Drucksache 18 / 18 770 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 06. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mai 2019) zum Thema: Integrationsfachdienst II und Antwort vom 23. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18770 vom 06. Mai 2019 über Integrationsfachdienste II ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche inhaltlichen und ökonomischen Ziele hat der Senat mit der Neuausschreibung der Integrationsfachdienste (IFD) verfolgt? 2. Inwieweit wurden aus Sicht des Senats diese Ziele erreicht? Zu 1. und 2.: Mit der Entscheidung zur öffentlichen Ausschreibung hat der Senat vordergründig keine inhaltlichen und ökonomischen Ziele verfolgt. Die Entscheidung zur Ausschreibung ist ausschließlich auf die aktuelle Rechtslage zurückzuführen, nach der eine freihändige Vergabe nicht mehr zulässig ist. 3. Welche Vorteile ergeben sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus der Ausschreibung im Allgemeinen und der Tatsache, dass es nun nur noch drei statt sechs IFD-Bezirke gibt, im Besonderen? Zu 3.: Vor der Aufteilung auf drei regionale Integrationsfachdienste (IFD) gab es sechs kleinere regionale IFD (analog der um das Jahr 2000 herum existierenden Struktur der Berliner Arbeitsämter). Durch die Zusammenlegung von in der Regel zwei IFD zu einem neuen IFD sind leistungsstärkere Einrichtungen, die insbesondere eine größere personelle Flexibilität gewährleisten, entstanden. Zudem folgt Berlin hiermit der gemeinsamen Empfehlung nach § 196 Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach in der Regel in jedem Bezirk der Agenturen für Arbeit nur ein - alle Aufgabenbereiche und Zielgruppen umfassender - IFD vorgehalten werden soll. Durch die räumliche Nähe soll unter anderem eine engere, zielgerichtetere Zusammenarbeit zwischen den IFD und den Agenturen für Arbeit erreicht werden. Dieses Vorgehen unterstützt auch die bundesweite Vereinbarung vom 13.07.2017, zwischen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) und 2 der Bundesagentur für Arbeit (BA), die das Ziel hat, die Inklusion am Arbeitsmarkt gemeinsam voranzubringen. 4. Welche Vorteile ergeben sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer insbesondere aus der Vorgabe, dass der IFD seinen Sitz innerhalb des S-Bahnrings haben muss? Insbesondere für Betriebe z.B. in Wannsee, Lübars, Lichtenrade, Bohnsdorf oder Hirschgarten? Zu 4.: Grundsätzlich sind alle Anlaufstellen, die sich innerhalb des S-Bahnrings befinden, für alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - auch von den oben genannten Ortsteilen - verkehrsmäßig gut erreichbar. Durch diese Vorgabe wurde im Übrigen im Rahmen der Ausschreibung eine klare und diskussionsfreie Regelung zur Lage einer Immobilie getroffen und verhindert, dass nicht zentral und verkehrsgünstig gelegene und damit in der Regel kostengünstigere Immobilien für die Abgabe eines Angebotes ausgewählt wurden. 5. Durch die Neustrukturierung der IFD wird der Verbleib beim gewohnten Betreuer im Zuge eines Wechsels des Arbeitgebers zumindest erschwert. Sieht der Senat das Wunsch- und Wahlrecht der Arbeitnehmer insofern gewahrt? 6. Wenn ja, inwieweit? Zu 5. und 6.: Durch das größere „Einzugsgebiet“ der jetzigen regionalen IFD dürfte gerade diesem Gedanken zukünftig eher als in der Vergangenheit Rechnung getragen werden. Insofern kann der Senat keinen negativen Einfluss auf das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Personen erkennen. 7. Haben die IFD im Rahmen ihrer Beauftragung durch das Integrationsamt oder der Rehabilitationsträger vor allem den Charakter von allgemeinen Beratungsstellen oder erfolgt tatsächlich eine Zuweisung von Klienten? Zu 7.: Die Aufgaben der IFD sind in § 193 SGB IX beschrieben. Die IFD haben als ersten Schritt im Rahmen des niederschwelligen Zugangs einen Beratungsauftrag zur Abklärung der Situation der aufsuchenden Person. Sollten Anhaltspunkte für eine Begleitungsnotwendigkeit erkannt werden, kann der IFD für längstens zwei Monate im Rahmen einer „Qualifizierten Beratung“ durch weitere Kontakte mit der/dem zu Beratenden die Situation vertieft betrachten und ggf. für eine darüber hinausgehende Begleitung eine Beauftragung beim Integrationsamt oder einem Rehabilitationsträger beantragen. Nach § 194 Abs. 1 SGB IX werden die Integrationsfachdienste „im Auftrag der Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger tätig“. Diese bleiben für die Ausführung der Leistung verantwortlich.“ 8. Welche Bedeutung hat die Vermittlung von Arbeitnehmern noch im Aufgabenspektrum der IFD und wie beurteilt der Senat den Umstand, dass die Beauftragungen zur Vermittlung sehr stark zurückgegangen sind? Zu 8.: Die Beauftragungen der IFD durch Rehabilitationsträger (einschließlich der Bundesagentur für Arbeit) im Vermittlungsbereich sind als sehr gering einzuschätzen (in 2018 wurden berlinweit 63 Vermittlungsaufträge aus 2017 und 2018 abgeschlossen). Nach dem Entwicklungsbericht der BIH zur Entwicklung der IFD in den Jahren 2013 bis 2017 haben die Beauftragungen durch die Träger der Arbeitsvermittlung in den meisten Ländern keinen bedeutenden Umfang mehr (1-3 Prozent der Klientel). In neun Ländern tendieren sie gegen null (0 bis <1 Prozent). Lediglich in Bayern, Bremen und Hessen 3 bestehen noch nennenswerte Beauftragungsvolumina, die bei rund 10 % der Gesamtklientel liegen. Auf die Beauftragungen der IFD durch die Rehabilitationsträger hat der Senat keinen Einfluss. Intensive Bemühungen des Integrationsamtes insbesondere bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit zur verstärkten Inanspruchnahme der IFD führten nicht zu einem nennenswerten Ergebnis. Die Entwicklung wird sehr bedauert. 9. Welche Rolle übernehmen die IFD, um das Budget für Arbeit zu einem breiteren Einsatz zu bringen und welche Erfolge gibt es dabei bisher? Zu 9.: Für die Bewilligung eines Budgets für Arbeit sind in der Regel die Träger der Eingliederungshilfe zuständig. Sie können unter Wahrung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten die IFD mit der erforderlichen Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz beauftragen. Der IFD kann hier weder selbst noch im Auftrag des Integrationsamtes tätig werden, sondern grundsätzlich nur im Auftrag des Trägers der Eingliederungshilfe. Im Übrigen hat der Gesetzgeber den IFD im Kontext des Budgets für Arbeit keine herausragende Rolle zugeschrieben. Um das Budget für Arbeit in Berlin zu unterstützen hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales einen Ideenwettbewerb zum Modellprojekt „Beschäftigungsimpulse für Menschen mit Behinderung durch Nutzung des Budgets für Arbeit“ ausgeschrieben. Seit dem 01.01.2019 gibt es drei Projekte, die aktive Unterstützungsarbeit im Hinblick auf das Budget für Arbeit leisten. Im Vordergrund der Modellprojekte steht die Akquise von passgenauen Arbeitsplätzen für den in § 61 Absatz 1 SGB IX genannten Personenkreis. 10. Worin liegt der Vorteil aus Sicht des Senats, dass die klientenunabhängige Beratung der Arbeitgeber ausschließlich durch den IFD für fachdienstliche Stellungnahmen realisiert werden soll und nicht mehr von den regionalen IFD, die oft in den Betrieben schon präsent sind? Zu 10.: Hauptaufgabe der regionalen IFD ist die Vorbereitung, Einarbeitung, Stabilisierung und Sicherung von Arbeitsverhältnissen (vgl. § 193 SGB IX). Sie werden von daher regelmäßig beauftragt, eine einzelne Person im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben zu begleiten. Selbstverständlich stehen sie den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in den Betrieben, in denen sie Begleitung vornehmen, für Informationen und Nachfragen zur Verfügung. Ebenso können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch im Rahmen des niedrigschwelligen Zugangs mit Fragen auf die regionalen IFD direkt zugehen. Eine spezialisierte und damit noch qualifiziertere und umfassendere klientenunabhängige Beratung soll jedoch grundsätzlich nur vom IFD für fachdienstliche Stellungnahmen vorgenommen werden. Es ist Ziel der Aufgabenkonzentration, für diese Tätigkeit besonders geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem IFD vorzuhalten und in Auswertung der Aufgabenerledigung besonders ergiebige Daten zu Problem- und Interessenlagen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu erhalten, um zukünftig weitere qualitativ hochwertige Informationen zur Aufgaben- und Ausgabensteuerung des Integrationsamtes zu erhalten. Auch die Mitarbeitenden des IFD für fachdienstliche Stellungnahmen sind in vielen Betrieben präsent. 4 11. Wie wird aus Sicht des Senats verhindert, dass durch das Auftreten zusätzlicher Bedarfe nach der Ausschreibung in Sachen Personalschlüssel keine Versorgungslücken auftreten? Zu 11.: Der Senat geht aufgrund der zurzeit vorliegenden Beauftragungen davon aus, dass keine Versorgungslücke auftritt. Durch die europaweite Ausschreibung der IFD ist der Senat an die Vorschriften des Vergaberechts gebunden. Die durch Angebot und Zuschlagserteilung festgelegten Preise pro Integrationsfachdienst können gem. § 132 Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) bis zu 10 Prozent überschritten werden, sofern sie nicht den EU-Schwellenwert für 2018 und 2019 für Liefer- und Dienstleistungsaufträge sonstiger öffentlicher Auftraggeber in Höhe von 221.000 € übersteigen. Darüber hinaus gehende Kostensteigerungen ziehen eine Ausschreibung der die Ausgaben verursachenden Leistungen nach sich. Berlin, den 23. Mai 2019 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales