Drucksache 18 / 19 898 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hanno Bachmann und Frank-Christian Hansel (AfD) vom 13. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) zum Thema: Projektförderung von Inssan e.V., Muslimbruderschaft und Antwort vom 02. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) und Herrn Abgeordneten Frank-Christian Hansel (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. . 18 / 19 898 vom 13. Juni 2019 über Projektförderung von Inssan e.V., Muslimbruderschaft -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 2 Vorbemerkung der Abgeordneten: Der Verein „Inssan e.V.“ hat seit dem Haushaltsjahr 2010 durchgängig vom Land Berlin Projektfördermittel in Höhe von insgesamt etwa 550.000 Euro erhalten. (Antwort des Berliner Senats auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD), Muslimbruderschaft, Millî Görüş, Moscheebau. Drucksache 18/13944 vom 16. April 2018).1 Bei „Inssan e.V.“ handelt es sich jedoch um einen Verein mit einer Nähe zu islamistischen Ideologien und Bewegungen, der sich selbst „nie eindeutig von der Muslimbruderschaft distanziert“2 hat, der in den Verfassungsschutzberichten 2007 bis 2009 wegen Verbindungen zur „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ genannt wurde und wie der Senat auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (Drucksache 18/13944) am 16. April 2018 mit Blick auf die heutige Situation ausführt, personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft hegt: „Einzelne Mitglieder des „Inssan e.V.“ haben personelle Verbindungen zum „Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e.V.“ (IKEZ). Das IKEZ wird im Berliner Verfassungsschutzbericht 2016 aufgrund seiner „Verbindungen zur 'Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.' (IGD)“ genannt. Die IGD verfolgt bundesweit eine an der Ideologie der Muslimbruderschaft ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im gesellschaftlichen und politischen Bereich. Im Kontext der Beobachtung der HAMAS wird das „Islamische Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e.V.“ im Jahresbericht 2016 des Berliner Verfassungsschutzes als Treffpunkt von HAMAS-Anhängern aufgeführt.“3 Auf eine Anfrage des Abgeordneten Frank Henkel (CDU) antwortet der Senat bereits 2008 wie folgt: „Zu 1.: Bei der Berliner Verfassungsschutzbehörde liegen Anhaltspunkte für personelle und organisatorische Verbindungen des Vereins „Inssan“ zur „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD) vor. Die IGD ist die mitgliederstärkste Vereinigung der „Muslimbruderschaft“ (MB) in Deutschland.“ (Nicht behandelte Mündliche Anfrage Nr. 07 des Abgeordneten Frank Henkel (CDU) aus der 28. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 24. April 2008. Drucksache 16 /20253) „Inssan e.V.“ wurde öffentlich bekannt, als er 2008 den Bau einer Moschee in Charlottenburg plante. Gegen dieses Vorhaben engagierte sich eine örtliche Bürgerinitiative und trug Verbindungen von „Inssan“ zu den Muslimbrüdern, insbesondere zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) in einem 69seitigen Dossier zusammen. Eines der Ergebnisse: „Inssan ist erzkonservativ, gibt sich aber liberal, was die Politik auch gern glaubt. Wir vermuten jedoch, dass Inssan eine Türöffner-Organisation ist, die die tatsächlichen 1 https://s3.kleine-anfragen.de/ka-prod/be/18/13944.pdf 2 Vgl. https://jungle.world/artikel/2019/02/religioeser-absolutismus-ist-nicht-akzeptabel 3 https://s3.kleine-anfragen.de/ka-prod/be/18/13944.pdf 2 Anliegen der Hinterleute kaschiert“4. Die Recherche hatte der Pulitzer-Preisträger Ian Johnson betrieben, der damalige Deutschland-Korrespondent des New Yorker Wall Street Journal.5 Zu den Gründern des Vereins gehören Lydia Nofal und Mohammad Imran Sagir. Nofal ist SPD-Mitglied und im Arbeitskreis Muslime in der SPD engagiert, Mitarbeiterin der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA Berlin) und stellvertretende Berliner Landesvorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), einem Dachverband, dem auch die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ angeschlossen ist. 2016 nahm sie an einem Treffen der Muslimischen Jugend in Deutschland (MJD) in Hessen teil. Die MJD gilt als Jugendorganisation der IGD und wurde deshalb zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet. Angekündigt war die Veranstaltung als »großes Familientreffen «.6 Im September 2011 nahm sie gemeinsam mit der Gattin Ibrahim el-Zayats, Sabiha El-Zayat-Erbakan, einer Nichte Necmettin Erbakans und Stellvertretende Vorsitzende der „Gesellschaft muslimischer Sozialund Geisteswissenschaftler e.V.“ an einer von der IGD organisierten Veranstaltung mit dem Titel „Zurück zu den Wurzeln: Islamleben“ teilgenommen. Der heutige Geschäftsführer von „Inssan e.V.“, Mohammad Hajjaj ist ebenfalls SPD-Mitglied und im Vorstand des Berliner Landesverbandes des ZMD; Ibrahim el- Zayat ist deren langjähriger Vorsitzender und jetziges Aufsichtsratmitglied. Mohammad Hajjaj seinerseits ist nach eigenen Angaben auf dem Portal „LinkedIn“ ein früheres Mitglied der „Islamischen Föderation Berlin“. Dieser Verein war 2006 ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit gerückt, nachdem gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden Vorwürfe des gewerbsmäßigen Betruges und Unregelmäßigkeiten bei der Verbuchung durch das Land Berlin gezahlter Gelder erhoben worden waren. Auf „LinkedIn“ unerwähnt hingegen bleibt seine Mitgliedschaft im „Teiba Kulturzentrum zur Förderung der Bildung und Verständigung e.V.“, ein Verein, welcher Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist. (Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Aktivitäten islamistischer Akteure im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation . Berlin 2015).7 Mohammad Imran-Sagir war Ende der neunziger Jahre Vorsitzender der MJD. Sagir ist seit dem 1. Dezember 2008 Geschäftsführer der Organisation Muslimisches SeelsorgeTelefon. Ihr alleiniger Träger ist Islamic Relief Deutschland, der deutsche Ableger der international tätigen Organisation Islamic Relief, die eigenen Angaben zufolge Hilfs- und Entwicklungsprojekte betreibt. Das israelische Verteidigungsministerium rechnet Islamic Relief allerdings dem Finanzsystem der Terrorgruppe Hamas zu. Islamic Relief Deutschland unterhält enge Verbindungen zur IGD, so war der Verein Hauptsponsor des Jahrestreffens 2015 der deutschen Muslimbrüder und steuerte auch einen eigenen Redebeitrag bei, wie aus einer Anfrage des damaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) (Drucksache 18/10923)8 hervorging.9 Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Günter Krings führt in seiner Antwort auf diese Anfrage am 16. Januar 2017 weiter aus: „Islamic Relief Deutschland e. V.“ sponserte zudem im Frühjahr 2016 diverse Veranstaltungen der Organisation „Muslimische Jugend in Deutschland e. V.“ (MJD), einer formal unabhängigen Jugendorganisation, die enge Verbindungen zur IGD unterhält. Auch auf personeller Ebene bestehen Verbindungen zwischen „Islamic Relief Deutschland e. V.“ und der IGD.“10 Auf die Frage des Abgeordneten Franz Kerker in der o.g. Schriftlichen Anfrage, wie der Senat den Sachverhalt bewerte, dass „Inssan e.V.“ mit „Islamic Relief Deutschland“ die Adresse Gitschiner Str. 17, 10969 Berlin teilt, antwortete der Senat: „Der Senat lehnt jede Form politisch motivierter Gewalt konsequent ab und bewertet dementsprechend eine mögliche Unterstützung der HAMAS durch „Islamic Relief Worldwide “.“11 Wie die taz am 2.8.2018 berichtete, beobachtete der Verfassungsschutz im Jahr 2016 insgesamt 56 Demokratieprojekte . Ein Projektträger aus dem Bereich „Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention“ wur- 4 https://www.morgenpost.de/bezirke/charlottenburg-wilmersdorf/article102182055/Buergerinitiative-stellt-sichgegen -Moschee.html 5 Vgl. https://jungle.world/artikel/2018/30/respekt-fuer-muslimbrueder 6 Vgl. ebd. 7 Vgl. https://s3.kleine-anfragen.de/ka-prod/be/18/13944.pdf 8 http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/109/1810923.pdf 9 Vgl. https://jungle.world/artikel/2018/30/respekt-fuer-muslimbrueder 10 http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/109/1810923.pdf 11 https://s3.kleine-anfragen.de/ka-prod/be/18/13944.pdf 3 de dabei vom Verfassungsschutz als „extremistisch beeinflusster Verband“ eingestuft, woraufhin seine Förderung nicht weitergeführt wurde.12 Wir fragen den Senat: 1. Dem Senat sind die Verbindungen von „Inssan e.V.“ zur Muslimbruderschaft seit Jahren bekannt. Aus welchem Grund hat der Senat dem Verein seit 2010 Projektfördergelder in Höhe von insgesamt mehr als einer halben Million Euro bewilligt? Zu 1.: Wie bei jeder Bewilligung von Zuwendungsmitteln gründete sich auch die Bewilligung von Mitteln zugunsten des Trägers Inssan e.V. auf einem erheblichen Interesse Berlins an der Aufgabenerfüllung bzw. an der Erreichung der beantragten Projektziele, die ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang erfüllt bzw. umgesetzt werden konnten. Vgl. ansonsten zum ersten Satz der Frage 1 die Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/11789. Zudem sei mit Blick auf den in der Vorbemerkung zitierten Artikel aus der taz vom 2.8.18 erwähnt, dass der Verein Inssan e.V. nach hier vorliegenden Informationen weiterhin Mittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ erhält. 2. Inwieweit spielt es eine Rolle bei der Vergabe der Projektfördermittel für „Inssan e.V.“ trotz der dem Senat bekannten Verbindungen zu islamistisch extremistischen Ideen und Organisationen, dass die Vorstandsvorsitzende SPD-Mitglied, Mitarbeitern der RAA sowie im Arbeitskreis Muslime in der SPD engagiert ist als auch der Geschäftsführer SPD-Mitglied ist? Zu 2.: Die hier vorgebrachten Sachverhalte spielten bei der Bewilligung von Fördermitteln keine Rolle. Generell trifft der Berliner Senat Förderentscheidungen ausschließlich auf der Grundlage fachlicher bzw. fachpolitischer Kriterien. 3. Hat der Senat Projekte anderer Vereine oder Träger, die islamistischen Ideen oder Organisationen nahe stehen, gefördert oder fördert diese? Wenn ja: Wie verträgt sich die Förderung des Senats mit der Praxis der Bundesregierung, derartige Träger nicht zu fördern? Wenn nein: Aus welchem Grund macht der Senat bei „Inssan e.V.“ eine Ausnahme? Zu 3.: Nein. Der Träger Inssan e.V. hat in verschiedenen Erklärungen und im Rahmen seiner Vereins- und Projektarbeit deutlich gemacht, dass er sich für die Werte und Normen des Grundgesetzes bzw. für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Insofern handelt es sich auch nicht um eine Ausnahmeregelung. 4. Hat der Senat die geförderten Projekte von „Inssan e.V.“ evaluiert und liegen diese Berichte zur Einsicht vor? Wenn ja: Bitte senden Sie den Bericht als Anlage zum Bericht mit. Wenn nein: Aus welchem Grund hat der Senat das Projekt nicht evaluiert? (Bitte um ausführliche Erläuterung ) Zu 4.: Der letzte Evaluationsbericht zum Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wurde im April 2010 vorgelegt. Der Erhebungszeitraum der damaligen Evaluation konzentrierte sich auf das Jahr 2009. Projekte des Trägers Inssan e.V. aus den Jahren 2010 ff. konnten entsprechend nicht berücksichtigt werden. Eine fachliche Begleitung und Erfolgskontrolle erfolgte in den vergangenen Jahren allerdings durch die Fachabteilungen der jeweils zuständigen Senatsverwaltungen. Eine er- 12 Vgl. http://www.taz.de/Verfassungsschutz-ueberpruefte-NGOs/!5526098/ 4 neute Programmevaluation des o.g. Landesprogramms wird derzeit bis voraussichtlich Ende 2019 durchgeführt. Inssan wird außerdem im Rahmen des Partizipations- und Integrationsprogramms der Abteilung Integration und Migration der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gefördert. Wie für alle Projektträger dieses Programms erfolgt eine fachliche Begleitung . 5. Plant der Senat, „Inssan e.V.“ im kommenden Haushalt zu berücksichtigen und wenn ja, in welcher Höhe ? Zu 5.: Dem Träger Inssan e.V. steht es auch im kommenden Haushaltsjahr frei, Zuwendungsmittel des Landes Berlin zu beantragen. Vorausgesetzt der Träger legt einen bewilligungsfähigen Antrag mit Projektzielen im Interesse des Landes Berlin vor, bemisst sich Höhe der Zuwendung grundsätzlich, wie bei allen Projektförderungen, in Abhängigkeit des Mittelbedarfs und in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. 6. Welche konkreten Konsequenzen zieht der Senat aus seiner Ablehnung politisch motivierter Gewalt und Bewertung einer möglichen Unterstützung der HAMAS durch „Islamic Relief Worldwide“ im Allgemeinen und in Bezug auf „Inssan e.V.“ im Besonderen? Zu 6.: Zum Verein Inssan e.V. vgl. die Antwort zu 3. Zu „Islamic Relief Worldwide“ vgl. die Antwort zu Frage 4 in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13944. Die Grundprinzipien des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats und die darin inbegriffene Ablehnung politisch motivierter Gewalt bilden die Grundlage jeglichen Verwaltungshandelns im Land Berlin. Berlin, den 2. Juli 2019 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung