandenen Hilfesystem aufbaut (vgl. MzK Drs. 16/0285). Ziel des „Netzwerk Kinderschutz“ ist die ressortübergreifende Koordination und Zusammenarbeit im Kinderschutz und die Erhöhung von Sensibilität und Professionalität. Hierzu zählen insbesondere die Zusammenarbeit der Bereiche Jugend, Gesundheit und Soziales und die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule. Zudem wurde im Jahr 2012 durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt beschlossen , ein ressort- und institutionenübergreifendes „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt “ einzurichten. Mit dem „Netzwerk gegen sexualisierte Gewalt“ im Land Berlin sollen Prävention, Intervention, gesundheitliche und psychosozialen Versorgung, Opferschutz und die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der sexuellen Gewalt nachhaltig gestärkt werden. Die Integrierte Maßnahmeplanung (IMP) dient der nachhaltigen Verbesserung der Prävention, Intervention und der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung bei sexualisierter Gewalt. Dabei werden alle Altersgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene), jedes Geschlecht sowie Menschen mit und ohne Behinderung einbezogen. Bezüglich der Frage der Einrichtung eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs in den Ländern steht der Senat derzeit im fachlichen Austausch mit dem UBSKM der Bundesregierung. 4) Wie erfolgen die Informationsvermittlung, Sensibilisierung, Aufklärung und Prävention zu Themen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch den Senat? Zu 4.: Um den möglichst frühzeitigen Schutz von Kindern und Jugendlichen in Gefährdungssituationen zu gewährleisten und Familien bei der Verhinderung von Gewalt zu unterstützen, hat der Senat mit den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe ein enges Netzwerk von Beratungs- und Betreuungsangeboten entwickelt. Vom Land finanzierte Einrichtungen in freier Trägerschaft halten differenzierte Hilfen in Form von Beratung, Prävention und Krisenintervention vor und geben fachspezifisch entsprechendes Informationsmaterial heraus. Im Rahmen des bestehenden „Netzwerk Kinderschutz“ arbeiten verschiedene Fachberatungsstellen mit Spezialisierungen zum sexuellen Missbrauch gegen Kinder und Jugendliche eng zusammen. Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit wenden sich die Träger sowohl an Personensorgeberechtigte und ihre Kinder als auch an pädagogische Fachkräfte, um über ihr Hilfeangebot zu informieren. Zu den berlinweiten Präventionsangeboten gehört z.B. Strohhalm e.V. mit einer Beratungsstelle zur Durchführung eines Präventionsprogramms in Schulen und Kindertagesbetreuungseinrichtungen . Das Angebot richtet sich an Mädchen und Jungen, ihre Eltern sowie pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen. Des Weiteren richtet sich der Träger HILFE-FÜR-JUNGS e.V. mit seinem Projekt „berliner jungs“ – Prävention und Beratung in Bezug auf (pädo)sexuelle Gewalt - an Jungen. Mit Streetwork und Präventionsveranstaltungen auf Straßen, Spiel- und Sportplätzen, in Schwimmbädern und Schulen erreichen die Mitarbeiter Jungen, Erziehungsberechtigte und Multiplikatoren vor Ort. In spielerischer Form werden die Jungen für mögliche pädosexuelle Ansprachen sensibilisiert und entsprechende Schutzmaßnahmen vermittelt. 3 Darüber hinaus bietet die Sozialpädagogische Fortbildungsstätte Berlin – Brandenburg jährlich zahlreiche Fortbildungs- und Qualifizierungmaßnahmen zum Thema sexuelle Gewalt für Fachkräfte an. Im Rahmen der bundesweiten Initiative „Trau dich!“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs für Schülerinnen und Schüler zum Thema Kinderrechte und Selbstbestimmung werden Kinder in den Berliner Schulen unter Einbeziehung von Eltern und Fachkräften informiert und aufgeklärt. Die Initiative sowie das gleichnamige Theaterstück dient dazu, Schülerinnen und Schüler im Alter von 8 bis 12 Jahren zum Thema sexualisierte Gewalt sprachfähig zu machen und ihnen Strategien im Umgang mit Grenzverletzungen zu vermitteln. Die Initiative richtet sich neben der Theateraufführung mit verschiedenen Bausteinen an Schulkinder, Eltern und Lehrkräfte. Dazu wurden entsprechende Arbeitsmaterialien erarbeitet : - Eine Mädchen- und Jungenbroschüre (mit geschlechtsspezifischen Informationen und interaktiven Elementen zum Thema) - eine Kinderbroschüre „du kannst darüber reden!“ (mit Informationen über sexuellen Missbrauch und Kinderrechte) - das Internetportal www.trau-dich.de - ein Methodenheft für pädagogische Fachkräfte (mit theaterpädagogischen Anregungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterstücks „Trau Dich!“) - ein Ratgeber für Eltern (mit Informationen zur psychosexuellen Entwicklung von Kindern, zu sexuellen Übergriffen, Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt sowie Grundbotschaften der Prävention) Darüber hinaus gibt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie regelmäßig Informationen in Form eines „Schulnewsletters“ an alle Schulen. Darin werden unter anderem auch Projekte und Initiativen zu Themen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendlichen vorgestellt. Des Weiteren erhalten die regionalen Schulaufsichten und die Leitungen des Schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs-und Unterstützungszentren Informationsschreiben zu wichtigen Themen zur Prävention von sexueller Gewalt. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren für schulische Prävention in den Regionen arbeiten eng mit den Schulen zusammen. Sie informieren und unterstützen die an Schule tätigen Pädagogen in ihrer täglichen Arbeit, sprechen Empfehlungen aus und helfen , ein passendes Angebot für das von der Schule an sie herangetragene Anliegen zu finden und umzusetzen. 5) Wie werden die Belange von Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erlitten haben, bisher wahrgenommen und liegen institutionalisierte Verfahren in Berlin durch den Senat vor? Zu 5.: Für Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erlitten haben, besteht die Möglichkeit, eine Entschädigungsleistung auf Grundlage des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) zu erlangen. Neben der Möglichkeit, einen Ausgleich für erlittene Schäden sexualisierter Gewalt auf der Grundlage des OEG zu erhalten, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Prüfung von Hilfeleistungen über das Ergänzende Hilfesystem zu stellen. Das Ergänzende Hilfesystem bei sexuellem Missbrauch in Institutionen hat die Aufgabe, die sozialrechtlichen Versorgungssysteme der Bundesländer zu ergänzen, wenn die bestehenden Missbrauchsfolgen sexualisierter Gewalt fortdauern. – 4 Die „Berliner Beratungsstelle für Betroffene sexueller Gewalt zum EHS“ unterstützt Betroffene bei der Antragstellung auf materielle Hilfen aus dem Ergänzenden Hilfesystem (EHS). Mögliche ergänzende Leistungen können beispielsweise Kosten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchs, Beratungs-und Betreuungskosten sowie Kosten im Zusammenhang von beruflichen Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen sein. 6) In welchem Rahmen und wie häufig erfolgt ein Austausch zwischen dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung und dem Senat von Berlin? Zu 6.: Zur Umsetzung der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ findet ein jährlicher Erfahrungsaustausch der Kultusministerien der Länder mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung statt. Berlin, den 15. Mai 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie