Drucksache 18 / 18 945 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina Jarasch (GRÜNE) vom 17. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2019) zum Thema: Gefährdergewahrsam als Abschiebegewahrsam und Antwort vom 27. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 2 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Bettina Jarasch (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/18 945 vom 17. Mai 2019 über Gefährdergewahrsam als Abschiebegewahrsam ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.a) Wie definiert der Senat den Begriff „Gefährder“? Zu 1.a): Eine einheitliche Definition des Senats kann nicht mitgeteilt werden, da die Definition jeweils im Sachzusammenhang erfolgt. b) Ist die Aussage des Sprechers der Innenverwaltung vom 08. Mai tatsächlich als eine Ausweitung des Nutzungszwecks des Gefährdergewahrsams zu verstehen und wenn ja, auf Grundlage welcher Vereinbarung bzw. Ermächtigung erfolgt diese Ausweitung des Nutzungswecks? Zu 1.b): Der Senat hat nach dem Anschlag am Breitscheidplatz unverzüglich reagiert und Konsequenzen gezogen. Anfang 2017 hat er ein Präventions- und Sicherheitspaket beschlossen. Damit hat der Senat sich zu einer konsequenten Nutzung der Abschiebungshaft für Personen mit besonderem Gefährdungspotenzial bekannt. In der Folge wurde durch Senatsbeschluss festgelegt, die Liegenschaft Kirchhainer Damm als spezielle Hafteinrichtung zum Vollzug der Abschiebungshaft von Gefährdern zu nutzen . Die Personengruppe wurde durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport näher konkretisiert und dies in der Sitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 12. November 2018 mitgeteilt. c) Falls tatsächlich die Nutzung des Gefährdergewahrsams auch als Ausreisegewahrsam geplant ist, inwiefern versteht der Senat das als Umsetzung des Koalitionsvertrags vom Dezember 2016, in dem es heißt, dass die rot-rot-güne Koalition „Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen hält“? Seite 2 von 2 Zu 1.c): Eine Nutzung als Ausreisegewahrsam im Sinne von § 62b Aufenthaltsgesetz (Aufenth G) ist nicht geplant. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 b) verwiesen. 2. Wie wirkt sich hierzu das aktuell anhängige Vorlageverfahren des BGH vor dem EuGH (zur Frage der Vereinbarkeit des § 62a Abs. 1 S. 2 AufenthG mit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie (RiLi) 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) aus? Zu 2.: Eine abschließende Antwort ist erst dann möglich, wenn die Entscheidung des EuGH vorliegt. Voraussichtlich ergeben sich keine Konsequenzen, da in Berlin aktuell keine Unterbringung von Abschiebungshäftlingen in Strafvollzugsanstalten erfolgt. 3. Wie lautet die rechtliche Definition von „erhebliche Gefahr für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit“ im Sinne des § 2 Absatz 14 Nr.5a. AufenthG? Zu 3.: Die zitierten Worte stellen die gesetzliche Definition für einen möglichen konkreten Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr dar. Dies bringt die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 179/17) zum Ausdruck. Ergänzende Ausführungen können der Gesetzesbegründung in der Drucksache entnommen werden. 4. Unter welchen Voraussetzungen soll von einer „Fluchtgefahr“ ausgegangen werden, wegen der ein Gefährdergewahrsam nach § 62 Abs.3 Nr.5 iVm § 2 Absatz 14 Nr.5a. AufenthG zulässig sein soll? Wer trägt die Beweislast für eine Vorlage der Fluchtgefahr und auf welcher Ermächtigungsgrundlage ? Zu 4.: Ob die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft vorliegen, wird im konkreten Einzelfall vom zuständigen Amtsgericht überprüft. Die Ausländerbehörde legt in ihrem Antrag die Gründe dar, warum nach ihrer Auffassung eine Fluchtgefahr vorliegt unter Bezugnahme auf die in der Frage genannten Normen. Ergänzend wird auf die Ausführungen im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung verwiesen, hierzu siehe auch die Antwort zu Frage 1 b). 5. 5. Stimmt der Senat der Einschätzung zu, wonach der im Koalitionsvertrag vereinbarte Paradigmenwechsel von einer reinen Abschiebepolitik zu einer Förderung der freiwilligen Rückkehr bedeutet , dass Rückkehrförderung und auch die Ausschöpfung der landesrechtlichen Möglichkeiten zur Aufenthaltsverfestigung Vorrang vor Abschiebungen haben und Abschiebungen insofern nur als ultima ratio Mittel der Wahl sein sollten? Zu 5.: Ja. Berlin, den 27. Mai 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport