Drucksache 18 / 19 904 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 12. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) zum Thema: Legalitätsprinzip bei der Polizei und Antwort vom 01. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Jul. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19904 vom 12. Juni 2019 über Legalitätsprinzip bei der Polizei ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt, nach der das Zuwarten von Polizeibeamten bei der Verfolgung Tatverdächtiger den objektiven Tatbestand des § 258 StGB erfüllen kann? Falls nein, weshalb nicht, obwohl eine solche Weisungslage – wie auch aktuell entsprechend der Weisung des PP vom 07.06.2019 – bereits 1989 bestanden hatte und als rechtswidrig festgestellt worden war? 2. Falls ja, nimmt der Senat trotzdem an, eine solche Weisung sei mit dem Legalitätsprinzip vereinbar? Weshalb? Zu 1. und 2.: Dem Senat ist keine Rechtsprechung bekannt, nach der ein Vorgehen entsprechend der fraglichen Weisung den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung (§ 258 StGB) erfüllen kann. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Ziel der Weisung vom 07.06.2019 gerade eine Flexibilisierung und Beschleunigung polizeilichen Handelns ist, da die bisherige Weisungslage der Polizei Berlin eine Zustimmung der Behördenleitung vorsah. 3. War die Senatsverwaltung für Inneres – durch welche Stelle – vor dem Erlass der Weisung in die rechtliche Prüfung einbezogen? Wenn ja, mit welchem Votum? (bitte im Wortlaut) Zu 3.: Nein. 4. Wie definiert die Polizei Berlin „linke Szeneobjekte“ im Sinne dieser Weisung? Um welche exakten „Objekte“ (bitte Aufstellung nach Adressen) handelt es sich dabei im Einzelnen? Seite 2 von 3 Zu 4.: Ob ein Objekt von Relevanz im Sinne der Weisung ist, wird einzelfallabhängig geprüft und bedarf jeweils einer eigenständigen polizeilichen Beurteilung. In Bezug auf die Weisung vom 7. Juni 2019 hat die Polizei keine Aufstellung von Objekten gefertigt. 5. Gibt es ähnliche Weisungen auch für „rechte Szeneobjekte“ oder „islamistische Szeneobjekte“? Wenn ja, wie sind diese definiert und für welche gilt die Weisung konkret? Wenn nein, weshalb nicht? Zu 5.: Nein. Da sich eine Erforderlichkeit bisher nicht ergab, existieren keine Entscheidungsvorbehalte der Behördenleitung zum gewaltsamen Eindringen in sogenannte „rechte“ bzw. „islamistische“ Szeneobjekte. 6. Kann nach Auffassung des Senats eine Diskriminierung nicht-linker Straftäter im Sinne des Entwurfs des LADG vorliegen, wenn anderen Straftätern wegen ihrer nicht-linken Weltanschauung kein zeitlicher Vorsprung bei der Flucht gewährt wird? Zu 6.: Nein. Es geht im Übrigen nicht darum, Tatverdächtigen einen „Vorsprung“ zu gewähren. 7. War die Direktion Einsatz vor Erlass der Weisung in dessen Ausgestaltung einbezogen? Wenn ja, durch wen, wie und mit welchem Votum? Zu 7.: Nein. 8. Wie ist die Umsetzung dieser Weisung praktisch ausgestaltet? a) Über welchen Weg – den direkten Funkkreis vermutlich nicht – kann ein EWA die Behördenleitung erreichen, um den Sachverhalt „zur Bewertung und Entscheidung auf dem Dienstweg vorzutragen“? Wie ist dies konkret sichergestellt und welche einzelnen Schritte müssen auf dem Dienstweg erfolgen? b) Über welchen Weg – den direkten Funkkreis vermutlich nicht, da weder Wachleiter noch Dienstgruppenleiter Angehörige des höheren Diensts sind – kann ein EWA eine „durch die örtlich zuständige Direktionsleitung festgelegte Dienstkraft des höheren Diensts“ erreichen, um den Sachverhalt „zur Bewertung und Entscheidung auf dem Dienstweg vorzutragen“? Wie ist dies konkret sichergestellt und welche einzelnen Schritte müssen auf dem Dienstweg erfolgen? Zu 8.: Die bisherige Weisungslage der Polizei Berlin vom 10. Juli 2015 zum Entscheidungsvorbehalt bei einem gewaltsamen Eindringen in Objekte der linken Szene wurde mit Wirkung zum 7. Juni 2019 geändert. Die grundsätzliche Herangehensweise, bei planbaren, vorhersehbaren Zeitlagen zunächst auf dem Dienstweg eine Bewertung und Entscheidung der Behördenleitung einzuholen, bleibt bestehen. Die neue Weisungslage ermöglicht in Fällen von Eilbedürftigkeit schnellere Entscheidungen ohne Einbindung der Behördenleitung. Die vor Ort eingesetzten Polizeidienstkräfte nehmen Verbindung zum zuständigen Lagedienst der örtlichen Direktion auf. Dieser wiederum nimmt unverzüglich Verbindung zur durch die örtlich zuständige Direktionsleitung festgelegten Dienstkraft des höheren Dienstes mit Entscheidungskompetenz auf. Seite 3 von 3 Das Treffen regelmäßig gebotener vorbereitender polizeilicher Maßnahmen wie Anforderung weiterer Kräfte, Absperr- und Sicherungsmaßnahmen am jeweiligen Einsatzort eines Szeneobjekts hat typischerweise kurze Wartezeiten zur Folge. Berlin, den 1. Juli 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport