Drucksache 18 / 19 021 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 24. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mai 2019) zum Thema: Sicherheit in Kirchen II und Antwort vom 12. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19 021 vom 24. Mai 2019 über Sicherheit in Kirchen II ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Auf meine Anfrage 18/18717 hat der Senat eine inhaltliche Beantwortung pauschal verweigert und begründet dies damit, eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort könne zu allen genannten Adressen nicht erfolgen, weil sich teilweise unter der Anschrift auch Privatwohnungen befänden, was einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung möglicherweise vorhandener Bewohner darstelle. Ganz ungeachtet dessen, dass es sich bei den erfragten Kennzahlen um Daten handelt, die zweifelsohne bei der Verwaltung bekannt sind, erhoben und verarbeitet werden und insoweit nicht dem Kontrollrecht des Parlaments entzogen sein können, entbindet das den Senat nicht von der Pflicht zur Beantwortung der Anfrage, bei – unter entsprechender Begründung im Einzelfall – Einstufung als Verschlusssache VS-vertraulich oder höher nach § 50 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses, sonst direkt im dafür vorgesehenen Geschäftsgang. Dies vorausgeschickt, frage ich erneut: 1. Sofern jeweils Fragen zu 2) 1-313) nicht beantwortet werden: a) bei welchen der genannten Anschriften handelt es sich (auch) um Privatwohnungen? b) wie viele Personen sind unter diesen Adressen im Sinne der Frage zu 1) in jedem Einzelfall in den Jahren 2014 bis 2018 gemeldet gewesen (Verlauf, Veränderungen bitte nach Monaten angeben)? c) inwieweit handelt es sich um personenbezogene Daten, wenn eine Zuordnung der Taten zu bestimmten, namentlich gar nicht bekannten Personen– jedenfalls bei mehr als einer im Gebäude gemeldeten Person - nicht möglich ist und zudem – nach der Antwort des Senats auf meine Anfrage 18/14049, dort Seite 23 – die Antwort nicht die Taten in den Gebäuden oder zumindest unmittelbar vor den Gebäuden zeigen soll, sondern auch in der näheren Umgebung zeigen soll? (vgl. Anfrage 18/14049: „Diese Straftaten müssen jedoch nicht zwingend einen Bezug zu den aufgelisteten schulischen Einrichtungen haben. Sie können sich auch im Nahbereich der Schulen ereignet haben.“) d) in Erfüllung einer etwaigen Konfrontationsobliegenheit: auf welche verfassungsgerichtliche Rechtsprechung stützt der Senat konkret seine in der Antwort auf meine Anfrage 18/18717 wiedergegebene Auffassung? 2. Wie viele Delikte, gruppiert nach den Deliktarten (bitte analog zur Antwort des Senats auf meine Anfrage Drucksache 18/16654 unter gesonderter Ausweisung von Taten nach § 167 StGB, § 303 StGB und §§ 306 – 306 f StGB), haben sich unter den folgenden Anschriften in den Jahren 2014 Seite 2 von 3 bis 2018 jeweils pro Jahr und wie viele bisher in 2019 ereignet? (bitte also eine tabellarische Aufstellung nach Deliktarten aller erfassten Straftaten unter der jeweiligen Adresse). Zu 1. und 2.: Die in der Schriftlichen Anfrage Drs. 18/18717 erbetene Übersicht über die in den polizeilichen Datenbeständen erfassten Straftaten an 313 (teils mehrfach genannten) Anschriften wird gesondert als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch – übermittelt. Eine Veröffentlichung der adressengenauen Übersicht hat zum Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der unter den Anschriften zum Teil lebenden Personen zu unterbleiben. Der gemäß Art. 45 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verbürgte Informationsanspruch der Abgeordneten wird nach gefestigter Rechtsprechung durch das Gewaltenteilungsprinzip, welches den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung schützt, das Staatswohl, Grundrechte Dritter, den aus dem Verfassungsgebot zu gegenseitiger Rücksichtnahme der Verfassungsorgane folgenden Schutz der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung sowie das Verbot seiner missbräuchlichen Inanspruchnahme begrenzt (jüngst: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 20. März 2019 – VerfGH 92/17 –, juris-Rn. 21). Im Rahmen der danach von Verfassung wegen gebotenen Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses gegen das betroffene Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kam bei der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Drs. 18/18717 letzterem ausschlaggebendes Gewicht zu. So besteht bei der adressgenauen Veröffentlichung von in oder an bestimmten Wohngebäuden begangenen Straftaten die Gefahr, dass diese einzelnen Bewohnern oder Bewohnerinnen eines Gebäudes zugeordnet werden können. Dabei ist es aufgrund des hohen Schutzgutes für die Gewichtung unerheblich, ob sich diese Zuordnung aus den örtlichen Gegebenheiten – z.B. nur eine Bewohnerin oder ein Bewohner im Gebäude – oder aus Dritten (z.B. Nachbarn, Arbeitskollegium) bekannten Zusatzinformationen ergibt. Bereits die Tatsache, dass eine Person unter einer Anschrift wohnt, zu der in den polizeilichen Datenbeständen beispielsweise eine deutlich überdurchschnittliche Anzahl an Straftaten erfasst ist, ist ein personenbeziehbares Datum, das stigmatisierende Wirkung haben kann und daher verfassungsrechtlichem Schutz hinsichtlich seiner Preisgabe gegenüber der Öffentlichkeit unterliegen muss. Demgegenüber hat der Senat der mit einer unterbleibenden Veröffentlichung einhergehenden, im hiesigen Fall vergleichsweise geringfügigen Einschränkung der politischen Verwertbarkeit der Auskunft ein geringeres Gewicht beigemessen. Soweit das Informationsinteresse des Fragestellers entsprechend der von ihm gewählten Überschrift der Anfrage darauf gerichtet ist, die Sicherheit an und um Kirchen bzw. kirchlichen Einrichtungen zu erkunden, ist es ihm durch die zunächst angebotene Akteneinsicht und erst recht durch die nun erfolgende Übermittlung als Verschlusssache ohne Weiteres möglich, sich ein präzises Bild zu machen und dieses auch ohne die Zuordnung konkreter Straftaten zu konkreten (Wohn-) Anschriften in der parlamentarischen Arbeit politisch weiter zu verwerten, wie dies die Rechtsprechung regelmäßig verlangt (vgl. jüngst BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 -). Die widerstreitenden Belange von Verfassungsrang werden dadurch in einen angemessenen Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz gebracht. Der Senat ist zudem der Auffassung, dass er die Gewichtung der Gefahr der Verletzung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung Dritter vor allem angesichts der mit der unterbleibenden Veröffentlichung einhergehenden nur geringfügigen Einschränkungen der politischen Verwertbarkeit im Rahmen der Seite 3 von 3 gebotenen Abwägung aufgrund einer pauschalen Betrachtung der angefragten 313 Anschriften vornehmen darf, ohne die Nutzung der Anschriften als Wohnung durch einzelne oder mehrere Bewohnerinnen oder Bewohner anhand des Melderegisters händisch überprüfen zu müssen. Es erwies sich bei einer Prüfung von sechs der fragengegenständlichen Adressen, dass unter fünf dieser Anschriften teils eine zweistellige Zahl an Personen melderechtlich gemeldet und sich unter diesen Anschriften nicht allein Gebäude mit ausschließlich sakraler Nutzung fanden. Berlin, den 12. Juni 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport