Drucksache 18 / 20 014 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Regina Kittler (LINKE) vom 21. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2019) zum Thema: Geschlechtergerechtigkeit im Berliner Kulturbetrieb und Antwort vom 10. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Frau Abgeordnete Regina Kittler (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 20014 vom 21.06.2019 über Geschlechtergerechtigkeit im Berliner Kulturbetrieb Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen in Bezug auf eine paritätische Besetzung von Jurys und Gremien setzt der Senat bereits um und was plant der Senat für die Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit an den durch das Land Berlin geförderten Theater- und Opernhäusern sowie an den Berliner Orchestern und bei Projekten im Bereich der Freien Darstellenden Künste? Zu 1.: Gremien im Geltungsbereich des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) sind gemäß § 15 LGG geschlechterparitätisch zu besetzen. Jurys und Beiräte, die die Förderempfehlungen aussprechen, werden bereits seit Jahren durchschnittlich mindestens zu 50 % mit Frauen besetzt. Der Frauenanteil in den Beiräten und Jurys beträgt zwischen 50 und 60%. Bei der Besetzung der Gremien von Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts stieg der Frauenanteil von 42 % in 2016 auf 45% in 2018. In der Senatsverwaltung für Kultur und Europa (SenKultEuropa) werden für die Projekt - und Stipendienförderung seit vielen Jahren Förderungsgrundsätze aufgestellt, die regelmäßig an die Entwicklung angepasst werden. Als generelle Aufgabe wird definiert, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und chancengleiche Zugänge – unabhängig von Nationalität, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung , Behinderung, Alter oder sexueller Identität – zu ermöglichen. Die wichtigsten Grundlagen bei der Beurteilung von Anträgen und der Vergabe von Stipendien, Preisen und Projektförderungen sind Kunstfreiheit, Staatsferne, Transparenz (in Hinsicht auf Kriterien, Jurymitglieder, Verfahren), Vergleichbarkeit und Förderungsgerechtigkeit . Seite 2 von 5 Um diese Prinzipien zu wahren, beruft die SenKultEuropa zur Vergabe von Förderungen in der Regel jährlich wechselnde Beiräte und Jurys, die die Begutachtung der Anträge vornehmen. Grundlage im Bereich Darstellende Kunst ist die „Allgemeine Anweisung zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen“ , im Bereich Neue Musik die „Allgemeine Anweisung zur Förderung von Freien Gruppen der Neuen Musik“. Bei der Besetzung der Jurys und Beiräte werden folgende Kriterien zugrunde gelegt: - Vielfalt der beruflichen Spezialisierungen - Vielfalt der künstlerischen Praxis - Geschlecht - Alter - Kulturelle Vielfalt - Diversitätskompetenz. Grundsätzlich strebt die SenKultEuropa die Geschlechtergerechtigkeit zur Verhinderung von Diskriminierung an und setzt diese in seinen Leitungsentscheidungen um. Im Bereich der Kulturinstitutionen hat es in den letzten Jahren einen leichten Anstieg in der Besetzung von Leitungspositionen mit Frauen gegeben (vier von 13 Leitungspositionen im Bereich Bühnen/ Orchester). Die paritätische Besetzung der Führungspositionen im Bühnen- und Orchesterbereich wird unter Berücksichtigung rechtlicher Grundlagen und unter Wahrung der jeweiligen Entscheidungsautonomie angestrebt. 2. Wie bewertet der Senat Instrumente wie Sensibilisierungsmaßnahmen zu Geschlechterstereotypen im Rahmen der Führungskräfteweiterbildung, anonymisierte Bewerbungen und ein Controlling zu diskriminierungsfreien Bewerbungs- und Auswahlverfahren, um eine diskriminierungsfreie und geschlechtergerechte Personalauswahl zu ermöglichen? Zu 2.: Der Senat hält Fortbildungsmaßnahmen, die Führungskräfte für das Thema Frauenförderung sensibilisieren und entsprechende Fachkenntnisse vermitteln, für sehr bedeutsam . Die Praxis anonymisierter Bewerbungen und das Controlling zu diskriminierungsfreien Bewerbungs- und Auswahlverfahren mit dem Ziel einer geschlechtergerechten Personalauswahl in Kulturbetrieben werden unter Berücksichtigung der staatlichen Neutralität und Wahrung der Kunstfreiheit geprüft. 3. Welche Maßnahmen plant der Senat, um die vorliegende Daten- und Berichtslage zur Geschlechtergerechtigkeit sowohl in den Institutionen wie auch im Bereich der freien darstellenden Künste zu verbessern? Zu 3.: Über die Maßnahmen, die in der Antwort zu 1. erwähnt werden, hinaus sind im Bereich der Institutionen und der Freien Szene keine zurzeit keine weiteren Maßnahmen geplant. Daten zur Struktur und Entwicklung des Personals, zur Zahl der Mitglieder in Gremien des Landes sowie zur Umsetzung der Frauenförderung bei öffentlicher Auftragsvergabe und staatlicher Leistungsgewährung werden regelmäßig im Rahmen Seite 3 von 5 der Berichterstattung zur Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes auch für kulturelle Einrichtungen erhoben und ausgewertet. Im alle drei Jahre zu erstellenden Bericht an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten des Abgeordnetenhauses zur Situation von Frauen im Kulturbereich einschließlich der Filmförderung wird die aktuelle Entwicklung statistisch dargelegt, bewertet und es werden Maßnahmen für Defizitbereiche benannt. Die aufwändigere Auswertung eines Programms, bei dem sich praktisch ausschließlich Gruppen bewerben, soll zeitnah realisiert werden. 4. Wie hat sich die Einkommenssituation der bei der Künstlersozialkasse Versicherten und in Berlin lebenden Künstler*innen seit dem Jahr 2017 entwickelt? (Bitte Aufschlüsseln nach Sparten und Geschlecht .) Zu 4.: Zur Entwicklung der Einkommenssituation der bei der Künstlersozialkasse (KSK) Versicherten und in Berlin lebenden Künstlerinnen und Künstler kann die SenKultEuropa keine Auskunft geben. Die SenKultEuropa gewährleistet, dass alle abzuschließenden Honorarverträge hinsichtlich der Künstlersozialabgabe geprüft werden. Für die an freischaffende Künstlerinnen und Künstler und Publizistinnen und Publizisten vergebenen Leistungen wird am Jahresende eine entsprechende Abgabe an die KSK abgeführt. 5. Welche Maßnahmen zur Reduktion des bestehenden Gender Pay Gaps zwischen den in Berlin arbeitenden professionellen Künstlern und Künstlerinnen will der Senat ergreifen? Zu 5.: Im Austausch mit den Interessenverbänden der künstlerischen Sparten wurden im Bereich der Projektförderung Empfehlungen für die Anwendung von Honoraruntergrenzen gegeben. Eine Anpassung ist derzeit in der Abstimmung. Um die Bedürfnisse der Künstlerinnen und Künstler passgerechter in den Förderprogrammen und in den Auswahlverfahren abzubilden, wurden die partizipativen Prozesse mit den wesentlichen Stakeholdern der künstlerischen Sparten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut. Erst kürzlich hat die SenKultEuropa einen zweitägigen Workshop mit geladenen Gästen aus dem In- und Ausland mit dem Ziel veranstaltet, um zukünftig mehr Transparenz, Diversity, Inklusion und Basisbeteiligung zu ermöglichen. 6. Wie bewertet der Senat die Forderung nach einer Transparenz auch im Bereich der außertariflichen Gagenstruktur für künstlerische Berufe, um dem Ziel der gleichwertigen Bezahlung von Männern und Frauen näher zu kommen? Zu 6.: Die gleichwertige Bezahlung von Frauen und Männern in künstlerischen Berufen ist wie die Transparenz der außertariflichen Gagenstruktur für künstlerische Berufe grundsätzlich anzustreben. Dabei gilt es, die Eigenständigkeit der Kultureinrichtungen und die individuellen Rechte der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer zu berücksichtigen. 7. Zu welchen Ergebnissen sind die Überprüfungen der Umsetzung der Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) in den betroffenen Kultureinrichtungen (incl. § 1a-Einrichtungen) seitens des Senats in der Zeit seit 2017 gekommen? Seite 4 von 5 Zu 7.: Im Rahmen der vertieften Prüfungen der institutionell geförderten Einrichtungen ergaben sich keine Beanstandungen. 8. Welche Ergebnisse hat die Fortschreibung des „Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms“ seit 2016 erzielt? Zu 8.: Die SenKultEuropa strebt die Umsetzung des am 8. Mai 2018 vom Senat beschlossenen Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms III (GPR III) zum Ende der laufenden Legislaturperiode an. 9. Wurden im Rahmen dieses Programms allgemeine Standards und passgenaue Einzelmaßnahmen, besonders in den Bereichen Personalentwicklung und -rekrutierung, Programmgestaltung sowie Adressierung eines vielfältiger werdenden Publikums entwickelt und wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind das? Zu 9.: Die im Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm der 18. Legislaturperiode verankerten Maßnahmen sind noch nicht abgeschlossen. 10. Wie bewertet der Senat die Forderung (Quelle: Maßnahmenkatalog AG Runder Tisch) nach gezielter Förderung von Frauen, z.B. durch Frauenförderpläne, gerade in niedrig dotierten künstlerischen Berufsgruppen? Zu 10.: Der Staat ist gemäß Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Frauenförderpläne gemäß den Regelungen des Landesgleichstellungsgesetzes sind ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Die gerechte und faire Bezahlung in künstlerischen Berufsgruppen wird angestrebt und mit unterschiedlichen Mitteln im Rahmen der kulturfachlichen Steuerung erreicht . 11. Wie bewertet der Senat die Forderung nach gezielter Förderung von Frauen, z.B. durch Chancenförderpläne in Regiepositionen und Führungspositionen? Zu 11.: Angesichts der vorherrschenden Geschlechterungleichheit in Regiepositionen (rund 70% aller Inszenierungen auf den großen Bühnen werden von Regisseuren inszeniert ) sind Maßnahmen zu begrüßen, die eine geschlechtergerechtere Verteilung von Regie- und Führungspositionen ermöglichen. Neben qualitativen Maßnahmen können u.a. Geschlechterquoten geeignete Mittel sein, um den nötigen Strukturwandel in der Theaterlandschaft herbeizuführen. Das Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre (BCP) unterstützt die künstlerischen Hochschulen durch vielfältige Maßnahmen unter anderem bei der Qualifizierung und Professionalisierung von Künstlerinnen, insbesondere in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Dazu gehören neben Führungspositionen auch künstlerische Sparten wie der Bereich Regie. Seite 5 von 5 12. Wie bewertet der Senat die Forderung, dass die Berliner Kulturinstitutionen eine jährliche Evaluierung zur Geschlechtergerechtigkeit veröffentlichen sollten? Zu 12.: Die SenKultEuropa sieht sich dem Ziel des Gender Mainstreamings für die Berliner Kulturinstitutionen weiterhin verpflichtet und prüft, ob über die bestehenden Instrumente , wie z.B. die Berichterstattung über die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes , hinaus eine jährliche Evaluation geeignet ist, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Kulturbetrieb zu befördern; dies nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen einer solchen Evaluation und insbesondere der Methodik und den Verfügung stehenden Ressourcen. 13. Welche Möglichkeit sieht der Senat, das ab 2020 beginnende Modellprojekt MoKis der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf die Kinderbetreuung für alle Künstler*innen und Mitwirkenden im Abendbetrieb und an Wochenenden an Theatern, Spielstätten, Opern, Orchestern und in Produktionshäusern auszudehnen? Zu 13.: Der Mobile Kinderbetreuungsservice (MoKis) steht grundsätzlich allen Berliner Eltern offen, die eine ergänzende Kindertagesbetreuung durch Tagespflegepersonen außerhalb der Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen benötigen. Im Ergebnis der Evaluation ist unter Beteiligung der betroffenen Häuser zu prüfen, ob das Modellprojekt in Spielstätten, Opern, Orchestern und Produktionshäusern Anwendung finden kann. Berlin, den 10.07.2019 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa