Drucksache 18 / 19 023 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 24. Mai 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mai 2019) zum Thema: Chancen und Risiken der selbstständigen Einziehung und Antwort vom 11. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Jun. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19023 vom 24. Mai 2019 über Chancen und Risiken der selbstständigen Einziehung -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach einer Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft vom 29.04.2019 seien „im Juli 2018 insgesamt 77 Immobilien beschlagnahmt worden“, wobei „die Staatsanwaltschaft 62 richterliche Beschlüsse zur Beschlagnahme der Mieteinnahmen und zur Durchsuchung von Objekten erwirkt“ habe. Weiter heißt es dort: „…sollen die mutmaßlichen kriminellen Gewinne aus insgesamt 45 Mietobjekten, darunter mehrere Mehrfamilienhäuser und insgesamt über 100 Mietverhältnisse gesichert werden. Die Beschlüsse beziehen sich auf die direkten Mieteinnahmen von den Mietern, die Auszahlungsansprüche der Tatverdächtigen gegen die von Ihnen eingesetzten Hausverwaltungen sowie die Konten der Tatverdächtigen, auf denen Mieteinnahmen direkt eingehen.“ In der Presseberichterstattung - so etwa in der Berliner Zeitung vom 17.02.2019 - ist immer wieder von unterschiedlichen Eigentümern die Rede, die im Ausland lebende, ausländische Staatsbürger sein sollen. a) Welcher Art sind die 77 beschlagnahmten Immobilien (e.g. x Mehrfamilienhäuser, y Eigentumswohnungen , z unbebaute Grundstücke, zz Garagen, zzz Einfamiloenhäuser etc.)? b) Inwieweit unterscheiden sich die „77 beschlagnahmten Immobilien“ von den „45 Mietobjekten“? Sind also Objekte beschlagnahmt worden, die nicht vermietet sind oder waren? c) Wie viele unterschiedliche natürliche oder juristische Personen (inkl. etwaiger BGB-Gesellschaften) sind als Eigentümer dieser 77 Immobilien im Grundbuch eingetragen? d) Wie viele dieser natürlichen Personen sind a) deutsche Staatsbürger, b) wie viele Ausländer mit deutschem Wohnsitz, c) wie viele Ausländer mit ausländischem Wohnsitz, d) wie viele Deutsche mit ausländischem Wohnsitz? e) Bei wie vielen der 77 Immobilien war bei Beschlagnahme in der Abteilung 3 des Grundbuchs (Hypotheken ) bereits eine Eintragung vorgenommen worden? f) Wie viele dieser Eintragungen lauten zu Gunsten eines inländischen Kreditinstituts, wie viele zu Gunsten eines ausländischen Kreditinstituts? g) In welcher Gesamthöhe in Euro liegen diese Eintragungen zu f) vor? h) In wie vielen Fällen erreichen oder übersteigen diese Grundschulden den beurkundeten Kaufpreis der Immobilie? Zu 1 a): Es handelt sich bei den sichergestellten Objekten um Mehrfamilienhäuser, einzelne Einheiten von Wohnungseigentumsgemeinschaften sowie in einem Fall um einen Teil einer ehemaligen Kleingartenkolonie. Eine statistische Erhebung in der gewünschten Form erfolgt nicht. 2 Zu 1 b): Einige der Immobilien werden von den Beschuldigten selbst genutzt. Andere stehen leer bzw. werden durch die Beschuldigten saniert. Die Beschlagnahme der Immobilien im Juli 2018 umfasste daher auch nicht vermietete Objekte. Zu 1 c): Es sind acht natürliche Personen und zwei Gesellschaften - beide in Form einer Unternehmergesellschaft (UG) - in den Grundbüchern als Eigentümer vermerkt. Zu 1 d): Einer der beschuldigten Immobilieneigentümer hat einen Wohnsitz in der Bundesrepublik und eine ausländische Staatsbürgerschaft. Zwei Beschuldigte, welche Eigentümer von Immobilien sind, leben in der Republik Libanon und verfügen nach hiesigem Kenntnisstand über die dortige Staatsbürgerschaft. Die weiteren fünf Beschuldigten, welche über von dem Verfahren betroffenes Immobilieneigentum verfügen, leben im Bundesgebiet und sind deutsche Staatsangehörige. Zu 1 e): Soweit Belastungen zugunsten privater Gläubiger vorhanden waren, wurden diese von den Beschuldigten mit Erwerb der Immobilien soweit möglich abgelöst. Noch vorhandene Eintragungen betreffen Ansprüche öffentlich-rechtlicher Gläubiger. Zu 1 f): Eine Immobilie ist zugunsten eines inländischen Kreditinstitutes belastet. Grundbucheintragungen zugunsten ausländischer Kreditinstitute liegen nicht vor. Zu 1 g) : 800.000,00 Euro. Zu 1 h): In keinem Fall. 2. Auf welcher exakten rechtlichen Grundlage wegen welches konkreten Tatvorwurfs erfolgten diese Beschlagnahmen ? Gibt es hierzu bzw. zu § 76a StGB und § 437 StGB bereits eine gefestigte höchstrichterliche oder zumindest obergerichtliche Rechtsprechung? Zu welchen Aktenzeichen welches Gerichts? Zu 2.: Die Beschlagnahme der Immobilien erfolgte auf der Grundlage der §§ 111b, 111 c Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. §§ 261, 74 Strafgesetzbuch (StGB). Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 76a StGB bzw. § 437 StPO ist angesichts der Tatsache, dass die Normen in dieser Form erst seit 1. Juli 2017 Bestand haben , bisher noch nicht feststellbar. 3. Wie konkret nach welchen zeitlichen Vorgaben in welchem Rechtszug erfolgt die gerichtliche Überprüfung der Beschlagnahmen? Wie lange kann eine derartige Beschlagnahme grundsätzlich aufrecht erhalten werden? Zu 3.: Gegen die Beschlagnahmeentscheidungen ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO gegeben. Zunächst entscheidet das Amtsgericht Tiergarten, ob der Beschwerde abgeholfen wird. Dies war vorliegend nicht der Fall. Sodann entscheidet das Landgericht Berlin über die Beschwerden. Diese Entscheidungen stehen noch aus. Eine explizite zeitliche Begrenzung für die Maßnahmen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Diese Frage beurteilt sich nach Verhältnismäßigkeitserwägungen, in die unterschiedliche Faktoren einfließen. 4. Wird im Fall einer rechtskräftigen Bestätigung der Maßnahmen die Abteilung 3 des Grundbuchs zu den betroffenen Objekten entschädigungslos gelöscht oder übernimmt das Land Berlin diese Objekte mit den Grundbuchlasten? Zu 4.: Die Übernahme erfolgt grundsätzlich mit den Grundbuchlasten, es sei denn, diese sind ebenfalls von den Maßnahmen der Vermögensabschöpfung betroffen. 3 5. Sofern einzelne Objekte darlehensfinanziert worden sind: sind nach Kenntnis des Senats diese Darlehen zwischenzeitlich gekündigt bzw. fällig gestellt worden? Bezahlt bei diesen Objekten das Land Berlin die etwaigen Annuitäten an die finanzierenden Institute? Zu 5.: Nur ein Objekt ist mit einem Bankdarlehen belastet. Über eine Kündigung des Kreditvertrages ist nichts bekannt. Eine Zahlung der Raten durch das Land Berlin erfolgt nicht, da keine Zwangsverwaltung für die Immobilien besteht. 6. Sofern die Annuitäten nicht bedient werden und finanzierende Kreditinstitute Darlehen kündigen und - nebst einem Vorfälligkeitsentgelt - fällig stellen sollten, wer trägt diesen Schaden, wenn die Gerichte die Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht bestätigen sollten? Die eingetragenen Eigentümer, die etwaig finanzierenden Banken oder die Landeskasse? Zu 6.: Der Senat beantwortet keine Fragen, die sich auf hypothetische Vorgänge bezieht. 7. Wer/welche Stelle übernimmt gegenwärtig die Verwaltung der betroffenen Objekte? Zu 7.: Die Verwaltung der Objekte erfolgt weiterhin durch die Eigentümer bzw. durch von diesen beauftragte Hausverwaltungen. 8. Werden oder wurden diese Objekte ganz oder teilweise zur Unterbringung von Asylbewerbern oder Obdachlosen genutzt? Falls ja, wie viele Objekte mit welcher rechnerischen Personenkapazität? Zu 8.: Nach dem Kenntnisstand der Staatsanwaltschaft Berlin wurde bzw. wird ein Objekt für die Unterbringung von Asylbewerbern genutzt. Diese Immobilie verfügt über sechs Wohneinheiten. Berlin, den 11. Juni 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung