Drucksache 18 / 20 015 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 21. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Juni 2019) zum Thema: Umgang der Polizei mit THC-schwachen und CBD-haltigen Cannabisprodukten und Antwort vom 11. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Jul. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20 015 vom 21. Juni 2019 über Umgang der Polizei mit THC-schwachen und CBD-haltigen Cannabisprodukten ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann und an welchen Orten hat die Berliner Polizei jeweils seit Oktober 2018 in welchem Umfang und an welchen verschiedenen Orten (Spätkauf, Produktionsstätten, Privatwohnungen, öffentlicher Raum etc.) auf welcher jeweiligen Rechtsgrundlage Cannabisblüten sichergestellt, die mit dem Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) gekennzeichnet waren? (Bitte aufschlüsseln nach Datum, Orten, Produktarten und Rechtsgrundlage.) 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seitdem anlässlich der unter 1. genannten Sicherstellungen aufgrund welcher Deliktsvorwürfe gegen wie viele Personen jeweils eingeleitet? Zu 1. und 2.: Die Polizei Berlin führt keine gesonderte Statistik zum Thema „CBD-haltige Cannabisprodukte“. Im Polizeilichen Landessystem für Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) steht kein gesondertes Auswertemerkmal zu CBDhaltigen oder THC-armen Produkten zur Verfügung. Ermittlungsverfahren werden wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geführt. Hierbei kann je nach Sachlage auch die Zuständigkeit des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg gegeben sein, wenn Produkte in das Ausland verbracht oder aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt werden. Rechtsgrundlagen für das polizeiliche Einschreiten ergeben sich aus der Strafprozessordnung in Verbindung insbesondere mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Demnach ist jeglicher Besitz oder Handel, auch mit geringen Mengen an Betäubungsmitteln, ohne Genehmigung des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), strafbewehrt. Die Einstellung nach § 31 oder § 31a (BtMG) obliegt der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens. 3. Wurden im Rahmen der unter 2. genannten Ermittlungsverfahren die sichergestellten Produkte auf ihre Wirkstoffgehalte von Tetrahydrocannabinol (THC) überprüft? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? a) Wurden in den sichergestellten Produkten die Wirkstoffgehalte des psychoaktiven Delta-9-THC und der nicht-psychoaktiven Tetrahydrocannabinol-Säure (THCA) getrennt analysiert? b) Wurden die ermittelten Wirkstoffgehalte in den Ermittlungsakten nach Delta-9-THC und THCA getrennt ausgewiesen? Seite 2 von 5 c) Werden grundsätzlich bei der Analyse sichergestellter Cannabisprodukte die Wirkstoffgehalte des psychoaktiven Delta-9-THC und der nicht-psychoaktiven Tetrahydrocannabinol-Säure (THCA) getrennt analysiert? Zu 3 a- c.: Beim Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes (LKA KTI 41) werden Delta-9-THC und Tetrahydrocannabinol-Säure (THCA) nicht getrennt untersucht, da die Untersuchung mittels Gaschromatographie erfolgt, um die bei Hitzeeinfluss sich in THC umwandelnde THC-Säure mit zu erfassen. 4. Wurden seit Oktober 2018 auch hanfhaltige Lebensmittel sichergestellt? Wenn ja, wann, welche, wo und in welchem Umfang? Zu 4.: Nein. 5. Auf welcher gesetzlichen Grundlage und unter Berufung auf welche gerichtliche Rechtsprechung hat die Berliner Polizei seit Oktober 2018 Sicherstellungen von welchen verschiedenen Produktarten (Blüten, Lebensmittel, etc.) vorgenommen, die laut Selbstdeklaration CDB und einen THC-Gehalt von unter 0,2 % aufweisen? Zu 5.: Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften hat der Gesetzgeber die Position Cannabis in den Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG geändert. Das BtmG unterscheidet seitdem zwischen Cannabis der Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) und Cannabis der Anlage I (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel). Anlage I sieht zudem Ausnahmeregelungen (siehe insbesondere Buchstabe b unter der Position Cannabis) vor. Nach dem Buchstaben b unter der Position Cannabis in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG sind Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausgenommen, wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut von bestimmten Sorten stammen oder ihr Gehalt an THC 0,2 % nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Diese Ausnahmeregelung des BtMG gilt auch für Zubereitungen aus den Pflanzen und Pflanzenteilen, wenn sie die vorgenannten Bedingungen erfüllen. Da sich die Ausnahmeregelung auf gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecke beschränkt, dürfen bearbeitete oder unbearbeitete Pflanzenteile (z. B. lediglich getrocknetes und zerkleinertes Pflanzenmaterial) nicht an den Endverbraucher abgegeben oder durch Privatpersonen eingeführt werden. Durch das OLG Hamm (4 RVs 51/16) und das OLG Zweibrücken (1 Ss 13/10) wurde festgestellt, dass ein Handel mit Cannabisprodukten mit der Absicht der Abgabe an Endverbraucher nicht durch die Ausnahmeregelung nach Anl. I zu § 1 Abs. 1 BtMG, Cannabis, Buchstabe b gedeckt ist, wenn die privilegierenden gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecke nicht auch bei den Endverbrauchern vorliegen. Folglich besteht eine Erlaubnispflicht gemäß § 3 Abs. 2 BtMG, wenn man mit den o. g. Produkten Handel treiben oder diese verarbeiten will. Ein Umgang ohne Erlaubnis stellt demzufolge einen Verstoß gegen das BtMG dar. Die Polizei hat bei Bekanntwerden eines Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht des BtMG keinen Ermessensspielraum. Nicht von der Regelung des § 29 BtMG betroffen sind jedoch Zubereitungen (zum Beispiel Körperpflegeprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel) mit verarbeitetem Seite 3 von 5 Hanf der vorgenannten Sorten, auch wenn noch geringe, aus den Pflanzenteilen stammende THC-Restgehalte enthalten sein sollten. Voraussetzung für die Abgabe an den Endverbraucher ist jedoch, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen werden kann. Dabei kann sich auf die Grenzwerte des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) berufen werden, sofern eine orale Aufnahme des Produktes beabsichtigt ist. 6. Hat sich seit Oktober 2018 die rechtliche Bewertung der Herstellung, des Inverkehrbringens, des Besitzes oder des Konsums verschiedener Produkte (Blüten, Lebensmittel, etc.), die laut Selbstdeklaration CDB und einen THC-Gehalt von unter 0,2 % aufweisen, durch die Polizei geändert? Wenn ja, wie konkret? Zu 6.: Nein. 7. Wird bei bestimmten Produktarten (Blüten, Lebensmittel, etc.), die laut Selbstdeklaration CDB und einen THC-Gehalt von unter 0,2 % aufweisen, von einer Sicherstellung und der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen? Wenn ja, bei welchen Produktarten und aus welchen genauen Gründen? Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 5. 8. Existieren Richtlinien, Verordnungen oder Weisungen für den Umgang der Berliner Polizei mit CBD-Produkten und für die Durchführung polizeilicher Maßnahmen? Wenn ja, seit wann, welche, mit welchen genauen Regelungsgehalten? Bitte im Original beifügen. Zu 8.: Innerhalb der Polizei Berlin existieren keine Richtlinien, Verordnungen oder Weisungen die Fragestellung betreffend. Das Einschreiten erfolgt nach Strafprozessordnung (StPO) und Betäubungsmittelgesetz (BtMG). 9. Welche polizeilichen Maßnahmen richten sich üblicherweise auf welcher jeweiligen Rechtsgrundlage gegen Personen, die CBD-haltige Produkte mit einem THC-Wirkstoffgehalt von unter 0,2 % a) konsumieren oder b) mit sich führen? Zu 9 a. und b.: Personen, die Cannabisprodukte, hier speziell Cannabisblüten, ohne besondere Erlaubnis mitführen, werden unabhängig von einem Wirkstoffgehalt gleich behandelt. Als strafprozessuale Maßnahmen kommen im Zusammenhang mit dem BtMG insbesondere die Identitätsfeststellung, Durchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahme in Frage. Über eine Verfahrenseinstellung gemäß § 31a BtMG entscheidet die Staatsanwaltschaft Berlin als Herrin des Verfahrens. 10. Wurden Polizeibeamt*innen für den Umgang mit CBD-Produkten fortgebildet oder sensibilisiert, beispielsweise für Polizeieinsätze an Orten, an denen CDB-Produkte hergestellt, in Verkehr gebracht oder von Personen mitgeführt oder öffentlich konsumiert werden? Wenn ja, welche Polizeibeamt*innen welcher jeweiliger Untergliederungseinheiten wann und mithilfe welcher Instrumente, Merkblätter, etc. und mit welchen jeweiligen Informationen? Bitte im Original beifügen. Seite 4 von 5 Zu 10.: Nein, Dienstkräfte der Polizei Berlin wurden für diese Thematik nicht gesondert fortgebildet. In Einzelfällen erfolgte eine telefonische Beratung und Sensibilisierung der Dienstkräfte über das LKA 43 (Dezernat für Rauschgift- und Arzneimittelkriminalität) oder Dir 1 – 6 K 34 (Rauschgiftkommissariate der örtlichen Direktionen). Dies erfolgt insbesondere, wenn Unklarheiten bestehen, welche Gegenstände oder Waren nicht beschlagnahmefähig sind. 11. Hat die Berliner Polizei seit Oktober 2018 Kontrollen im Bereich des Verkaufs von CBD-Produkten in Spätkauf-Läden verstärkt? Wenn ja, an welchen Orten bzw. in welchen Postleitzahlbereichen und mit Blick auf welche verschiedenen Produktarten (Blüten, Lebensmittel, etc.)? Zu 11.: Nein. 12. Wie genau geht von Produkten, die CBD und einen THC-Gehalt von unter 0,2 % enthalten, nach Auffassung des Berliner Senats eine Rauschwirkung aus? Zu 12. und 14.: Aus betäubungsmittelrechtlicher Sicht sind Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen nach der geltenden Fassung der Anlage I zu § 1 Absatz 1 (BtMG) von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ausgenommen, wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut stammen oder ihr Gehalt an THC 0,2 % nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Sofern also entsprechende Produkte aus Hanf mit geringem Wirkgehalt (max. 0,2 % THC) gewonnen wurden und der THC-Gehalt im Endprodukt die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als sicher beurteilte tägliche Aufnahmemenge von 1-2 µg THC pro kg Körpergewicht nicht überschritten wird (siehe hierzu Richtwerte des BfR: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2000/07/bgvv_empfiehlt_richtwerte_fue r_thc__tetrahydrocannabinol__in_hanfhaltigen_lebensmitteln-884.html), kann im Allgemeinen eine Rauschwirkung ausgeschlossen werden, sodass ein Missbrauch zu Rauschzwecken unwahrscheinlich wäre. Beim Genuss von Produkten, bei denen allein auf einen THC-Wirkstoffgehalt von unter 0,2 % abgestellt wird, kann ein Missbrauch zu Rauschzwecken hingegen nicht sicher ausgeschlossen werden, da hierbei der tatsächliche THC-Gehalt und die tägliche Aufnahmemenge des konkreten Produktes zu berücksichtigen sind. So würde z. B. bei einem zum Verzehr („Genuss“) bestimmten Produkt mit einem THC- Gehalt von 0,1% (= 100 mg THC/ 100 g Produkt) bereits mit der Aufnahme von etwa 2,5 g des Produktes der so genannte LOAEL (lowest-observed adverse effect level) von 2,5 mg/Person erreicht werden. Etwa 5 bis 10 Gramm eines Produktes mit 0,1 % THC-Gehalt (entsprechend 5 bis 10 mg THC) würden demnach zur Aufnahme einer für Rauschzwecke ausreichenden Menge THC führen. Hinsichtlich des Risikos der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch hanfhaltige Lebensmittel wird ergänzend auf die Stellungnahme Nr. 034/2018 des Bundesinstitut für Risikobewertung vom 8. November 2018 verwiesen: https://www.bfr.bund.de/cm/343/tetrahydrocannabinolgehalte-sind-in-vielenhanfhaltigen -lebensmitteln-zu-hoch-gesundheitliche-beeintraechtigungen-sindmoeglich .pdf. Seite 5 von 5 13. Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen es zu einem Missbrauch zu Rauschzwecken durch den Genuss von Produkten kam, die CBD und einen THC-Wirkstoffgehalt von unter 0,2 % enthalten? Wenn ja, wie viele? Zu 13.: Dem Senat sind bisher keine derartigen Fälle bekannt geworden. 14. Ist nach Einschätzung des Senats ein „Missbrauch zu Rauschzwecken“, wie er für Cannabis in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG ausgeschlossen werden soll, durch den Genuss von Produkten, die CBD und einen THC-Wirkstoffgehalt von unter 0,2 % enthalten, überhaupt möglich? Zu 14.: Siehe Antwort zu Frage 12. Berlin, den 11. Juli 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport