Drucksache 18 / 20 028 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 25. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juni 2019) zum Thema: Gefangene in den Berliner Justizvollzugsanstalten und Antwort vom 11. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20028 vom 25. Juni 2019 über Gefangene in den Berliner Justizvollzugsanstalten -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1a. Wie werden die Belegungszahlen der Berliner Justizvollzugsanstalten ermittelt? Zu 1a.: Die Belegungsstatistik für die Berliner Justizvollzugsanstalten wird jede Woche am Mittwoch erstellt. Hierfür ermitteln die Justizvollzugsanstalten über eine Abfrage im Fachverfahren BasisWeb den jeweiligen tagesaktuellen Bestand der Gefangenen (Frühbericht ), differenziert nach Unterbringungsbereichen und Haftart. Dieser Gefangenenbestand wird ergänzt um die (aufgrund von Krankenhausaufenthalt, Termin in anderen Bundesländern etc.) aktuell abwesenden Gefangenen. Diese Belegungszahlen werden dann an die Aufsichtsbehörde übermittelt und in einer Übersicht mit der jeweiligen Belegungsfähigkeit der Justizvollzugsanstalten zusammengeführt. 1b. Werden stillgelegte Bereiche in die Belegungszahlen hinein gerechnet? Zu 1b.: Nein, stillgelegte Bereiche werden in der Belegungsstatistik nicht berücksichtigt. 1c. Seit wann werden die Belegungszahlen nach dem unter 1a. beschriebenen Verfahren ermittelt? Zu 1c.: Die Belegungszahlen (Bestand der Gefangenen und Belegungsfähigkeit) werden in der beschriebenen Form seit ca. 1990 ermittelt. Die Erhebungsmethode wurde über die Zeit an die jeweiligen technischen Möglichkeiten angepasst. 2. Wie ist das Verhältnis offener Haftbefehle zu Haftzahlen? Bitte den Zeitraum der letzten zehn Jahre darstellen . Zu 2.: Über das Verhältnis offener Haftbefehle zu Haftzahlen für den Zeitraum der letzten zehn Jahre kann mangels entsprechender statistischer Erhebung keine Aussage getroffen werden. 3a. Wie ist der Stand zur Behebung der laut des Jahresberichts 2017 der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter angemahnten Verstöße u. a. in der JVA Tegel? 2 Zu 3a.: Bezüglich der Behebung der von der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter in ihrem Jahresbericht 2017 angemahnten Verstöße wird zunächst auf die Antwort zur Schriftlichen Anfrage Nr. 18/15569 des Herrn Abgeordneten Sebastian Walter (Bündnis 90/Die Grünen) aus Juli 2018 verwiesen. Darüber hinaus kann folgender neuer Sachstand mitgeteilt werden: Bauliche Gegebenheiten in der Teilanstalt (TA) II, ihre panoptische Bauweise und der dort herrschende Personalmangel: Es ist geplant Mittel für die Instandsetzung der TA II der JVA Tegel in die Investitionsplanung einzustellen. Eine abschließende Entscheidung bleibt dem Haushaltsgesetzgeber überlassen. Einhaltung und Fortschreibung der Vollzugspläne: Für die Erstellung und Fortschreibung der Vollzugs- und Eingliederungspläne wird ausschließlich das Fachverfahren SoPart benutzt. Mit der Einführung dieses Fachverfahrens wird eine kontinuierliche Verbesserung der fristgerechten Fortschreibung von Vollzugsplänen angestrebt. Fehlende Angebote auf der Sicherungsstation (Arbeit, Sport, Freizeit, psychologische Betreuung): In jüngster Vergangenheit ist bei langer Unterbringungsdauer in der Sicherungsstation in einigen geeigneten Fällen versucht worden, geringfügige Beschäftigung anzubieten. Die regelmäßige psychologische Betreuung ist gewährleistet, wobei die Gespräche nicht auf 60 Minuten begrenzt sind, wie noch in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15569 angegeben. Äußert ein Insasse Bedarf oder wird seitens des Psychologischen Dienstes Bedarf erkannt, werden den in der Sicherungsstation B 1 untergebrachten Gefangenen auch weitere Gesprächsangebote unterbreitet. Mangelnde Transparenz über die Aufenthaltsdauer auf der Dealerabschirmstation: Gegenwärtig wird überprüft, ob Möglichkeiten bestehen, den Behandlungsauftrag in diesem Sicherheitsbereich, nämlich die Distanzierung der Gefangenen vom inneranstaltlichen Drogenhandel zu erreichen, zielgenauer umzusetzen und die Transparenz über die Aufenthaltsdauer noch zu erhöhen. 3b. Welche Maßnahmen werden getroffen, um Lärm, fehlender Privatsphäre und zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen entgegen zu wirken, die ebenfalls Bedienstete belasten? Bitte nach JVA aufschlüsseln. Zu 3b.: Grundsätzlich ergreifen alle Justizvollzugsanstalten vergleichbare Maßnahmen, um ungünstigen Arbeitsbedingungen für die Bediensteten entgegenzuwirken. Dazu zählen insbesondere regelmäßige Begehungen der Arbeitsplätze mit der Betriebsärztin bzw. dem Betriebsarzt und der Fachkraft sowie Gefährdungsbeurteilungen. Darüber hinaus stehen bei Bedarf die folgenden konkreten Maßnahmen bereit bzw. werden folgende Maßnahmen ergriffen: Lärm: pädagogische Interventionen bei übermäßigem Lärm durch Arrestierte bzw. Gefangene ; Bereitstellen von Gehörschutz (v.a. in den Werkbetrieben), 3 Privatsphäre: eigene Umkleideräume mit angeschlossenen Toiletten und Duschen; separate Ruheräume für Rückzugsmöglichkeiten; Auskunftssperre/Übermittlungssperre beim zuständigen Melderegister und zu hohe/zu niedrige Temperaturen: Bereitstellung von Wasserspendern, Ventilatoren bzw. Klimageräten; Jalousien an den Fenstern; Merkblatt über Verhaltensregeln bei Sommerhitze; Bereitstellung mobiler Heizlüfter. 4a. Welche sogenannten Subkulturen sind in den Berliner Justizvollzugsanstalten wahrnehmbar vertreten? Bitte bei Rockern, Clans, Mafien etc. nach Name und ungefährer Anzahl der Mitglieder in den Berliner Justizvollzugsanstalten darstellen. Zu 4a.: Subkulturelle Aktivitäten im Justizvollzug beziehen sich nicht zwangsläufig auf einen bestimmten Personenkreis, sondern auf die Art der Tätigkeiten wie beispielsweise der Handel mit unerlaubten Gegenständen und Substanzen sowie das negative Einwirken auf Mitgefangene. Hinsichtlich der Zuordnung nach Clans und anderen Vereinigungen wird auf die Antwort zu Frage 3 a) der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/13336 vom 30. Januar 2018 verwiesen. Vor diesem Hintergrund können keine validen Angaben gemacht werden. 4b. Welche sogenannten Subkulturen sind untereinander verfeindet und tragen dies innerhalb der Berliner Justizvollzugsanstalten aus? Zu 4b.: Bei einzelnen Vorkommnissen ist zumeist ein persönlicher Bezug auslösender Faktor, sodass verallgemeinernde Aussagen nicht gemacht werden können. 4c. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Mitglieder verfeindeter Subkulturen in den Berliner Justizvollzugsanstalten zu trennen? Zu 4c.: Besteht ein Sicherheitsproblem bei einer größeren Gruppe von Gefangenen, so wird dem zunächst anstaltsintern durch Trennungsverfügungen und eine Unterbringung in verschiedenen Haftbereichen begegnet. In besonderen Fällen kommt in Abhängigkeit von der Vollzugsform auch eine Verteilung auf verschiedene Justizvollzugsanstalten in Betracht. Darüber hinaus können unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen besondere Sicherungsmaßnahmen bis hin zu einer vorübergehenden Absonderung angeordnet werden. 5. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für die sogenannten Ersatzfreiheitsstrafer im Vergleich zu anderen Gefangenengruppen? Zu 5.: Die durchschnittlichen Tageshaftkosten einer bzw. eines Gefangenen werden seit dem Haushaltsjahr 1994 bundeseinheitlich berechnet. Seit 2014 werden die Tageshaftkosten bei Vollbelegung aller Haftplätze entsprechend der Belegungsfähigkeit und die Kosten aufgrund der tatsächlichen Belegung im abgelaufenen Kalenderjahr ausgewiesen . Eine Differenzierung nach Vollzugsarten ist nicht möglich, da Haushaltstitel die Berechnungsgrundlage bilden. Danach ergeben sich für das Land Berlin im Haushaltsjahr 2018 folgende Tagessätze: 4 2018 nach Belegungsfähigkeit nach tatsächlichen Hafttagen Tageshaftkosten 126,79 € 157,39 € Bau-Investitionskostensatz 1,19 € 1,47 € Sach-Investitionskostensatz 2,04 € 2,54 € Gesamt-Tageshaftkosten 130,02 € 161,40 € 6. Wie viele Dolmetscher arbeiten in den Berliner Justizvollzugsanstalten? Ist eine Erhöhung der Anzahl geplant? Zu 6.: Die Vermittlung von Dolmetscherinnen und Dolmetscher für den Justizvollzug obliegt dem „Zentralen Dolmetscherdienst für die Berliner Justizvollzugsanstalten und die Sozialen Dienste der Justiz (ZDD)“, der über die JVA Moabit koordiniert wird. Für den ZDD sind ca. 86 Dolmetscherinnen und Dolmetscher tätig, die bei Bedarf kontaktiert werden können. Besteht Bedarf an Sprachen, die über die Dolmetscherinnen und Dolmetscher des ZDD nicht abgedeckt sind, kann auf das „Gemeinsame Verzeichnis der für die Berliner Gerichte und Notare allgemein beeidigten Dolmetscher und ermächtigten Übersetzer“ zugegriffen werden. Diese Möglichkeit besteht auch für den Fall, dass keine Verhandlungsdolmetscherin bzw. kein Verhandlungsdolmetscher des ZDD erreichbar ist oder kein termingerechter Einsatz erfolgen kann. Eine Erhöhung der Anzahl ist daher nicht vorgesehen. 7a. Wie viele Gefangene gehen einer Beschäftigung innerhalb oder außerhalb der Berliner Justizvollzugsanstalten nach und wie viele gehen keiner Beschäftigung nach? Zu 7a.: Mit Stand April/Mai 2019 gingen in den Berliner Justizvollzugsanstalten insgesamt 2.627 Gefangene einer Beschäftigung nach. Darunter fallen gem. §§ 20 ff. Strafvollzugsgesetz Berlin (StVollzG Bln) arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeit. 1.194 Gefangene gingen keiner Beschäftigung im o.g. Sinne nach. 7b. Nach welchen Kriterien werden Gefangene für eine Beschäftigung zugelassen? Zu 7b.: Bei der Zuweisung einer Beschäftigung sind gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 StVollzG Bln die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Gefangenen zu berücksichtigen. Um die Gefangenen bestmöglich in für sie geeigneten Beschäftigungsmaßnahmen einsetzen zu können, führt der Berliner Justizvollzug in drei Justizvollzugsanstalten (JVA Moabit, JVA für Frauen und der JVA des Offenen Vollzuges) ein Kompetenzfeststellungsverfahren durch. Dabei werden bereits bei Haftantritt die Berufs- und Bildungsbiographie der Teilnehmenden erfasst und Leistungstests in den Bereich Lesen, Schreiben und Rechnen durchgeführt. Bestandteile sind zudem ein Selbsteinschätzungsverfahren sowie umfangreiche Tests zur handwerklich-motorischen Eignung und zu berufsbezogenen sozialen Kompetenzen. Das Verfahren endet mit einer konkret am Bedarf des Teilnehmenden orientierten Empfehlung zur Beschäftigung bzw. Qualifizierung innerhalb und/oder außerhalb des Justizvollzugs. Im Übrigen arbeiten beim Beschäftigungseinsatz der Sozialdienst sowie die Bereiche für Beschäftigung und Qualifizierung in den Anstalten eng zusammen , um einen möglichst passgenauen Einsatz für die Gefangenen sicherzustellen. 5 7c. Welcher Tätigkeit im Sinne der Resozialisierung gehen Gefangene nach, die keine Beschäftigung haben ? Zu 7c.: Gefangenen, die sich aus unterschiedlichen Gründen (z. B. Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters, Krankheit etc.) nicht in einer Beschäftigungsmaßnahme im o. g. Sinne befinden, steht eine Vielzahl von Möglichkeiten innerhalb des Justizvollzuges offen, um das Vollzugsziel der Resozialisierung zu erreichen. Darunter fallen verschiedene Behandlungsmaßnahmen, die von Suchtbehandlungs- und Schuldnerberatungsprogrammen , Anti-Aggressionstrainings und verhaltens- sowie sozialtherapeutischen Maßnahmen bis hin zur Erprobung in Freiheit in unterschiedlich intensiven Lockerungsstufen reichen. Daneben bieten die Justizvollzugsanstalten diverse Freizeitmaßnahmen an, um die beschäftigungsfreie Zeit der Gefangenen mit sinnvollen Tätigkeiten zu gestalten. Dazu gehören u. a. verschiedene Sportmöglichkeiten, künstlerische Betätigungen oder religiöse Betreuungsangebote. Diese Angebote stehen natürlich auch den arbeitenden Gefangenen zur Verfügung. Berlin, den 11. Juli 2019 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung