Drucksache 18 / 19 832 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) vom 05. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juni 2019) zum Thema: Rentabilität und wohnungspolitischer Nutzen von Hochhäusern und Antwort vom 24. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19 832 vom 05.06.2019 über Rentabilität und wohnungspolitischer Nutzen von Hochhäusern Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Liegen dem Senat immobilienwirtschaftliche Gutachten vor, um Aussagen treffen zu können zu: Wie teuer sind Hochhäuser im Vergleich zu Gebäuden mit einer Höhe von bis zu 22 Metern bei der Errichtung pro m² BGF? Ab welcher Höhe steigen die Baukosten signifikant an; wodurch wird der Anstieg der Kosten verursacht? Welche Berechnungsgrundlagen liegen der Kostenkalkulation zu Grunde (bitte Richtwerte o.ä. nennen)? Antwort zu 1: Das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen beauftragte Gutachten „Immobilienwirtschaftliche Voraussetzungen, Folgen und Steuerungsmöglichkeiten von Hochhausneubauten in Berlin“ (Büro ProStadt, Mai 2018) kommt zu folgenden Aussagen: „Die Herstellungskosten von Hochhäusern sind in aller Regel höher als bei Häusern unterhalb der Hochhausgrenze und sie steigen mit der Gebäudehöhe, weil die Brandschutzanforderungen zunehmen und die Planungs- und Entwicklungskosten aufgrund komplexer und oft langwieriger Genehmigungsprozesse relativ hoch sind. Neben den strukturbedingt höheren Baukosten (Aufzüge, Fassade, Gebäudetechnik, Tragwerk etc.) liegen weitere Bauzeit- und Kostenrisiken bei: - einer begrenzten Zahl von Baufirmen, die in der Lage sind, Hochhäuser als Generalunternehmer zu bauen; - zusätzlichen Wegezeiten für Arbeitskräfte zum Arbeitsort; - längeren Bauzeiten mit höherer Anfälligkeit für Störungen; - der komplexen Baustellensicherung und –belieferung; - besonderen Baugeräten und Schalverfahren etc.“ 2 Detailliertere Aussagen können nicht getroffen werden, da keine öffentlichen Hochhausbauvorhaben jüngeren Datums als Referenzprojekte vorliegen und Markt- und Baukostenanalysen für private Bauvorhaben von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht durchgeführt werden. Frage 2: Liegen dem Senat Informationen darüber vor, wie hoch die Angebotsmieten in Hochhäusern ab 60 Meter in mittlerer Stadtlage sind und wie hoch die Quadratmeterpreise für dortige Eigentumswohnungen? Antwort zu 2: Aufgrund der geringen Anzahl an Angebotsfällen ist eine valide Aussage zu den durchschnittlichen Angebotsmieten und Quadratmeterpreisen von Eigentumswohnungen in Hochhäusern ab 60 Meter (20 Stockwerke und mehr) für dieses Teilmarktsegment nicht möglich. Frage 3: Welche Grundstückswerte weisen Grundstücke laut Gutachterausschuss in Berlin aktuell auf, für die ein Baurecht für Gebäude über 22 Meter Höhe besteht (bitte Spanne benennen)? Antwort zu 3: Die Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Der Grundstückswert derartiger Grundstücke kann aufgrund ihrer einzelfallbezogenen Rahmenbedingungen nur individuell ermittelt werden. Insofern besitzt der Gutachterausschuss keine entsprechende Übersicht. Der Gutachterausschuss hat Bodenrichtwerte für Bereiche wie z.B. das Märkische Viertel, die Gropiusstadt oder Plattenbausiedlungen im Ostteil der Stadt, in denen die Gebäude häufig eine Höhe über 22 Meter aufweisen, ermittelt, geht aber bei der Angabe eines zugeordneten typischen Maßes der realisierbaren baulichen Nutzung von der planungsrechtlichen Gesamtsituation, also unter Berücksichtigung der großen Freiflächen zu den Grundstücken aus. Bei dieser Betrachtung findet das einzelne Gebäude mit einer entsprechenden Höhe keine Berücksichtigung. Sofern Hochhäuser in einer Bodenrichtwertzone als Solitär auftreten, prägen sie die Nutzung nicht und ihnen wird kein gesonderter Bodenrichtwert zugewiesen. Die Abhängigkeit des Bodenwertes vom Maß der realisierbaren baulichen Nutzung (GFZ) ist dem Gutachterausschuss durch eigene Untersuchungen bekannt. Die Untersuchungen zeigen: Je höher das Maß der realisierbaren baulichen Nutzung desto höher der Bodenwert. Er hat zur Berücksichtigung dieser Abhängigkeit Umrechnungskoeffizienten veröffentlicht. Diese berücksichtigen allerdings nur eine GFZ bis 7,0, da im Betrachtungszeitraum der Untersuchung Grundstücke mit einer höheren baulichen Nutzung nicht veräußert worden sind. Eine Extrapolation der vorhandenen Umrechnungskoeffizienten auf ein höheres Maß der baulichen Nutzung ist fachlich problematisch, da die Wechselwirkung zwischen steigender Geschossflächenzahl, steigenden Baukosten und dadurch ggfs. veränderter Rentierlichkeit aus eigenen Untersuchungen nicht bekannt ist. Frage 4: Ab welchen Kosten für das Grundstück und die Errichtung eines Hochhausbaus ist geförderter Wohnungsbau nach den Förderrichtlinien des Landes Berlin nicht mehr realisierbar und ab welcher Höhe ist dies der Fall? 3 Antwort zu 4: Nach den aktuellen Wohnraumförderungsbedingungen (WFB 2018) sind Geschosswohnungsbauten unabhängig von ihrer Höhe förderfähig. Ob die Förderhöhe nach den WFB 2018 ausreicht, um die Renditeerwartung eines Investors zu befriedigen, hängt von zahlreichen Faktoren (Gestehungskosten, Betrachtungszeitraum, Einsatz von Eigenkapital, Finanzmarktbedingungen, Bonität des Investors, Nutzungsmischung im Gebäude, Verhältnis geförderter-ungeförderter Anteil an Flächen, Vermietungs- bzw. Vermarktungsmöglichkeiten des ungeförderten Anteils u.v.m.) des Einzelfalls ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Die in Vorbereitung befindlichen WFB 2019 (Hauptausschussvorlage rote Nummer 1795) sehen eine Verbesserung der Förderkonditionen vor, um die Förderung an die deutlich gestiegenen Bau- und Grundstückskosten anzupassen und vermehrt private Investoren an der Schaffung von belegungsgebundenem Wohnraum zu beteiligen. Frage 5: Liegen dem Senat Informationen vor, um Aussagen darüber treffen zu können, welche anderen Nutzungen den Bau eines Hochhauses wirtschaftlich machen, wenn die Errichtung geförderten Wohnungsbaus nicht mehr realisierbar ist? wie hoch dabei die durchschnittlichen Kosten für die Errichtung von freifinanziertem Wohnraum pro Quadtrameter Wohnfläche sind und welche kalkulatorischen Miethöhen dabei unter wirtschaftlicher Betrachtung entstehen? welcher Nutzungsmix von Einzelhandelsflächen, Büronutzung, Hotel und Wohnen zugrundegelegt wird, um das Projekt wirtschaftlich darzustellen? ab welcher Gebäudehöhe ein Hochhaus für eine ausschließliche Wohnnutzung unrentabel ist (bitte unterscheiden zwischen Miet- und Eigentumswohnungen)? Antwort zu 5: Nein, derartige Informationen liegen nicht vor (vgl. Antworten zu 1. und 2.). Frage 6: Beabsichtigt der Senat, in Bebauungsplänen sowie im Hochhausentwicklungsplan bzw. als Auflage im Baugenehmigungsverfahren einen Anteil geförderter Wohnungen für Hochhäuser festzulegen? Wenn ja, bis zu welcher Höhe wäre dies wirtschaftlich darstellbar? Antwort zu 6: Die planungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen für ein Hochhausvorhaben werden in der Regel nur durch ein Bebauungsplanverfahren zu schaffen sein. Die Anwendungsvoraussetzungen des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung gelten selbstverständlich auch, wenn mit einem Bebauungsplanverfahren für Hochhäuser die planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben mit Wohnnutzung herbeigeführt wird. Das Berliner Modell legt den Anteil an mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen, bezogen auf die Geschossfläche Wohnen, auf grundsätzlich 30 % fest. Entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen (sowie ergänzende Regelungen in städtebaulichen Verträgen) sind im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Das Hochhausleitbild für Berlin wird diesbezügliche Hinweise und Erläuterungen enthalten. Konkrete Aussagen zur wirtschaftlichen Darstellbarkeit kann die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht treffen (vgl. Antworten zu 1. und 2.). 4 Frage 7: Hält der Senat innerstädtische Hochhäuser für eine zielfördernde Option, um der Nachfrage nach preiswertem bzw. leistbarem Wohnraum nachzukommen und bis zu welcher Höhe ist dieses Ziel wirtschaftlich darstellbar zu erreichen? Welche Beispiele kennt der Senat? Antwort zu 7: Hochhäuser können (unter den in der Antwort zu 6. dargestellten Voraussetzungen) eine Option zur Schaffung mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraums durch innerstädtische Nachverdichtungen angesichts begrenzten Bauflächenangebots sein. Konkrete Aussagen zur wirtschaftlichen Darstellbarkeit kann die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht treffen (vgl. Antworten zu 1. und 2.). Berlin, den 24.06.2019 In Vertretung Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen