Drucksache 18 / 20 032 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) vom 24. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2019) zum Thema: Neue Shoppingmall am Hermannplatz? und Antwort vom 11. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20032 vom 24. Juni 2019 über Neue Shoppingmall am Hermannplatz? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche städtebaulichen Pläne und Ziele gibt es für das Gebiet rund um den Hermannplatz? Frage 2: Sollte der geplante Neubau des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz umgesetzt werden: Welche Auswirkungen erwartet der Senat im Hinblick auf a) die soziale Zusammensetzung der angrenzenden Quartiere? Das Bauvorhaben liegt im Grenzgebiet dreier Erhaltungsgebiete (sechs weitere im Einflussgebiet), in denen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch die höchsten Mietsteigerungsraten deutschlandweit gefährdet ist. b) die verbrauchernahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs – auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, die geschützt werden soll und die auf das langjährig gewachsene, sehr spezielle Angebot angewiesen ist? Sieht der Senat die Möglichkeit, eine Genehmigungspflicht für Nutzungsänderungen zum Schutz der besonderen gewerblichen Infrastruktur auszusprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 77/84)? d) Belange des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit? Hat der Senat Kenntnis über die Energieeffizienz der Bestandsgebäude, und wie lange dauert es, bis ein Abriss und Neubau – auch bei Berücksichtigung der grauen Energie – sich energetisch „rechnet“? Hält der Senat es für machbar, das Bestandsgebäude energetisch zu ertüchtigen? e) verkehrliche Belange? Welcher Einfluss auf die Verkehrssituation und das Verkehrsaufkommen ist durch eine etwaige Großbaustelle (voraussichtliche Bauzeit mindestens fünf Jahre) und die Inbetriebnahme einer monumentalen Shoppingmall inklusive weiterer gewerblicher Nutzungen zu erwarten? 2 Welche Verkehrsplanungen gibt es rund um den Hermannplatz, und welche Auswirkungen hätte ein Neubau auf diese Planungen? f) die Aufenthaltsqualität am Hermannplatz? Welche planerischen Kriterien und Methoden gibt es, um diese valide zu bewerten? Hat der Senat Kenntnis über etwaige Erhebungen? g) die städtebauliche Fassung des Platzes, die Maßstäblichkeit und das Einfügen in die bauliche Umgebung? Frage 3: Welche Kenntnisse hat der Senat bzw. haben die Bezirke über den heutigen Bestand an Gewerbe und sozialen Einrichtungen im erweiterten Umfeld des Hermannplatzes? Frage 4: Wie ist der Stand und welche Verfahrenspläne gibt es bei der Umsetzung einer Gewerbevermittlungsagentur und eines Generalmietervertrages für soziale Infrastrukturen? Frage 8: Wie viele Mitarbeiter*innen sind derzeit bei Karstadt am Hermannplatz beschäftigt und wie viele Mitarbeiter*innen haben die weiteren Betriebe im betroffenen Gebäude? Was wird aus den Mitarbeiter*innen während der Bauzeit und nach der Wiedereröffnung (bitte getrennt betrachten nach Angestellten von Karstadt und nach anderen Betrieben)? Müssen sich die Mitarbeiter*innen auf eine Entlassungswelle einstellen? Wird das neue Vorhaben eine deutliche Verkleinerung von Karstadt selbst vorsehen? Frage 10: Geht der Senat davon aus, dass der Neubau/die Umgestaltung des Gebäudes der Wertsteigerung der Immobilie dient, die eventuell zukünftig verkauft werden soll, oder resultiert der Plan für den massiven baulichen Eingriff wesentlich aus der Nachfragestruktur der Bevölkerung im Umfeld, die vermeintlich derzeit nicht mehr befriedigt werden kann? Frage 11: Wie teilt sich die Verantwortlichkeit für die Neuplanung zwischen den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln auf? Frage 12: Sollte der Senat die Planungen an sich ziehen, um die gefährdeten Arbeitsplätze ebenso zu sichern wie die Alltagsversorgung der Bevölkerung und das ortstypische Gewerbe im Einzugsbereich und angesichts der Beteiligung mehrerer Bezirke und Ressorts einen städtebaulich und verkehrspolitisch ganzheitlichen Entwurf entwickeln? Antwort zu 1, 2, 3, 4, 8, 10, 11 und 12: Die Planungen rund um den Hermannplatz betreffen die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Derzeit stimmen sich beide Bezirke bezüglich der weiteren Planungen ab. Da die Planungsphase aktuell erst beginnt, können noch keine weiteren Aussagen gemacht werden. In einem gemeinsamen Termin mit den beiden Bezirken wurde das Projekt vom Vorhabenträger insbesondere bezüglich der Architekturgestaltung vorgestellt. Der Senat betonte in diesem Gespräch, dass bevor architektonische Aspekte vertieft werden, die übergeordneten planerischen Fragen mit den Bezirken geklärt werden müssen. Dabei sind die Fragen der Quartier-, Sozial- und Strukturverträglichkeit vorrangig und kritisch zu betrachten. Frage 2 c) Welche Auswirkungen erwartet der Senat im Hinblick auf Baukulturelle und denkmalrechtliche Belange? Welche betroffenen Gebäude stehen unter Denkmalschutz, was gemeinhin einen Abriss ausschließt? Unter welchen Umständen kann ein Abriss dennoch genehmigt werden? Sieht der Senat solche Umstände als gegeben an? 3 Antwort zu Frage 2 c: Das Warenhaus Karstadt ist in der Denkmalliste Berlin wie folgt verzeichnet: Hermannplatz, Warenhaus Karstadt, 1927-29 von Philipp Schaefer, 1951-52 von Alfred Busse (D) Hasenheide, Urbanstraße (FRI-KRE/KREUZ-D) Am Hermannplatz, zwischen Hasenheide und Urbanstraße, wurde 1927-29 nach Plänen des Architekten Philipp Schäfer das Warenhaus ‚Karstadt‘ errichtet. Nach der Sprengung des monumentalen Gebäudes blieb ein dreiachsiger Gebäudetorso an der Hasenheide, Teile der Erschließungskerne an der Gebäuderückseite und die zwei Untergeschosse mit dem darin eingebetteten Kehrgleis der U-Bahn erhalten. 1951-1952 wurde nach einem Entwurf von Alfred Busse im Anschluss an den zu einem Turmbau umgewandelten Gebäudetorso an der Hasenheide ein viergeschossiger Anbau mit zurückgesetztem fünftem Obergeschoß und davorliegendem Dachgarten errichtet. Unter Denkmalschutz stehen also die noch erhaltenen Elemente des Ursprungsbaus von 1927-29 sowie die Reparaturen und Um-/Neubauten der Jahre 1951-52. Die Erweiterungen und Aufstockungen des Gebäudes der folgenden Jahrzehnte sind nicht Bestandteil der Denkmalliste. Eine ganze oder teilweise Beseitigung eines Denkmals bedarf der Genehmigung der Denkmalbehörden. Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. Eine entsprechende Bewertung des Vorhabens kann erst nach Vorlage aussagekräftiger Planunterlagen vorgenommen werden. Siehe auch Antwort zu Frage 1. Frage 5: Welche landesrechtlichen Möglichkeiten gibt es, um das im Umfeld ansässige Gewerbe sowie soziale Einrichtungen vor zu erwartender physischer und ökonomischer Verdrängung zu schützen? Antwort zu Frage 5: Es besteht die Möglichkeit eine Milieuschutzsatzung zu erlassen. Hierbei müssten die Gewerberäume einbezogen werden. Auch die Einführung eines Mietspiegels für Gewerbebauten wäre eine Möglichkeit. Landesrechtliche Möglichkeiten, auf zukünftige Nutzungen, zukünftige Nutzerinnen und Nutzer und zukünftige Miethöhen im geplanten Bau Einfluss zu nehmen, gibt es nicht. Es gilt das bundesweit einheitliche Bauplanungsrecht. Frage 6: Welche landesrechtlichen Möglichkeiten gibt es, um auf die zukünftige Nutzung, zukünftige Nutzerinnen und Nutzer und zukünftige Miethöhen im geplanten Bau Einfluss zu nehmen? Anwort zu Frage 6: Siehe Antwort zu Frage 5. Ein weiteres Instrument ist das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung im Rahmen eines B-Plans; falls eine Wohnnutzung festgesetzt wird. Frage 7: Unter anderem im Koalitionsvertrag, im STEP Wirtschaft und in den kürzlich beschlossenen Anträgen (Drs. 18/1346 & 18/1347) sprechen sich Koalition und Regierung für den Schutz und die Förderung der 4 sogenannten Berliner Mischung, des kleinen Gewerbes und der sozialen Einrichtungen aus: Wie bewertet der Senat das Bauvorhaben vor diesem Hintergrund? Antwort zu Frage 7: Der im Stadtentwicklungsplan (StEP) Wirtschaft 2030 geforderte Schutz der Berliner Mischung zielt auf den Erhalt innenstadtaffinen Gewerbes, vordringlich in Form von produktionsorientierter Nutzung und Handwerk ab. Aussagen zu bestehenden Strukturen im Einzelhandel sind damit nicht verbunden. Der StEP Zentren 2030 zielt darauf ab, Einzelhandelsvorhaben stadt- und zentrenverträglich zu steuern. Dazu arbeitet der StEP Zentren 2030 auf gesamtstädtischer Ebene mit entsprechenden Steuerungsgrundsätzen. Weitergehende Instrumente ähnlich den Instrumenten zur Steuerung von gemeinwohlorientiertem Wohnungsbau gibt es noch nicht. Frage 9: Welche weiteren Karstadthäuser gibt es in Berlin? Welche sollen baulich umgestaltet werden? Sind dem Senat Vorgänge und Anträge aus den Bezirken bekannt? Wie ist jeweils die baurechtliche Situation? Anwort zu Frage 9: Folgende Karstadt-Häuser befinden sich in Berlin: 1 Altstadt Spandau, Karstadt-Haus 2 City West (Wilmersdorfer Straße), Karstadt-Haus 3 City-West (Zoo, Kurfürstendamm, Tauentzienstraße), drei Karstadt-Häuser 6 Karl-Marx-Straße / Hermannplatz / Kottbusser Damm, Karstadt-Haus 7 Müllerstraße, Karstadt-Haus 8 Schloßstraße, Boulevard Berlin 9 Tempelhofer Damm, Karstadt-Haus Auf dem Grundstück zwischen Kurfürstendamm, Augsburger Straße und Rankestraße im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf soll an Stelle des bestehenden Kaufhauses Karstadt ein neues Geschäftsgebäude mit bis zu drei Hochhäusern errichtet werden. Das Baukollegium Berlin sprach sich jedoch in seiner Sitzung am 3. Dezember 2018 gegen Hochhäuser in diesem Bereich aus. Seit dem wird das Projekt in seiner städtebaulichen Struktur überarbeitet. Berlin, den 11.07.2019 In Vertretung Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen