Drucksache 18 / 19 917 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 11. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) zum Thema: Welche Straßenbäume bieten Kühlung und Schatten im Klimawandel? und Antwort vom 28. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Jul. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Andreas Otto (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/19917 vom 11. Juni 2019 über Welche Straßenbäume bieten Kühlung und Schatten im Klimawandel? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welches Gewicht misst der Senat, angesichts erhöhter Temperaturen in der Stadt, bei der Pflanzung von Bäumen im Straßenraum und auf anderen Flächen den Eigenschaften Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf bei? Frage 2: Welche Baumarten sind besonders geeignet, die Anforderungen nach Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf in heißen Sommern zu erfüllen? Antwort zu 1 und zu 2: Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf sind insbesondere bei erhöhten Temperaturen wichtige Wohlfahrtswirkungen von Bäumen, aber nicht die einzigen Aspekte, die im Zusammenhang mit der Planung, Pflanzung und Unterhaltung von Bäumen im städtischen Raum beachtet werden müssen. Grundsätzlich sind großkronige Laubbaum-Arten besonders geeignet, um viel Verdunstungskälte und Schattenwurf zu erzeugen, sofern ihre Kronen gesund und die Bäume insgesamt vital sind. Gerade vitale Bäume können effektiv das Stadtklima positiv beeinflussen. Gleichwohl bestimmen die Standortbegebenheiten (ober- und unterirdische Entwicklungsmöglichkeiten) sowie die fachgerechte Pflege den Erfolg der anvisierten Funktionserfüllung maßgeblich. In heißen Sommern zählen neben den Berliner Hauptbaum-Arten wie Winter-Linde (Tilia cordata), Spitz-Ahorn (Acer platanoides) und Stiel-Eiche (Quercus robur) auch z.B. Ahornblättrige Platane (Platanus x hispanica), Zerr-Eiche (Quercus cerris), Silber-Linde (Tilia tomentosa) oder Flatter-Ulme (Ulmus laevis) dazu. 2 Frage 3: Welche Praxisversuche laufen gegenwärtig in Berlin, um Baumarten zu identifizieren, die die Anforderungen nach Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf in heißen Sommern besonders gut erfüllen? Antwort zu 3: Im Pflanzenschutzamt Berlin stehen nicht einzelne Baum-Arten im Fokus mehrschichtiger Untersuchungen, sondern die Baumvitalität als Basis der Funktionalitätssicherung von Baum-Arten unter Hitze und Trockenheit und weiteren Stressoren wie u.a. Streusalz. Es wird seit mehreren Jahren die Wirkung von Streusalz auf die Vitalität der Berliner Straßenbäume untersucht. Es konnte ein erheblicher Rückgang von Blattmasse und Assimilationsleistung festgestellt werden, die sich direkt auf Kühlung durch Verdunstung im gesamten Stadtgebiet negativ auswirken. Derzeit werden vorbeugende Maßnahmen zur Verbesserung untersucht. Seit 2014 führt das Pflanzenschutzamt in Kooperation mit dem Bezirk Neukölln und der Humboldt-Universität einen Straßenbaumtest mit zukunftsträchtigen, sog. stadtklimatoleranten Baumarten durch. https://www.berlin.de/senuvk/pflanzenschutz/stadtgruen/de/versuche/versuchspflanzung_v on_strassenbaeumen.shtml Darüber hinaus führt das Pflanzenschutzamt seit 2014 ein jährliches Monitoring zu stadtklimatoleranten Baumarten durch. Auch pflanzen viele Straßen-und Grünflächenämter der Berliner Bezirke eigenverantwortlich stadtklimatolerante Baumarten insbesondere im Straßenland. Über die Erfahrungen wird sich u.a. im Fachausschuss Stadtbäume sowie öffentlichen Veranstaltungen wie z.B. dem Runden Tisch Baum regelmäßig ausgetauscht. Seit 2018 läuft ein Projekt im Rahmen des Klimafolgemonitorings mit dem deutschen Wetterdienst zur Sicherung einer optimierten Wasserversorgung für Straßenbäume, um u.a. auch eine klima- und standortgerechte Verdunstung/Kühlung zu sichern. Des Weiteren beteiligt sich Berlin seit einigen Jahren am Straßenbaumtest II der GALK (Deutsche GartenAmtsLeiterKonferenz). http://www.galk.de/index.php/arbeitskreise/stadtbaeume/themenuebersicht/strassenbaumt est-2 Frage 4: Wie beurteilt der Senat das den Anforderungen nach Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf entgegen stehende Argument, Fenster in Fassaden dürften nicht verschattet werden? Ist ein regelmäßiger Baumschnitt, der ein Minimum an Belichtung der Fenster gewährleistet, eine vertretbare Pflegemaßnahme? Antwort zu 4: Die Verschattung von Fenstern durch Straßenbäume hängt ab von der jeweiligen Situation vor Ort und wird zudem abhängig von der Witterung, der Jahreszeit und persönlichen Vorlieben sehr unterschiedlich bewertet. 3 Ein „Minimum an Belichtung der Fenster“ zählt dabei nicht zu den üblichen und wesentlichen Kriterien der Pflege und Unterhaltung von Bäumen – hier stehen Aspekte der Verkehrssicherheit sowie die Erhaltung eines Lichtraumprofils bzw. die Verhinderung von Fassadenschäden im Vordergrund. Insbesondere für diese Zwecke kann ein regelmäßiger Baumschnitt notwendig und damit zwangsläufig auch vertretbar sein. Bei Straßenbaumpflanzungen ist die gewünschte Funktion eines Baumes mit Blick auf seine ober- und unterirdischen Entwicklungsmöglichkeiten in der Planung zu berücksichtigen. Oftmals sind letztgenannte Punkte Faktoren, die das Wachstum von Bäumen in der Straße begrenzen. Bei Neupflanzungen in engen Straßen ist u.a. die Wahl der Wuchsform ein wichtiges Kriterium. Schlanke säulenförmige Baumarten und -sorten bieten eine Möglichkeit, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Gleichzeitig bietet auch die Baumartenwahl hinsichtlich der Blattausbildung die Möglichkeit, das Maß an Verschattung von Fassaden zu reduzieren. Bäume mit gefiedertem Blattwerk wie z.B. Gleditschie/Lederhülsenbaum (Gleditsia triacanthos), Robine (Robinia pseudoacacia) und Schnurbaum (Styphnolobium japonicum) bilden ein lichtdurchlässiges Kronendach aus. Bei bestehenden Baumpflanzungen muss bei erheblichen Beeinträchtigungen durch Verschattung und zu nahem Stand an der Fassade (Gefahr von Beschädigungen u.a.) ggf. ein Freischneiden der Fassade erfolgen. In diesem Kontext muss ein Abwägungsprozess hinsichtlich der Wohlfahrtsleistung von Straßenbäumen für die Allgemeinheit und die Auswirkungen auf die einzelnen Bürgerinnen und Bürger erfolgen. Frage 5: Gibt es Überlegungen und Praxisversuche im Land Berlin, die Standorte von Straßenbäumen weiter von den Gebäudefassaden in den Straßenraum des ruhenden Verkehrs zu versetzen, ähnlich den Gehwegvorstreckungen? Antwort zu 5: Es wird auf die Ausführungen in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) Kap. 7.3.2 Bäume, die im Land Berlin als verbindliche Richtlinien eingeführt wurden, verwiesen. Die Unterbrechung von Parkstreifen am Fahrbahnrand durch Baumpflanzungen wird hier als eine der wichtigen gestalterischen Funktionen des Straßengrüns genannt. Zu beachten sind hierbei aber insbesondere die Anforderungen hinsichtlich des Leitungsbestandes (Schutzabstände), die Einhaltung der (oberen und seitlichen) lichten Räume der jeweiligen Verkehrsfläche (Fahrbahn, Radwege/Gehwege) sowie die freie Sicht auf Verkehrszeichen, Lichtsignalanlagen etc. In den Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Geh- und Radwege) vom 16. Mai 2013 sind unter Teil A, II- Gehwege, 2 – Breiten/Abstandsmaße, (6) Pflanzung von Bäumen ebenfalls entsprechende Vorgaben zu den Mindestabständen (Stammaußenkante zum Fahrgassenrand von 0,5 m, zum Radweg von 0,25 m) enthalten. Soweit die genannten Kriterien beachtet werden, können Baumpflanzungen möglichst weit von den Gebäudefassaden erfolgen. 4 Frage 6: Wie beurteilt der Senat das den Anforderungen nach Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf entgegen stehende Argument, die Bäume der Zukunft müssten sehr schmalkronig sein, um die Pflegekosten zu minimieren? Antwort zu 6: Kühlung durch Verdunstung und Schattenwurf gehören zu den vielfältigen Aspekten, die bei der Planung und Pflanzung von Bäumen in der Stadt berücksichtigt werden. Der Standort bestimmt die Auswahl der eingesetzten Baumarten. Schmalkronige Bäume sind besonders für schmale und enge Straßen geeignet, sie können in Straßen mit geringer Profilbreite und/oder schmalen Gehwegbereichen eine Möglichkeit sein, entsprechende Situationen überhaupt mit Bäumen zu bepflanzen und stellen den bestmöglichen Kompromiss zwischen Funktionserfüllung von Kühlung und Verschattung und geringerem Pflegeaufwand dar. Es gibt keine Vorgabe im Land Berlin, nur schmalkronige Bäume wegen der Pflegekostenminimierung zu pflanzen. Siehe hierzu auch die Antwort zu 4. Frage 7: Welche Überlegungen und Praxisversuche gibt es aktuell im Land Berlin, die Pflanzabstände und die Anordnung von Straßenbäumen zu verändern, um auch mit kleineren Baumarten ein Maximum an Kühlung durch Verdunstung und eine möglichst lückenlose Verschattung des Straßenraumes zu gewährleisten? Antwort zu 7: Im Land Berlin gibt es keine Vorgaben, durch lückenlose Verschattung der Straßenräume eine maximale Kühlung herbeizuführen. Der gesamte Baumbestand des Landes Berlin liefert Erkenntnisse, die dazu beitragen eine Optimierung der Pflanzung von Straßenbäumen vorzunehmen. Dies erfolgte in den letzten Jahren auch verstärkt unter dem Gesichtspunkt der Anpassung an den Klimawandel. Aus diesem Grund müssen Pflanzungen und die Nachpflanzungen von Straßenbäumen immer Einzelfallenentscheidungen sein. Frage 8: Wie sollen die neuen Stadtgebiete mit Bäumen bepflanzt werden, um ein Maximum an Kühlung durch Verdunstung und eine möglichst lückenlose Verschattung des Straßenraumes zu gewährleisten? Antwort zu 8: Eine Bepflanzung neuer Stadtgebiete mit Bäumen erfolgt selbstverständlich so, dass möglichst optimale, für die Entwicklung von Bäumen geeignete Pflanzorte zur bestmöglichen Entwicklung und Gesundheit der Gehölze ausgewählt werden. 5 Die Bepflanzung erfolgt auf der Grundlage aller fachlichen Erkenntnisse, die zu einem umweltverträglichen Handeln in Bezug auf den Klimawandel erforderlich sind. Zur lückenlosen Verschattung siehe die Antwort zu 7. Berlin, den 28.06.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz