Drucksache 18 / 19 918 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (GRÜNE) vom 06. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2019) zum Thema: Bauprojekt „Bockbrauerei“ in Kreuzberg: Wie steht es um den Denkmalschutz? und Antwort vom 28. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Frau Abgeordnete Katrin Schmidberger (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 19918 vom 06.06.2019 über Bauprojekt „Bockbrauerei“ in Kreuzberg: Wie steht es um den Denkmalschutz ? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Bedeutung misst der Senat dem vollständigen Erhalt der 2017 unter Denkmalschutz gestellten „Rüstungsfabrik der Telefunken“ in der Kreuzberger Fidicinstraße 3 bzw. Schwiebuser Straße 14/16 zu, bei der es sich um die 1944 gebaute und bis heute baulich unverändert erhalten gebliebene unterirdische Verlagerung LORE 2 handelt (einer ehemaligen geheimen Rüstungsfabrik-Anlage der Firma Telefunken, die sowohl in ihrer Gesamtdimension sowie in ihrer „besonderen Authentizität“, die am besten erhaltene unterirdische Verlagerung in Berlin und damit das in der Stadt am besten erhaltene authentische Zeitzeugnis unterirdischer NS-Zwangsarbeit ist)? Zu 1.: Das Interesse an der Erhaltung der prägenden Bestandteile des Denkmals ist sehr groß, weshalb sich der Denkmalschutz auf die zu einer Rüstungsfabrik umgebauten Brauereikeller und die Verbunkerungen erstreckt. Das Landesdenkmalamt und die untere Denkmalschutzbehörde beim Bezirksamt haben in intensiven Gesprächen und Verhandlungen mit dem Eigentümer alle Möglichkeiten der Erhaltung der Kelleranlagen und oberirdischen Zeugnisse der Anlage überprüft. 2. Wird oder wurde im Zuge des geplanten Neubauprojektes der Abriss des an der nordwestlichen Grundstücksgrenze des Bockbrauerei-Areals gelegenen ober- und unterirdischen Eingangsbunkers von Seiten des Landesdenkmalamtes genehmigt, obgleich dieser Bau ein authentisch erhaltenes Zeitzeugnis ist (für dessen Anlegung die „Organisation Todt“ in den ersten Wochen des Ausbaus der unterirdischen Verlagerung zeitweise KZ-Gefangene aus dem KZ Sachsenhausen sowie für die bauliche Errichtung systematisch zivile Zwangsarbeiter*innen aus den von der Wehrmacht besetzten Ländern einsetzte)? Zu 2.: An der nordwestlichen Grundstücksgrenze ist die Errichtung von sozialem Wohnungsbau vorgesehen. Aus der Einbeziehung der dortigen Bestandteile der Rüstungsfabrik in das Neubauprojekt ergeben sich große Probleme bautechnischer und Seite 2 von 3 erschließungstechnischer Art. Dennoch hat das Landesdenkmalamt im Zuge der derzeit geführten Gespräche mit dem Bauherrn diesen aufgefordert, die Möglichkeit der Einbindung bzw. des (Teil-)Erhalts eingehend zu prüfen. Eine endgültige Klärung ist noch nicht erfolgt. 3. Wird oder wurde im Zuge des geplanten Neubauprojektes der Abriss des an der nördlichen Grundstückgrenze gelegenen und zum Luftschutzkeller mit vorgelagerter verbunkerter Gasschleuse ausgebaute „Keller 1“ aus denkmalrechtlicher Sicht genehmigt (für die Ausführung der dortigen Bauarbeiten wurden systematisch zivile Zwangsarbeiter*innen aus den von der Wehrmacht besetzten europäischen Ländern eingesetzt und der Keller ist als Teilbereich der LORE 2-Anlage ein bis heute authentisch erhaltenes Zeitzeugnis für die Anlegung der geheimen Rüstungsfabrik-Anlage)? Zu 3.: Es wurden bisher keine denkmalrechtlichen Genehmigungen erteilt. Bei den bisherigen Verhandlungen mit dem Bauherrn wurden weitreichende Forderungen bezüglich des Erhalts aller denkmalprägenden Kelleranlagen gestellt. Eine abschließende Klärung ist noch nicht erfolgt. Die Erhaltung der Keller und der aufgehenden Bauteile wird im zukünftigen Genehmigungsverfahren gefordert, soweit es im Rahmen der denkmalrechtlichen Abwägung und unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit möglich ist. 4. Wird oder wurde bereits im Zuge des geplanten Neubauprojektes der Abriss von „Keller 16“ und „Keller 17“ genehmigt (in denen der Ausbau der jeweiligen Brauereikeller zu Fertigungskellern der unterirdischen Rüstungsfabrik-Anlage LORE 2 direkt am Ort der authentisch erhaltenen Fertigungsstätte konkret anschaulich wahrnehmbar ist und in den jeweiligen Kellern die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen der dort für die Fertigung von Telefunken-Elektronenröhren eingesetzten Zwangsarbeiter*innen anschaulich wahrnehmbar sind)? Zu 4.: In Abwägung mit anderen öffentlichen Belangen, wie der Ermöglichung von Wohnungsbau , der schon vor der denkmalrechtlichen Unterschutzstellung geplant war, wurde die Abrissgenehmigung für diese beiden Gewölbe, die für die Nachvollziehbarkeit der Anlage nicht zwingend erforderlich sind, in Aussicht gestellt. Auch erfolgte diese Entscheidung in Anbetracht des äußerst schlechten Erhaltungszustandes der gesamten Anlage. 5. Wird oder wurde bereits im Zuge des geplanten Neubauprojektes der Abriss der denkmalgeschützten Keller 2, Keller 3, Keller 4, Keller 5 und Keller 6 genehmigt (obwohl auch diese Keller Teil der bis heute unverändert verbliebenen baulichen Struktur der erhaltenen Rüstungsfabrik-Anlage LORE 2 sind und daher jeder ein spezielles anschauliches Zeitzeugnis dortiger Einsetzung von Zwangsarbeitern *innen aus den besetzten Ländern für den Ausbau der Rüstungsfabrik-Keller sowie für den Einsatz im unterirdischen Produktionsbetrieb ist)? Zu 5.: Siehe Antwort zu 3. 6. Wird oder wurde bereits im Zuge des geplanten Neubauprojektes der Abriss bzw. Teilabriss weiterer denkmalgeschützter Keller aus denkmalschutzrechtlicher Sicht genehmigt (falls ja, bitte mit genauer Bezeichnung der Keller angeben, um welche es sich handelt)? Zu 6.: Die Genehmigung eines (Teil-)Abrisses weiterer Keller ist nicht Gegenstand der derzeitigen Gespräche mit dem Bauherrn. Seite 3 von 3 7. Wird oder wurde im Zuge des geplanten Neubauprojekts aus denkmalschutzrechtlicher Sicht der Abriss des 1944 mithilfe systematischer Einsetzung von Zwangsarbeiter*innen aus Stahlbeton errichteten Bunkerbaus genehmigt (welcher Zwecks Einhausung der großen Trafostation für den Produktionsbetrieb der unterirdischen Rüstungsfabrik-Anlage gebaut wurde)? Zu 7.: Siehe Antwort zu 2. 8. Wie wurde bzw. wird das zivilgesellschaftliche Engagement sowie der Einsatz verschiedener Institutionen für den Erhalt aller Rüstungsfabrik-Keller der LORE 2-Anlage und damit den Erhalt dieser mahnenden Zeitzeugnisse unterirdischer NS-Zwangsarbeit berücksichtigt, falls es dennoch zu der Genehmigung von Teilabrissen durch das Landesdenkmalamt auf dem Gelände kommt? Zu 8.: Die Prüfung des Denkmalwertes und die Eintragung in die Denkmalliste geschah aufgrund von Hinweisen aus der Zivilgesellschaft. Das Landesdenkmalamt (LDA)steht weiteren Anregungen bzw. bürgerschaftlichem Engagement für die zukünftige Vermittlung des Denkmalwertes offen gegenüber. Für die Erteilung denkmalrechtlicher Genehmigungen ist die untere Denkmalschutzbehörde des Bezirksamts im Einvernehmen mit dem LDA zuständig. Berlin, den 28.06.2019 In Vertretung Gerry Woop Senatsverwaltung für Kultur und Europa