Drucksache 18 / 19 893 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) vom 07. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2019) zum Thema: Einführung des anonymen Krankenscheins in Berlin und Antwort vom 27. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19893 vom 07. Juni 2019 über Einführung des anonymen Krankenscheins in Berlin ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Inwiefern war die medizinische (Notfall)Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung bisher nicht gewährleistet? Zu 1.: Für Menschen ohne Krankenversicherung und somit ohne Krankenversicherungskarte war der Zugang zur gesundheitlichen Regelversorgung bisher nicht möglich. In ernsten medizinischen Notfällen sind Ärztinnen und Ärzte und Krankenhäuser verpflichtet Hilfe zu leisten . 2. Inwiefern war die medizinische (Notfall)Versorgung für Menschen ohne Aufenthaltstitel bisher nicht gewährleistet ? Zu 2.: In ernsten medizinischen Notfällen sind Ärztinnen und Ärzte und Krankenhäuser verpflichtet Hilfe zu leisten. Sind Erstattungen nach §25 SGB XII oder § 6a AsylbLG nicht möglich, sind die Kosten für die medizinische Behandlung von den Patientinnen und Patienten zu tragen. 3. Ab wann soll der anonyme Krankenschein erhältlich sein? Zu 3.: Seit 31.05.2019 kann die Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen Kostenübernahmescheine für medizinische Behandlungen ausstellen. - 2 - 2 4. Welche medizinischen Leistungen sollen konkret mit dem anonymen Krankenschein übernommen werden ? Falls noch nicht geklärt: zu wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen? Zu 4.: Es werden Kostenübernahmescheine für medizinische Leistungen nach §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz ausgestellt. 5. Wie wird die Möglichkeit eines anonymen Krankenscheins beworben? Zu 5.: Vorrangiges Ziel der Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen ist die Vermittlung von nicht krankenversicherten Menschen in die gesundheitliche Regelversorgung über die Ermittlung von Leistungsansprüchen in der Sozialgesetzgebung. Die Übernahme der Kosten medizinischer Behandlungen ist Teil des Beratungsangebotes der Clearingstelle . Die Clearingstelle verfügt über eine Webseite, die über die Beratungsmöglichkeit informiert und ist sehr gut vernetzt mit anderen sozialen Einrichtungen in Berlin. Bis März 2019 wurden bereits ca. 8.000 Informationsflyer der Clearingstelle an Interessierte, Betroffene, Beratungseinrichtungen , Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen verteilt. Die Informationen auf dem Flyer sind auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Russisch, Türkisch und Bulgarisch und in einer zweiten Sprachversion auf Vietnamesisch, Polnisch, Rumänisch, Kroatisch, Arabisch, Persisch. Die Mitarbeiterinnen der Clearingstelle nehmen aktiv und regelmäßig an runden Tischen und Vernetzungstreffen teil und stellen das Beratungsangebot vor. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat alle Berliner Krankenhäuser und alle Bezirklichen Einrichtungen über das Beratungsangebot der Clearingstelle informiert. 6. Wie hoch schätzt der Senat die Missbrauchsgefahr eines anonymen Krankenscheins ein, z. B. durch Weitergabe , Mehrfachgebrauch oder Verkauf? Zu 6.: Der Senat schätzt die Gefahr des Missbrauches als nicht hoch ein. 7. Durch welche Kontrollmöglichkeiten will der Senat sicherstellen, dass der anonyme Krankenschein nicht missbraucht werden kann? Zu 7.: Die Beratung in der Clearingstelle kann von jedem Menschen ohne Krankenversicherung in Anspruch genommen werden. Die Kontrolle der Kostenübernahmescheine erfolgt durch mehrere Maßnahmen: ein Kostenübernahmeschein wird in der Regel nur nach persönlicher Sozial- bzw. Rechtsberatung ausgestellt. - 3 - 3 Der Kostenübernahmeschein ist begrenzt auf eine festgelegte Behandlungssumme und einen Behandlungsanlass (Verdachtsdiagnose). Kostenübernahmescheine können nur bei kooperierenden Krankenhäusern oder kooperierenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verwendet werden. Eine Kopie der Kostenübernahme wird als Kontrolle per Fax an diese Einrichtungen zugestellt. 8. Ist es erforderlich, dass Menschen bei der Beantragung eines anonymen Krankenscheins ihre Identität preisgeben? Zu 8.: Die Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Situation wie auch der Möglichkeit einer Absicherung im Regelsystem beinhaltet eine Klärung der persönlichen Umstände. 9. Können untergetauchte Asylleistungsbetrüger mit mehreren Identitäten einen anonymen Krankenschein erlangen, ohne in diesem Zusammenhang Angst vor der Aufdeckung ihrer Identität, vor der Verhaftung bzw. vor der Abschiebung haben zu müssen? Falls nein, bitte erläutern. Zu 9.: Die Frage kann nicht beantwortet werden, da sie widersprüchlich scheint. Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, sind nicht untergetaucht. Fragen zur Leistungsberechtigung nach Asylbewerberleistungsgesetz prüfen die jeweiligen Leistungsbehörden. 10. Können ausreisepflichtige Gefährder mit islamistischem Hintergrund einen anonymen Krankenschein erlangen, ohne in diesem Zusammenhang Angst vor der Aufdeckung ihrer Identität, vor der Verhaftung bzw. vor der Abschiebung haben zu müssen? Falls nein, bitte erläutern. Zu 10.: Eine vollziehbar ausreisepflichtige, mittellose Person unterliegt den Bedingungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (u.a. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), der Leistungskatalog beinhaltet medizinische Behandlungen. 11. Inwiefern stimmt der Senat der Aussage zu, dass durch einen anonymen Krankenschein der illegale Aufenthalt einer Person in Berlin indirekt unterstützt wird? 12. Inwiefern ist es das Ziel des Senats, den Menschen aus der Illegalität herauszuhelfen anstatt sie durch die Einführung eines anonymen Krankenscheins ggf. indirekt zu unterstützen? Zu 11. und 12.: Das Ziel der Clearingstelle ist die Ermittlung von Leistungsansprüchen in der Sozialgesetzgebung . Sind aktuell keine Leistungsansprüche herstellbar, kann aufgrund gesundheitlicher Beschwerden eine Kostenübernahme für medizinische Behandlungen ausgestellt werden. Auf diesem Weg werden Notlagen gelindert, der Aufenthaltsstatus wird durch die Behandlung nicht berührt. Voraussetzung für die Behandlung ist die sozial- und aufenthaltsrechtliche Beratung. Hier befindet sich eine enge Kooperation mit der Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten bei der Integrationsbeauftragten des Senats - 4 - 4 von Berlin im Aufbau. Sofern ein Weg in die aufenthaltsrechtliche Legalität rechtlich möglich ist, werden die Personen darin unterstützt, diesen Weg einzuschlagen. 13. Für die medizinischen Behandlungen im Rahmen des anonymen Krankenscheins stellt der Senat 750.000 Euro zur Verfügung. Woran bemisst sich diese Summe und was geschieht, wenn diese aufgebraucht ist? Zu 13.: Im Doppelhaushalt 2018/19 stellt der Senat 1.5 Mill. EUR jährlich für die Clearingstelle und die medizinische Behandlung zur Verfügung. Um eine umfassende Beratungsarbeit leisten zur können, sind bis zu 750.000 EUR für die Sach- und Personalmittel zum Betreiben der Clearingstelle vorgesehen. Die verbleibenden 750.000 EUR stehen für die Kostenübernahme medizinischer Behandlungen zur Verfügung. Zur Bemessung der Haushaltsveranschlagung konnte nicht auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. 14. Ist eine Evaluierung des anonymen Krankenscheins geplant und falls ja, wann und durch wen? Zu 14.: Die Arbeit der Clearingstelle wird durch das Institut für Innovation und Beratung an der Evangelischen Hochschule Berlin e.V. (INIB) seit Oktober 2018 (Beginn der Beratungsarbeit ) begleitend wissenschaftlich evaluiert. Auch die Umsetzung der Kostenübernahme für medizinische Behandlungen ist Teil der Evaluation. Berlin, den 27. Juni 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung