Drucksache 18 / 19 910 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Seidel (LINKE) vom 13. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) zum Thema: Anerkennungsjahr für Sozialpädagog*innen und Antwort vom 29. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Jul. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Katrin Seidel (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19910 vom 13. Juni 2019 über Anerkennungsjahr für Sozialpädagog*innen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Stand der vom Senat geplanten Einführung eines Anerkennungsjahres für Sozialpädagog*innen in Berlin? 2. Wer ist in die Entscheidung über die Einführung eines Anerkennungsjahres im Bereich der Sozialen Arbeit in Berlin einbezogen und welchen Anteil an der zu treffenden Entscheidung haben Ausbildungs- und Praxiseinrichtungen? 3. Welche Vorteile sieht der Senat durch die Einführung eines Anerkennungsjahres im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit für die Beteiligten? 4. Welche Nachteile sind nach Meinung des Senats mit der Einführung eines Anerkennungsjahres im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit für alle Beteiligten verbunden? und 6. Wie ist der aktuelle Stand der Einführung eines Anerkennungsjahres und welchen Zeitplan gibt es dafür? Zu 1.- 4. und 6.: Für die mögliche Wiedereinführung eines Anerkennungsjahres für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter müssen die dafür erforderlichen Voraussetzungen und verschiedene grundlegende Verfahrensschritte geprüft werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Es zeigen sich jedoch schon jetzt verschiedene Aspekte, die bspw. im Diskussionsprozess mit den beteiligten Hochschulen und Vertreterinnen sowie Vertretern der Berliner Jugendämter und dem Netzwerk prekäres Praktikum deutlich wurden und die Hürden für eine Wiedereinführung darstellen. Die durch den Bologna-Prozess angestoßenen Veränderungen von einem zweiphasigen hin zu einem einphasigen Studium und die damit verbundenen rechtlichen Regelungen müssten auf der Ebene der Kultusministerkonferenz wieder geändert werden , um eine Integration in das Studium vornehmen zu können. Bei einem erfolgreichen Bachelorabschluss, in der Regel nach 6-7 Semestern, wäre ansonsten die Verankerung des Anerkennungsjahres als Voraussetzung für die staatliche Anerkennung nur additiv nach dem Studium als berufspraktische Weiterbildung im Sozialberufe -Anerkennungsgesetz (SozBAG) möglich. Dies würde zu neuen Herausforderun- gen im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen, die inhaltliche und strukturelle Umsetzung und die Gleichbehandlung von Absolventen des Studiengangs ohne Anerkennungsjahr führen. Die Berliner Hochschulen Alice-Salomon Hochschule (ASH), die evangelische Hochschule (EHB) sowie die katholische Hochschule (KHSB) empfehlen, mit Hinweis auf den Bologna-Prozess und den europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR), statt einer Rückkehr zum „alten Modell des Anerkennungspraktikums“ die Schaffung einer Berufseinmündungsphase auf der Grundlage eines Berufseinmündungsprogrammes . 5. Wie hoch ist der Anteil von Studierenden der Sozialen Arbeit in Berlin, die berufsbegleitend die Ausbildung absolvieren und wie beeinflusst dies die Entscheidung des Senats für die Einführung eines Anerkennungsjahres? Zu 5.: Neben den als berufsbegleitend ausgewiesenen Studiengängen gelten auch Online- Studiengänge, die eine Tätigkeit mindestens halbtags in einem sozialpädagogischen /sozialarbeiterischen Bereich voraussetzen, und die ersten dualen Studiengänge in Berlin (mit den Schwerpunkten Ganztagsbetreuung und Kinder- und Jugendhilfe ), in denen Studierende drei Tage (in Ganztagsschulen oder im RSD der Jugendämter ) arbeiten und zwei Tage an der Hochschule studieren, als berufsbegleitend. Studienplätze in diesen Studienformen sind in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet worden. Im Rahmen der Prüfung einer möglichen Wiedereinführung des Anerkennungsjahres ist die Anzahl der berufsbegleitend Studierenden nicht ausschlaggebend, würde aber besondere Regelungen erfordern. Übersicht über die im 1. Semester zur Verfügung stehenden Studienplätze insgesamt und davon die Anzahl der berufsbegleitenden Studienplätze: Plätze ASH1 berufsbegl . Plätze EHB2 berufsbegl . Plätze KHSB3 berufsbegl . Plätze HSAP4 berufsbegl . WS 2016/17 160 45 160 110 91 91 SS 2017 160 45 120 60 91 91 WS 2017/18 160 46 120 110 111 111 SS 2018 160 45 120 60 81 81 WS 2018/19 174 80 160 40 110 144 144 Quelle: SenBJF; VC 11.2 1 Alice Salomon Hochschule, 2 Evangelische Hochschule Berlin, 3 Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, 4Hochschule für angewandte Pädagogik Für die anderen in Berlin vertretenen privaten Hochschulen liegen dem Senat keine aufgeschlüsselten Angaben vor. 7. Welche Bedeutung und welchen konkreten Anteil hat der Erwerb berufspraktischer Erfahrungen in den verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit im derzeitigen Ablauf des Studiums der Sozialen Arbeit? Zu 7.: Die Studiengänge der Sozialen Arbeit in Vollzeit müssen bundesweit mindestens 100 Tage Praktikum, integriert in das Studium, ausweisen. Es ist nicht erforderlich, diese Zeit in unterschiedlichen Arbeitsfeldern zu absolvieren. Die drei staatlich geförderten Berliner Hochschulen ASH, EHB und KHSB bieten durch ergänzende Projekte bis zu 130 Tage Praxiseinblick. Die anderen in Berlin tätigen Hochschulen beschränken sich auf das Mindestmaß von 100 Tagen. Berufspraktische Erfahrung ist im Hinblick auf die Entwicklung von Haltungen, Selbstreflektion und zu entwickelndem Rollenverständnis sowie die Methodensicherheit von großer Bedeutung. Bis zum Wegfall des Anerkennungsjahres in 1998 bestätigte die staatliche Anerkennung die Eignung der staatlich geprüften Fachkraft im Anschluss an den erfolgreichen Abschluss des Studiums und des Anerkennungsjahres sowie eines entsprechenden Führungszeugnisses. Seitdem wird die staatliche Anerkennung nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums und auf der Grundlage eines erweiterten Führungszeugnisses ohne einschlägige Eintragungen erteilt. 8. Wie positioniert sich der Senat zu Auffassungen, wonach auch ohne die Einführung eines Anerkennungsjahres schnell der Erwerb berufspraktischer Erfahrungen intensiviert werden könnte, um so gut wie möglich auf die Tätigkeit in den verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit vorzubereiten ? Was ist diesbezüglich geplant bzw. was befindet sich in der Realisierung? Zu 8.: In den verschiedenen Bundesländern werden Berufseinmündungsmodelle in den Jugendämtern angeboten, die unterschiedlich umfänglich sind und die zum Teil auch außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden müssen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat gemeinsam mit den Jugendämtern der Bezirke und dem Sozialpädagogischen Institut Berlin-Brandenburg (SFBB) bereits im Jahr 2016 ein Maßnahmenpaket für die regionalen sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter (RSD) entwickelt. Die seit 2013 bestehende Kursreihe beim SFBB „Neu im RSD“ für berufseinsteigende Fachkräfte in den Berliner und Brandenburger Jugendämtern wurde für Berlin im Jahr 2016 zu einem „Paket“ erweitert. Dies sieht vor, dass Bezirke, insgesamt 26 Berufseinsteigende zu einer Kursreihe anmelden, jährlich Mittel für eine halbe Stelle für Anleitung und Mentoring zur Verfügung gestellt bekommen und das SFBB an vier Terminen im Jahr Anleitende in der AG Netzwerktreffen begleitet. Durch eine Erweiterung und Modularisierung der Veranstaltungsreihen konnte im laufenden Jahr die Anzahl der Teilnehmenden um > 100% gegenüber dem Vorjahr 2018 gesteigert werden. Die Mitarbeitenden in den RSD stellen die größte Gruppe mit Studienabschluss der Sozialen Arbeit in der öffentlichen Jugendhilfe. Auf Grund der komplexen Problemund Rechtslagen sowie dem Auftrag zum Kinderschutz ist eine umfangreiche qualifizierte Einarbeitungsphase hier besonders von Bedeutung. Durch angepasste Konzepte kann die Berufseinmündungsphase auf die anderen Arbeitsfelder der Kinderund Jugendhilfe übertragen werden. Eine qualifizierte Übergangsphase nach dem Studienabschluss ergänzt sinnvoll das generalistische Studium insbesondere in hochsensiblen Arbeitsfeldern der sozialen Arbeit. Eine regelhafte Berufseinmündungsphase eröffnet zudem die Chance, alle staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter unabhängig von Um- fang und Inhalten ihrer Studiengänge sowie der Studienformen mit und ohne Anerkennungsjahr einzubinden und bietet im weiteren Verlauf Möglichkeiten der flexiblen bedarfsgerechten Steuerung. Die Phasen der begleiteten Berufseinmündung unterstützt die Bindung der Fachkräfte an den jeweiligen Arbeitsplatz und das Arbeitsfeld insgesamt. Diese Form der Unterstützung ist geeignet, Überforderungen in der Berufseinstiegsphase entgegenzuwirken und z.B. die hohe Fluktuation in den RSD deutlich zu mindern . 9. Wie ist das Anerkennungsjahr im Bereich der Sozialen Arbeit in anderen Bundesländern organisiert ? Zu 9.: Nach Auslaufen der Diplomstudiengänge und Umstellung auf den Bachelor ist ein Anerkennungsjahr als verpflichtender integrierter Bestandteil nicht mehr vorgesehen. Die staatliche Anerkennung wird zum Teil nach Übertragung durch die Länder direkt von den Hochschulen erteilt. In Schleswig-Holstein und Bremen ist aber ein sogenanntes Weiterbildungsjahr nach Abschluss des Studiums verpflichtend für die staatliche Anerkennung. In Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gibt es noch auslaufende zweiphasige Studiengänge an wenigen Hochschulen, wo ein Anerkennungsjahr für die Erlangung der staatlichen Anerkennung vorgesehen ist. Für die einphasigen Studiengänge ist kein Anerkennungsjahr erforderlich. 10. Unter welchen Voraussetzungen können Studierende der Sozialen Arbeit aus Bundesländern, in denen ein Anerkennungsjahr vorgesehen ist, dies in Berlin absolvieren? 11. Wie viele Studierende von Ausbildungsgängen anderer Bundesländer bzw. gegebenenfalls auch aus dem Ausland leisten derzeit in Berlin ein Anerkennungsjahr im Bereich der Sozialen Arbeit? 12. Wie bewertet der Senat die bei der Durchführung von Anerkennungsjahren auswärtiger Studierender der Sozialen Arbeit in Berlin gemachten Erfahrungen und welche Schlüsse zieht er daraus ? Zu 10. - 12.: Soziale Dienste der Bezirksämter und Träger im sozialen Bereich können Studierende aus anderen Bundesländern im dort für die staatliche Anerkennung erforderlichen Praktikum beschäftigen. Die Anzahl wird von den Senatsverwaltungen nicht erfasst. Berlin, den 29. Juni 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie