Drucksache 18 / 20 079 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 27. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2019) zum Thema: Entlassungsmanagement und Nachsorge – Verlängerte Aufenthalte aufgrund fehlender (heimischer) Anschlussversorgung in Berliner Kliniken? und Antwort vom 09. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20079 vom 27.6.2019 über Entlassungsmanagement und Nachsorge – Verlängerte Aufenthalte aufgrund fehlender (heimischer) Anschlussversorgung in Berliner Kliniken? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Möglichkeiten der Anschlussversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt gibt es aktuell in Berlin? Zu 1.: Die Anschlussbehandlung nach einem Krankenhausaufenthalt richtet sich bundesweit nach den Vorgaben des SGB V. Bereits seit dem Jahr 2007 gewährt § 11 Abs. 4 SGB V den gesetzlich Versicherten einen Anspruch auf ein sog. „Versorgungsmanagement, insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche“. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 wurden die Anforderungen sowie mögliche Inhalte des Entlassmanagements im § 39 Abs. 1 a SGB V erweitert und gesondert spezifiziert. So können die Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements - Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 verordnen. Bei der Verordnung von Arzneimitteln ist dabei eine Packung mit der kleinsten Packungsgröße zu verordnen. Die anderen Leistungen können für einen Zeitraum von sieben Tagen verordnet werden. - die Arbeitsunfähigkeit feststellen. Die weitere Ausgestaltung des Entlassmanagements insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit der verschiedenen Leistungserbringer wurde seitens des Gesetzgebers der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Pflegekassen sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem Rahmenvertrag überantwortet (§ 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V). Gemäß dem Rahmenvertrag in der aktuell gültigen 2. Änderungsfassung vom 12.12.2018 erfolgt das Entlassmanagement patientenindividuell, ressourcen- und teilhabeorientiert in - 2 - 2 enger Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten. Das jeweilige Krankenhaus stellt dabei ein standardisiertes Entlassmanagement sicher. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Feststellung des individuellen Weiterbehandlungsbedarfs durch Inanspruchnahme eines geeigneten Assesments, auf dessen Basis ein Entlassplan erstellt wird. Der Entlassplan umfasst neben den in § 39 Abs. 1a SGB V spezifizierten Maßnahmen auch die frühzeitige Kontaktaufnahme zu weiteren Leistungserbringern z.B. - weiterbehandelnden Haus- oder Fachärztinnen und -ärzten - Pflegediensten - Therapeutinnen und Therapeuten. Dabei ist das Bestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten zur weiteren Behandlung und zum Umfang der weitergegebenen Informationen zu beachten. 2. Wird dieses Angebot vonseiten des Senats aktuell als ausreichend erachtet? Falls nicht, welche konkreten Erkenntnisse hat der Senat bzgl. mangelnder Kapazitäten ambulanter Pflegedienste, fachärztlicher Betreuung bzw. in der Kurzzeitpflege? Zu 2.: Alle genannten Möglichkeiten der Anschlussbehandlung stehen in Berlin zur Verfügung. Der Senat betrachtet das Angebot derzeit gemäß den gesetzlichen Vorgaben als ausreichend , erkennt jedoch auch die in Folge der wachsenden Stadt und des demografischen Wandels notwendige Ausweitung des Pflegebereichs an, um zukünftigen Herausforderungen angemessen gegenübertreten zu können. Dies spiegelt sich unter anderem in der Ausbildungsoffensive für die Pflege und dem Berliner Pakt für die Pflege wider: - In der Ausbildungsoffensive für die Pflege wird das Land Berlin im Jahr 2020 8.424.000 Euro und 2021 15.543.000 Euro zusätzlich in den Haushalt einstellen: Für einen Umlagefonds zur Finanzierung der neuen Pflegeausbildung, als Investitionsmittel und Mietkosten für die Pflegeschulen sowie für eine umfangreiche Ausbildungsoffensive . - Der am 01. April 2019 mit 13 im Pflegebereich aktiven Partnern und der Berliner Krankenhausgesellschaft unterzeichnete Berliner Pakt für die Pflege hat es sich zum Ziel gesetzt, die Ausbildungskapazitäten in Berlin zu verdoppeln. Zudem hat sich der Berliner Pakt für die Pflege zu einer einheitlichen Vergütung in der Ausbildung und einer höheren Vergütung für die Pflegehelferinnen und –helfer und die Fachkräfte bekannt. 3. In wie vielen Fällen seit 2016 konnte eine benötigte Anschlussversorgung an einen Krankenhausaufenthalt nicht (rechtzeitig) gesichert werden und was geschah in solchen Fällen jeweils? 4. In wie vielen Fällen seit 2016 musste der Krankenhausaufenthalt einer Person verlängert werden, da die Anschlussversorgung nicht (rechtzeitig) gesichert werden konnte? Bitte jährlich angeben. 5. Wie lange betrug in den unter 4. genannten Fällen die durchschnittliche sowie jeweils durch widrige Umstände verlängerte Krankenhausaufenthaltsdauer? 6. Wer kam in den unter 4. genannten Fällen für die dadurch entstandenen Kosten auf bzw. hat hierfür grundsätzlich aufzukommen? Resultieren hieraus Schadensersatzansprüche? Zu 3. – 6.: - 3 - 3 Defizite sowie zusätzliche Kosten der Krankenhäuser in diesem Bereich sind dem Senat ebenso wenig bekannt wie etwaige Schadensersatzansprüche. 7. An wen können sich Krankenhäuser, Patienten und Angehörige hilfesuchend wenden, wenn dringend heimische Betreuung benötigt wird? Bitte grundsätzlich angeben, aber auch speziell für Situationen, in denen diese im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt nötig ist. Zu 7.: Wie beschrieben haben die Krankenhäuser die Verpflichtung ein standardisiertes Entlassmanagement vorzuhalten. Dazu gehört, sich um Fragen der rehabilitativen, pflegerischen oder medizinischen Nachsorge zu kümmern. Außerhalb des Krankenhausbereichs stehen die Pflegestützpunkte als Ansprechstellen zur Verfügung. Das Berliner Angebot zur Beratung, Koordinierung und Vernetzung der Pflege ist durch die Berliner Pflegestützpunkte im bundesweiten Vergleich einmalig. Mit insgesamt 36 Berliner Pflegestützpunkten (PSP) steht über das Stadtgebiet verteilt ein Zugang zu neutraler, kompetenter Information und Beratung zu Fragen rund um Pflege und Alter zur Verfügung. Gemessen am Anteil der Bevölkerung sowie der Personalausstattung belegt hier Berlin, neben Rheinland-Pfalz, bundesweit den vordersten Platz. 8. In welcher Höhe stehen hierfür nach welchen gesetzlichen Vorgaben Mittel zur Verfügung? Zu 8.: Für die Umsetzung des Rahmenvertrags Entlassmanagement stehen den Krankenhäusern keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. 9. Was tut der Senat, um eine notwendige Behandlung bzw. adäquate Weiterversorgung im direkten Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt zu gewährleisten? 10. Welche strukturellen bzw. leistungsrechtlichen Verbesserungspotentiale sieht der Senat beim Überleitungsmanagement aus dem Krankenhaus in die Anschlussbetreuung? Zu 9. und 10.: Die Gewährleistung einer notwendigen Behandlung oder der adäquaten Weiterversorgung liegt aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 1a SGB V in der Verantwortung der Partner der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und nicht bei den Ländern . Der Senat misst dem Entlassmanagement dennoch eine zentrale Bedeutung für die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu und hat daher wiederholt Diskussionsprozesse zu diesem Thema begleitet oder initiiert. So hat sich die AG Schlaganfallversorgung des gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a SGB V mit Patientenpfaden und Versorgungsabläufen am Beispiel von Patientinnen und Patienten mit dem Krankheitsbild Schlaganfall auseinandergesetzt. Die dabei auch zum Thema Entlassmanagement gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Krankheitsbilder übertragen. - 4 - 4 Des Weiteren hat sich auf Anregung des Senats eine Sonderveranstaltung des Landespflegeausschusses am 14.12.2018 mit spezifischen Aspekten des Entlassmanagements in fünf Arbeitsgruppen befasst. 11. Welche Zahlen zu obigen Fragen werden aus welchen Gründen ggf. nicht erhoben, welche konkreten Änderungen zur Bedarfserhebung und Problembeseitigung - mit welchem Personal- und Finanzansatz - sind mit welchem Zeitplan geplant? 12. Wem gegenüber haben Krankenhäuser eine Meldepflicht, gibt es eine zentrale Koordination oder Vermittlungsstelle ? Insoweit nicht vorhanden, wie werden solche Instrumente bewertet und zu wann ggf. umgesetzt ? 13. Welche vertraglichen Vereinbarungen gibt es zwischen Ärzten, Krankenkassen und Kliniken hinsichtlich des Entlassungsmanagements? Inwieweit sind diese Vereinbarungen erfolgreich, wer koordiniert und kontrolliert diese? Zu 11. - 13.: Dem Senat ist lediglich der Rahmenvertrag auf Bundesebene zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Pflegekassen sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemäß § 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V bekannt . Separatverträge zwischen Ärzten, Krankenkassen und Kliniken liegen dem Senat nicht vor und erscheinen angesichts der weitreichenden Bestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten auch nicht zweckmäßig. Daher können auch keine Aussagen zur Koordination und Kontrolle dieser Vereinbarungen getroffen werden. 14. In welchem Umfang steht Personal für das Entlassungsmanagement an Berliner Krankenhäusern zur Verfügung? Bitte um Auflistung aller Kliniken und Krankenhäuser. Zu 14.: In der Regel wird Entlassmanagement in den Krankenhäusern durch multidisziplinäre Teams durchgeführt und ist unter Leitungs- bzw. Managementverantwortung gestellt. Im Rahmen einer zuletzt im Februar 2018 durchgeführten Abfrage der Krankenhäuser zur Beantwortung der Schriftlichen Anfrage mit der Drucksache 18/13550 gaben 24 der 30 Häuser, die sich beteiligt hatten, an, dass der Sozialdienst des Hauses – eng kooperierend mit anderen Bereichen – eine wesentliche Funktion im Entlassmanagement übernehme. 12 Häuser gaben an, dass dieser multidisziplinäre Funktionsbereich in ihrem Haus unter ärztlicher Leitung stehe. Berlin, den 9. Juli 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung