Drucksache 18 / 19 822 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm (LINKE) vom 04. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juni 2019) zum Thema: Versand von Drohbriefen an Orte und Personen der linken Szene durch einen Angehörigen der Berliner Polizei (III) und Antwort vom 20. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) und Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19822 vom 04. Juni 2019 über Versand von Drohbriefen an Orte und Personen der linken Szene durch einen Angehörigen der Berliner Polizei (III) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Im Dezember 2017 verschickte ein Angehöriger der Berliner Polizei unter Verwendung von personenbezogenen Daten und Erkenntnissen aus Polizeidatenbanken und Datenbanken von Einwohner*innen-Meldeämtern Drohbriefe an vermeintliche Angehörige der „linken Szene“ in Berlin. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten K. ist mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe abgeschlossen worden. Laut eines rbb-Berichts vom 21.02.2019 (https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/02/drohbriefeberlin -polizist-linke-szene-helfer.htm) wurde die Lebensgefährtin des Herrn K., Kriminalkommissarin P., die im polizeilichen Staatsschutz des LKA tätig war und im zeitlichen Umfeld der Verschickung der Drohbriefe personenbezogene Daten der Betroffenen aus dem polizeilichen Datenbanken abfragte, nur als Zeugin in dem Ermittlungsverfahren geführt. – Aus welchen Gründen haben Polizei und Staatsanwaltschaft keine einen Anfangsverdacht begründenden Anhaltspunkte für eine mögliche Tatbeteiligung gesehen, um gegen P. ein Disziplinar- oder Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit einzuleiten? Zu 1.: Ein zur Aufnahme von Ermittlungen berechtigender und verpflichtender Anfangsverdacht besteht gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO), soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat gegeben sind. Im Rahmen der Ermittlungen gegen den Beschuldigten haben sich indes keinerlei Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung der Kriminalkommissarin P. ergeben. Zudem hat der Beschuldigte eingeräumt, die Tat allein begangen zu haben. 2. Trifft es zu, dass, wie dem Jahresbericht 2018 der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) auf S. 56 zu entnehmen ist, die Untersuchung eines Original- Exemplars der versendeten Briefe unter den Gesichtspunkten Druckerseriennummer, Papierart und Fingerabdrücke als Ermittlungsschritt auf eine Empfehlung der BlnBDI zurückgeht und nicht vom LKA selbst veranlasst wurde? Bitte begründen. Seite 2 von 4 Zu 2.: Nein. Das für die Aufklärung des Sachverhalts entscheidende Ermittlungsergebnis lag bereits am 13.03.2018 auf Betreiben der Polizei Berlin vor. Das Schreiben der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI), in dem eine solche Untersuchung empfohlen wird, ist auf den 16.03.2018 datiert. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat darüber, ob der Polizeibeamte K. die personenbezogenen Daten der Betroffenen mit anderen Kolleg*innen zu außerdienstlichen Zwecken oder mit anderen Personen außerhalb des Polizeidienstes rechtswidrig geteilt oder öffentlich zugänglich gemacht hat, und wie kann die Polizei ausschließen, dass personenbezogene Daten aus diesen Dateien anderen Personen zugänglich gemacht wurden? Zu 3.: Die Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte die Daten mit anderen Personen geteilt oder öffentlich zugänglich gemacht haben könnte. 4. Laut des unter 1. genannten rbb-Berichts seien im Rahmen von Haus- und Bürodurchsuchungen bei dem Polizeibeamten K. die personenbezogenen Daten der Betroffenen unter anderem in „Präsentationen“ etwa im PowerPoint-Format gefunden worden. a. Welche Erkenntnisse hat der Senat über mögliche Adressat*innen dieser „Präsentationen“, die ihrem Charakter nach die Vermutung zulassen, dass die darin enthaltenen Informationen nicht nur für K. selbst bestimmt, sondern gegenüber einem Publikum „präsentiert“ werden sollten? b. Enthalten die „Präsentationen“ bestimmte Formulierungen, die auf eine Interaktion mit einem Publikum hindeuten? Wenn ja, welche im Einzelnen? c. Enthalten die „Präsentationen“ Hinweise darauf, wann, wo und in welchem Rahmen diese möglicherweise gehalten wurden oder gehalten werden sollten? Wenn ja, welche im Einzelnen mit welchen Orten, Zeiten und Anlässen? d. Welche Ermittlungsschritte schlossen sich im Einzelnen an das Auffinden dieser „Präsentationen“ an? Zu 4a. und 4b: Bei der Durchsuchung der Wohnräume des Beschuldigten wurde auf einem dienstlich gelieferten USB-Stick eine PowerPoint-Datei aufgefunden. Es liegen keine Hinweise vor, die auf eine Interaktion mit einem Publikum hindeuten. Zu 4c.: Entsprechende Hinweise liegen nicht vor. Zu 4d.: Es wurden keine weiteren Ermittlungsschritte im Sinne der Frage unternommen, da hierzu keine Veranlassung bestand. 5. Hat die Berliner Polizei seit Beantwortung unserer Schriftlichen Anfrage vom 25. Januar 2019 (Drs. 18/17665) weitere Auskünfte an die BlnBDI zum oben genannten Sachverhalt übermittelt? Wenn ja, wann und welche genau? Wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Ja. Die Polizei Berlin hat an die BlnBDI seit 25. Januar 2019 folgende Auskünfte übermittelt: Seite 3 von 4 Schreiben vom 11.02.2019: Mitteilung über Informationen zur Einlassung des Beschuldigten, zu polizeilichen Maßnahmen zur Aufklärung der Herkunft der Daten und zu organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Verstöße dieser Art Schreiben vom 27.03.2019: Mitteilung, warum fehlende Kopien von Protokolldaten nicht übersandt werden können; Erläuterungen zur Möglichkeit der Speicherung von Daten aus POLIKS außerhalb des Systems; Informationen zur Klärung etwaiger weiterer tatbeteiligter Personen; weitere Informationen zur Umsetzung technisch-organisatorischer Maßnahmen Schreiben vom 11.04.2019: Übersendung weiterer Protokolldaten; Informationen zur Berechtigung der Speicherung von POLIKS-Daten durch den verurteilten Polizisten außerhalb des Systems. 6. Hat die Berliner Polizei bis heute alle Auskunftsanfragen der BlnBDI zum oben genannten Sachverhalt vollumfänglich beantwortet? Wenn nein, welche Anfragen sind noch nicht oder nicht vollständig beantwortet? Zu 6.: Ja. 7. Liegen dem Senat weitere seit Beantwortung unserer Schriftlichen Anfrage vom 25. Januar 2019 möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse darüber vor, auf welche Weise der Polizeibeamte K. insbesondere an jene personenbezogenen Daten und Informationen über die Betroffenen gelangen und sie auf privaten Datenträgern rechtswidrig speichern konnte, die in der Zeit nach Ende seiner Beschäftigung im polizeilichen Staatsschutz im Jahr 2015 entstanden sind? Wenn ja, welche konkret? Zu 7.: Nein. 8. Wurde im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen den Polizeibeamten K. geprüft, ob eine direkte oder indirekte Weitergabe der von K. rechtswidrig verwendeten Adressen oder anderer personenbezogener Daten an mutmaßliche Täter der seit Mai 2016 im Bezirk Neukölln verübten rechten Brandschläge oder Sachbeschädigungen gegen Kraftfahrzeuge, Bedrohungen durch rechte Graffiti oder Stein- bzw. Farbflaschenwürfe gegen Wohnhäuser stattgefunden haben könnte? Wenn ja, mithilfe welcher genauen Ermittlungsschritte und mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? Zu 8.: Eine entsprechende Prüfung erfolgte nicht, da keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Sachzusammenhang zwischen den Taten vorlagen. 9. Wie viele derjenigen Personen, von denen der Polizeibeamte K. personenbezogene Daten für außerdienstliche Zwecke gespeichert hatte oder von denen dieser personenbezogene Daten in den Drohbriefen verwendete, sind seit Mai 2016 im Bezirk Neukölln Opfer von Brandschlägen oder Sachbeschädigungen gegen ihre Kraftfahrzeuge, Bedrohungen durch rechte Graffiti oder Steinbzw . Farbflaschenwürfe gegen ihre Wohnhäuser geworden? Zu 9.: Entsprechende Erkenntnisse liegen hier nicht vor. Seite 4 von 4 10. Ist das im Zusammenhang mit der Versendung der Drohbriefe eingeleitete Disziplinarverfahren bereits abgeschlossen und wenn ja, mit welchem Ausgang? Zu 10.: Das Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Berlin, den 20. Juni 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport