Drucksache 18 / 18 788 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg (LINKE) vom 09. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mai 2019) zum Thema: Berliner Baugebote und Antwort vom 28. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mai 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18788 vom 9. Mai 2019 über Berliner Baugebote Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: In wie vielen Fällen wurde in Berlin in den letzten fünf Jahren ein Baugebot ausgesprochen? Frage 2: In wie vielen Fällen kam es dabei zu einem Übernahmeanspruch gegenüber der Gemeinde? Antwort zu 1 und 2: Zu diesen Fragen wurden die Bezirke befragt. Neun Bezirken meldeten zurück, in den letzten fünf Jahren kein Baugebot ausgesprochen zu haben. Frage 3: Wie viele baureife Grundstücke (planungsrechtliche Zulässigkeit aufgrund eines festgesetzten Bebauungsplans oder die Genehmigungsfähigkeit nach § 34 BauGB) mit welcher grob geschätzten zulässigen Wohnungsanzahl gibt es in Berlin (wenn möglich, bitte nach Bezirken auflisten)? Antwort zu 3: Eine statistische Erfassung der baureifen Grundstücke inklusive einer Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit für jedes Grundstück erfolgt nicht. Frage 4: Wie ist das Baugebot vor dem Hintergrund zu bewerten, dass das Planungsrecht auch Mischgebiete und Urbane Gebiete kennt, wo ein Nutzungsmix zulässig ist und der Eigentümer bei Anordnung eines Baugebots daher frei darin ist, welche zulässigen Nutzungen er errichtet? Antwort zu 4: Der Ausspruch einer Bauverpflichtung (§ 176 Baugesetzbuch) kann lediglich dazu verpflichten, im Rahmen des planungsrechtlich Zulässigen zu bauen. Das bedeutet, dass ausschließlich zum „Ob“ und nicht zum „Wie“ des Bauens verpflichtet werden kann. 2 Verfügt die/der zum Bauen Verpflichtete beispielsweise über ein Grundstück, das in einem Mischgebiet verortet ist, liegt es in ihrer/seiner Hand, ob sie/er dort Wohngebäude oder nicht störendes Gewerbe errichtet, denn beides wäre planungsrechtlich in einem Mischgebiet zulässig. Frage 5: Wie bewertet der Senat die angekündigte Vorgehensweise der Stadt Tübingen, die Eigentümer zu einer verbindlichen Erklärung aufzufordern, in spätestens zwei Jahren ein Baugesuch einzureichen und innerhalb von vier Jahren die Schaffung von Wohnraum zu ermöglichen, alternativ das Grundstück zum Verkehrswert an die Stadt zu veräußern? Antwort zu 5: Die Grundsätze der Einzelfallbeurteilung und des Ausnahmecharakters des Baugebotes sind zu beachten. Da der Ausspruch eines Baugebots immer auf einer Einzelfallentscheidung beruht, ist vorab stets mit der/dem Eigentümer/in die Situation zu erörtern und zu klären, ob ihr/ihm die Durchführung des Vorhabens unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuzumuten ist (§ 176 Absatz 3 Baugesetzbuch). Ist dies nicht der Fall, hat die Gemeinde von dem Ausspruch des beabsichtigten Baugebotes abzusehen. Frage 6: Ist die Abgabe einer solchen Erklärung rechtsverbindlich? Antwort zu 6: Ob sich ein/e betroffene/r Bürger/in durch die Abgabe einer solchen Erklärung bindet und wie weit diese Bindung reicht, hängt von der konkreten Formulierung und Ausgestaltung durch die/den Bürger/in ab und kann ohne Kenntnis der betroffenen Erklärung nicht beurteilt werden. Frage 7: Ist auch ein anderer Wert als der Verkehrswert bei der Übernahmepflicht durch die Gemeinde zulässig, etwa der Marktwert oder ein reduzierter Verkehrswert? Antwort zu 7: Die Entschädigung bemisst sich grundsätzlich nach dem Verkehrswert des Grundstücks. Frage 8: Ist der Ausspruch eines Baugebots durch eine bezirkliche Planungsbehörde stets zulässig, wenn die planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit gegeben ist und städtebauliche Gründe für die unmittelbare Bebauung vorliegen und begründet sind; wenn ja, welche Schritte muss das Bezirksamt einleiten und muss dafür die Zustimmung der Hauptverwaltung eingeholt werden? Antwort zu 8: An den Ausspruch eines Baugebotes sind noch weitere Voraussetzungen – wie etwa die wirtschaftliche Zumutbarkeit – geknüpft. Das Baugebot kann nicht der Regelfall sein, sondern immer nur das Ergebnis einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des besonderen Ausnahmecharakters dieses städtebaulichen Instruments. Der Ausspruch eines Baugebotes manifestiert einen massiven Eingriff in das durch Artikel 14 Grundgesetz garantierte Eigentumsrecht. Grundsätzlich gilt aber zunächst das unter 5. beschriebene Verfahren. Die Zustimmung der Hauptverwaltung ist für den Ausspruch eines Baugebotes durch einen Bezirk nicht erforderlich. 3 Frage 9: Trifft es zu, dass die städtebauliche Erforderlichkeit für ein Baugebot bereits dann gegeben ist - wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages festhält -, wenn ein dringender Wohnbedarf der Bevölkerung besteht oder zur Verbesserung des Ortsbildes eine Baulücke zu schließen ist? Antwort zu 9: Die Anforderungen für den Ausspruch eines Baugebotes ergeben sich aus dem Gesetz. Nach § 176 BauGB kann das Baugebot angeordnet werden, um unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen oder einer baulichen Nutzung zuzuführen, insbesondere zur Schließung von Baulücken. Gemäß § 175 BauGB kann bei der Anordnung auch ein dringender Wohnbedarf der Bevölkerung berücksichtigt werden. Frage 10: Wie werden sich Senat und Bezirke zum Thema Baugebot austauschen, um von dem Instrument künftig Gebrauch zu machen; wie unterstützt der Senat dabei die für den Ausspruch von Baugeboten zuständigen Bezirke? Antwort zu 10: Die Thematik Baugebot wird Gegenstand der kommenden Amtsleitersitzung mit den bezirklichen Stadtplanungsämtern sein. Das für das Bauplanungsrecht zuständige Grundsatzreferat der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wird in diesem Rahmen über Inhalt und Reichweite des Baugebotes informieren und entsprechende Hilfestellung anbieten. Darüber hinaus steht das zuständige Referat jederzeit für Rückfragen zur Verfügung. Frage 11: Wenn von einem Bezirk ein Baugebot ausgesprochen würde und es in diesem Zuge zur Übernahme des Grundstücks durch „die Gemeinde“ (§176 Abs. 4 BauGB) käme, würde dann der Bezirk als „Gemeinde“ den Verkehrswert aufbringen müssen oder käme es zu einem finanziellen Ausgleich durch das Land Berlin? Antwort zu 11: Die Anordnung von Baugeboten obliegt grundsätzlich den Bezirken. Bei der Prüfung, ob ein Baugebot angeordnet werden sollte, müssen die Bezirke die Möglichkeit der Übernahme des Grundstücks berücksichtigten und gegebenenfalls die Finanzierung des Kaufpreises sicherstellen. Berlin, den 28.05.19 In Vertretung Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen