Drucksache 18 / 20 074 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 27. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2019) zum Thema: Anti-Diskriminierungsbeauftragte ohne Rückhalt in Schulen und Verwaltung? und Antwort vom 18. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20074 vom 27. Juni 2019 über Anti-Diskriminierungsbeauftragte ohne Rückhalt in Schulen und Verwaltung ? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Ist es zutreffend, dass die Berliner Anti-Diskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis erklärt hat, ihre Funktion nicht weiter ausüben zu wollen? Wenn ja, welche Gründe hat sie angeführt und wie bewertet der Senat die Beweggründe? Hat es Versuche gegeben, sie in der Funktion zu halten? Wenn ja, welche ? Zu 1.: Die derzeitige Antidiskriminierungsbeauftragte hat sich nicht auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Die Beweggründe sind dem Senat nicht bekannt. Zu dieser Entscheidung hat es mehrfach einen intensiven Austausch gegeben. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat ihr Interesse an der Antidiskriminierungsarbeit mit der tariflichen Anhebung der Stelle und der Einrichtung weiterer Stellen im Bereich Antidiskriminierung, der institutionellen Anbindung an den Leitungsbereich sowie der inhaltlichen Unabhängigkeit des Bereichs deutlich gemacht. 2.) Welche Aufgabe hat die Anti-Diskriminierungsbeauftragte? Und wie scharf wird im Arbeitsalltag des Büros „Das Qualitäts- und Beschwerdemanagement, die Antidiskriminierungsbeauftragte“ zwischen den unterschiedlichen Eingaben abgegrenzt? Übernimmt die Beauftragte nur Diskriminierungsfälle oder auch Mobbing- und sonstige eingereichte Vorkommnisse des Schulalltags? 2 Zu 2.: Die Stelle der/des Antidiskriminierungsbeauftragten wurde im Schuljahr 2016/2017 im Bereich Schule zunächst modellhaft eingerichtet. Sie ergänzt das Qualitäts- und Beschwerdemanagement um eine dezidierte Anlauf- und Fachstelle bei Diskriminierungen . In der Regel unterscheiden die Betroffenen bereits selbst sorgfältig zwischen Beschwerden und Diskriminierungsfällen, entsprechend wird der Sachverhalt bearbeitet . In einigen Fällen ist es zum Beispiel auf Wunsch von Betroffenen zur Erst- und Verweisberatung von Mobbing-Fällen oder zu einer gemeinsamen Beratung gekommen , grundsätzlich werden diese aber an das Beschwerdemanagement, die Qualitätsbeauftragte , die jeweiligen Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungs-zentren (SIBUZ) oder spezifische Anlaufstellen verwiesen . Zu den Aufgaben der Antidiskriminierungsbeauftragten siehe darüber hinaus die Antworten zu den Schriftlichen Anfragen Drs Nr. 18/18763 und Nr. 18/16794. 3.) Wie geht die Anti-Diskriminierungsbeauftragte bei ihrer Arbeit vor (bei Schüler/-innen, Eltern, Schule , Schulaufsicht etc.)? Zu 3.: Die Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten orientiert sich an den Grundprinzipien der Antidiskriminierungsberatung und Standards der diskriminierungskritischen Arbeit. Die Arbeit im Rahmen von Beratung und Meldung von Betroffenen orientiert sich auch hinsichtlich einer eventuellen Intervention immer an den Bedenken von Betroffenen und Ratsuchenden. Inzwischen ist die Antidiskriminierungsbeauftragte mit folgenden Aufgaben betraut, u.a.: • Entgegennahme und Dokumentation von Meldungen (auch anonymisiert) über Diskriminierungen in Schulen • Beratung von Meldenden (nach den Standards der Antidiskriminierungsarbeit) in Erst- und Verweisberatung oder Begleitung sowie Aushandlung von möglichen Lösungen mit den Beteiligten, • Gespräche zur Aufklärung, Beratung, Intervention und Prävention mit einzelnen Lehrkräften, Schulleitungen, Schulaufsicht, Eltern, Schülerinnen und Schülern, usw., • Begleitung von Schulen in Aufarbeitung, Intervention, Prävention bei Diskriminierungsfällen sowie • Kommunikation, Vernetzung und Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich Diskriminierungen in Schule. Zu der Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragte siehe darüber hinaus die Antworten zu den Schriftlichen Anfragen Drs. Nr. 18/18763 und Nr. 18/16794. 4.) Wie viele Fälle hat sie in den vergangenen drei Jahren (je Jahr) bearbeitet? Zu 4.: Die Datenerhebung der bearbeiteten Fälle ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen . 3 Schuljahr Beratung, Meldung und Begleitung Keine Diskriminierungsmerkmale , Verweis 2016/17 183 13 2017/18 203 22 2018/19 276 29 5.) Wie ist die Personal- und Sachmittelausstattung des Büros „Das Qualitäts- und Beschwerdemanagement , die Antidiskriminierungsbeauftragte“, welche Anteile entfallen davon auf die Anti- Diskriminierungsbeauftragte? Zu 5.: Das Team des Qualitäts- und Beschwerdemanagement / ADB besteht aktuell aus dem Beschwerdemanagement mit zwei vollen Stellen, der Qualitätsbeauftragten sowie der Antidiskriminierungsbeauftragten. Die Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten begann im Schuljahr 2016/17 im Umfang einer halben Stelle und wurde seit dem Schuljahr 2017/18 auf eine volle Stelle aufgestockt. Außerdem verfügt die Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten seit 2018 über Mittel für Fortbildungen im Umfang von 20.000 Euro, die zukünftig und unter der Voraussetzung des entsprechenden Beschlusses zum Haushalt 2020/2021 für die Durchführung der Diskriminierungskritischen Qualifizierung und Begleitung von Schulen im DHH 2020/21 aufgestockt werden sollen. Schnittstellen bei der Bearbeitung des Querschnittthemas ergeben sich zu vielen Bereichen , u. a. den Schulaufsichten, Ganztag, Demokratiebildung, Gewaltprävention, Recht, sonderpädagogischer Förderbedarf, Gesundheitsförderung, Schulqualität sowie der Fort- und Ausbildung. In den genannten Bereichen stehen entsprechende Ressourcen bereit. Durch Zuwendungen werden Projekte und Programme zur Prävention von und zum diskriminierungskritischen Umgang mit Diskriminierung verantwortet . 6.) Welche Bindungswirkung haben ihre Empfehlungen? Verfügt sie über Weisungs- und/oder hausinterne Eskalationsrechte (auf Abteilungsleiterebene o.ä.)? 4 Zu 6.: Die Kompetenzen und Aufgaben der zunächst als Pilotprojekt 2016 begonnenen Stelle haben sich entsprechend der internen Evaluationen bedarfsgerecht erweitert. Die Antidiskriminierungsbeauftragte ist im Leitungsbereich der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie angesiedelt und arbeitet in einem hohen Maß eigenverantwortlich . 7.) Wie viele Fälle hat es gegeben, bei denen die Empfehlungen gar nicht bzw. nur teilweise umgesetzt wurden (bitte Anzahl je Geschäftsjahr)? Zu 7.: Dazu wird keine spezifische Statistik geführt. Die Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten soll im Prozess von der Relevanz als Professionalisierungsaufgabe überzeugen und die Menschen mitnehmen. 8.) Gibt es Erkenntnisse, warum der Migrationsrat sich mit einer starken Kritik in den Diskurs eingebracht hat, wonach es „skandalös und gleichzeitig beispielhaft dafür [sei], wie Antidiskriminierung in Deutschland ausgebremst und nicht unterstützt wird“? Wie ist hier die Einschätzung des Senats dazu? 9.) Wie bewertet der Senat die ähnliche Einschätzung des Landeselternausschusses, welcher sagt: „Wir haben den Einsatz der Antidiskriminierungsbeauftragten immer so verstanden, dass sie die notwendigen Befugnisse erhält, um im Sinne der Opfer intervenieren zu können und mögliche systemische und strukturelle Veränderungen in Gang zu setzen, die für eine Verbesserung sorgen können!“ 10.) Welche Möglichkeiten sieht der Senat die Stellung der Beauftragten (gilt dann auch für die Stelle eines Anti-Mobbingbeauftragten) zu stärken? Und bis wann sollen die Verbesserungen umgesetzt sein? Zu 8., 9.,10.: Aus Sicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat sich die Einrichtung der Anti-Diskriminierungsstelle sehr bewährt. Sie nimmt deutschlandweit eine Vorreiterrolle ein und wird sowohl von der Fachöffentlichkeit als auch von anderen Bundesländern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und als Referenzmodell betrachtet . Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie versteht die Anstrengung für einen umfassenden Diskriminierungsschutz als dauerhafte Aufgabe, die mit begleitendem Monitoring einhergeht. Daraus ergibt sich, dass auch die Kompetenzen der Stelle im Sinne einer Aufgabe für einen umfassenden Diskriminierungsschutz kontinuierlich weiterentwickelt werden. Angesichts steigender Bedarfe an Antidiskriminierungsarbeit in den Schulen beabsichtigt die Senatsverwaltung deshalb, die Antidiskriminierungsstelle im Rahmen der im Einzelplan zur Verfügung stehenden Mittel auszubauen und weiter zu stärken. Beabsichtige Maßnahmen sind beispielsweise die dauerhafte und unbefristete Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle (Stellenbesetzungsverfahren bereits abgeschlossen), eine höhere Bewertung der Leitungsstelle sowie die personelle Aufstockung der Antidiskriminierungsstelle (zwei zusätzliche halbe Stellen, Ausschreibung bereits erfolgt). Weiterhin wird aktuell die Stelle der Anti-Mobbingbeauftragten bzw. des Anti- Mobbingbeauftragten besetzt. Die Expertin bzw. der Experte wird eng mit der Antidiskriminierungsstelle zusammenarbeiten. Ziel ist, den Schutz von Opfern von Diskriminierung und Mobbing zu verbessern und die Schulen im Kampf gegen Mobbing 5 und Diskriminierung noch besser zu unterstützen. Die Aussage, dass in Berlin Antidiskriminierung ausgebremst werden würde, trifft daher aus Sicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie nicht zu. Zu den Aussagen des Migrationsrates muss der Fragesteller den Migrationsrat direkt befragen. Die Senatsverwaltung wird mit dem Migrationsrat kurzfristig ein Gespräch vereinbaren. 11.) Wie grenzt sich die Arbeit der Anti-Diskriminierungsbeauftragten von der zu schaffenden Stelle eines Anti-Mobbingbeauftragen ab? Zu 11.: Aufgaben der/des Anti-Mobbing-Beauftragten werden u.a. sein: Ansprechperson für Beschwerden und Meldungen mit Bezügen zu Mobbing an Schulen, Mitarbeit bei der Entwicklung von Konzepten zu Anti-Mobbingstrategien. Das Beschwerdemanagement der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie , der/die Antidiskriminierungsbeauftragte und die/der Anti-Mobbingbeauftragte werden eng zusammenarbeiten und sich über aktuelle Fälle austauschen, so dass möglichst früh die entsprechende Zuordnung erfolgen kann. In den Schnittstellen der Beratungs-, Interventions- und Präventionsarbeit arbeiten der oder die Antidiskriminierungsbeauftragte und Anti-Mobbing-Beauftragte zusammen. 12.) Welche Personal- und Sachmittelausstattung plant der Senat für die Stelle eines Anti- Mobbingbeauftragten? Zu 12.: In der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ist die/der Anti-Mobbing- Beauftragte als Stabsstelle im Beschwerdemanagement angesiedelt. Schnittstellen bei der Bearbeitung des Querschnittsthemas ergeben sich analog zur bzw. zum Antidiskriminierungsbeauftragten zu Bereichen wie u. a. den Schulaufsichten, Ganztag, Demokratiebildung, Gewaltprävention, Recht, Gesundheitsförderung, Schulqualität sowie der Fort- und Ausbildung. In den genannten Bereichen stehen entsprechende Ressourcen bereit. Durch Zuwendungen werden Projekte und Programme zur Prävention von und zum diskriminierungskritischen Umgang mit Diskriminierung verantwortet . 13.) Welche Bindungswirkung sollen die Empfehlungen des Anti-Mobbingbeauftragten? Zu 13.: Die/der Anti-Mobbing-Beauftragte ist im Leitungsbereich der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie angesiedelt und arbeitet in einem hohen Maß eigenverantwortlich sowie in Vernetzung und enger Abstimmung mit dem Beschwerdemanagement , der Qualitätsbeauftragten sowie der Stelle des Antidiskriminierungsbeauftragten . 6 14.) Zu wann soll der/die Anti-Mobbingbeauftragte seine Tätigkeit aufnehmen? Zu 14.: Die Stelle soll zum 1.1.2020 besetzt sein. Die Bewerbungsfrist endete am 16.7.2019. Berlin, den 18. Juli 2019 In Vertretung Beate Stoffers Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie