Drucksache 18 / 20 082 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 27. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2019) zum Thema: Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand nach § 224 SGB IX an Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) und Inklusionsbetriebe und Antwort vom 16. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20082 vom 27. Juni 2019 über Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand nach § 224 SGB IX an Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) und Inklusionsbetriebe ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Werkstätten für Menschen mit Behinderung bzw. Inklusionsbetriebe gibt es im Land Berlin aktuell und wie hat sich die Anzahl seit 2016 entwickelt? Bitte jährlich auflisten. Zu 1.: Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und die Inklusionsbetriebe haben sich seit 2016 wie folgt entwickelt: WfbM: Im Land Berlin gibt es seit Jahren 17 Werkstattträger, die an 140 Standorten (davon 96 Betriebsstätten und 44 Außenarbeitsgruppen) Angebote der Teilhabe am Arbeitsleben vorhalten. Drei Werkstattträger verfügen auch über jeweils einen anerkannten Standort im Land Brandenburg, um dort Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Bereich Landwirtschaft, anbieten zu können. Inklusionsbetriebe: In den Jahren 2016 und 2017 gab es 37 Inklusionsbetriebe in Berlin. Im Jahr 2018 hat sich die Zahl auf 38 Betriebe erhöht. 2. Wie viele und welche Träger gibt es im Land Berlin aktuell, die jeweils WfbM bzw. Inklusionsbetriebe betreiben und wie viele behinderte und nicht behinderte Menschen sind dort jeweils beschäftigt? 2 Zu 2.: Siehe Anlage 1. 3. Welche gesetzlichen Voraussetzungen gibt es für eine Auftragsvergabe nach § 224 SGB IX und inwieweit werden anerkannte WfbM bzw. Inklusionsbetriebe nach Maßgabe dieser gesetzlichen Reglung bei der Vergabe in der Praxis bevorzugt? Zu 3.: § 224 SGB IX findet mangels einer von der Bundesregierung zu erlassenden Verwaltungsvorschrift (vgl. § 224 Abs. 1 Satz 2 SGB IX) keine Anwendung. Die Rechtsgrundlagen zur bevorzugten Vergabe an die Werkstätten bzw. Inklusionsbetriebe ergeben sich oberhalb der EU-Schwellenwerte aus § 118 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (Bundesgesetzblatt (BGBl.) I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 10 Absatz 9 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 2739). Die öffentlichen Auftraggeber haben auf dieser Rechtsgrundlage die Möglichkeit, den Wettbewerb um einen öffentlichen Auftrag auf die genannten Werkstätten sowie Unternehmen, in denen mindestens 30 Prozent der Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind, zu beschränken. Diese stehen damit nur untereinander im Wettbewerb. Die Werkstätten dürfen sich darüber hinaus an allen Vergabeverfahren beteiligen, unterliegen dann jedoch dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebot. Unterhalb der EU-Schwellenwerte ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Abschnitt 1 (VOL/A) vom 20.11.2009 (Bundesanzeiger (BAnz.) Nr. 196a vom 29.12.2009) auf der Grundlage der Ausführungsvorschriften zu § 55 Landeshaushaltsordnung (AV § 55 LHO) anzuwenden. Gemäß § 3 Absatz 5 lit. j der VOL/A Abschnitt 1 ist eine Freihändige Vergabe bis zur Höhe der EU- Schwellenwerte an WfbM zulässig, wenn Aufträge ausschließlich an WfbM vergeben werden sollen. Die aktuellen EU-Schwellenwerte betragen 221.000 Euro (netto) für Liefer- und Dienstleistungen bzw. bei der Vergabe so genannter sozialer oder anderer besonderer Dienstleistungen 750.000 Euro (netto). Die VOL/A wird voraussichtlich 2019 durch die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) – Ausgabe 2017 – vom 02.02.2017 (Banz AT 07.02.2017 B1), berichtigt am 08.02.2017 (Banz AT 08.02.2017 B1) ersetzt. Die Bestimmungen der UVgO entsprechen denen der VOL/A, wurden jedoch um Regelungen zur Berücksichtigung von Inklusionsbetrieben ergänzt. Aufgrund von EU- und Bundesrecht ist es nicht möglich, über die genannten Bestimmungen hinaus landesrechtliche Regelungen zur Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu erlassen, sofern diese dem Gleichbehandlungsgebot widersprechen. 4. Wie viele Aufträge nach § 224 SGB IX haben die Senatsverwaltungen und die Bezirksämter seit 2016 in Berlin mit welchem Gesamtvolumen vergeben? Bitte jährlich aufschlüsseln. 3 5. Wie viele der unter 4. genannten Aufträge wurden seit 2016 an a) anerkannte WfbM und b) Inklusionsbetriebe vergeben? Bitte jährlich nach den einzelnen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern aufschlüsseln. Zu 4. und 5.: Außer der gesetzlich normierten Pflicht zur Erhebung von Vergabedaten nach EU-Vergaberecht werden keine landesweiten Statistiken über Vergabeverfahren geführt. Die in der Fragestellung erbetenen Daten werden von der EU-Statistik nicht erfasst. Auf der Grundlage der Vergabestatistikverordnung wird zukünftig eine bundesweite Erfassung öffentlicher Aufträge erfolgen. Der Bund entwickelt zurzeit zur Umsetzung eine Software, die 2020 den öffentlichen Auftraggebern zur Verfügung gestellt werden soll. Im Übrigen wird auf Satz 1 der Antwort zu 3. verwiesen. 6. In welchem Rahmen sind freihändige Auftragsvergaben und direkte Informationen an WfbM und Inklusionsbetriebe über zu erteilende Aufträge gängige Praxis, rechtlich zulässig und ggf. geplant? Zu 6.: Die öffentlichen Auftraggeber Berlins bzw. die Vergabestellen des Landes Berlin vergeben zur Erfüllung ihrer Bedarfe öffentliche Aufträge im Rahmen der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung eigenverantwortlich. Hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Der Senat ist bemüht (vgl. auch Antwort zu Frage 3), dass die UVgO noch in 2019 in Berlin in Kraft treten kann. Die sich daran anschließenden Planungen ergeben sich aus der Antwort zu Frage 7. 7. Sieht der Senat Handlungsbedarf bei der Ermittlung und zur Verbesserung der Vergabequote an anerkannte WfbM bzw. Inklusionsbetriebe? Falls ja, welche Planungen gibt es diesbezüglich? Falls nein, warum nicht? Zu 7.: Aufgrund des oben dargestellten EU- und Bundesrechts ist es nicht möglich, über die genannten Bestimmungen der VOL/A hinaus landesrechtliche Bestimmungen zur Bevorzugung bestimmter Unternehmen zu erlassen, sofern diese dem Gleichbehandlungsgebot widersprechen. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hatte bereits mit Schreiben vom 21.09.2017 das Abgeordnetenhaus, die Senatskanzlei, die Senatsverwaltungen, das Landesamt für Gesundheit und Soziales, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und die Bezirksämter von Berlin angeschrieben und auf die Regelungen des § 118 GWB hingewiesen. Der Senat wird nach Übernahme der UVgO in einem weiteren Schreiben die o. g. Behörden über § 8 Abs. 4 Nr. 16 UVgO informieren und dafür werben, von dieser Regelung künftig Gebrauch zu machen. Nach § 8 Abs. 4 Nr. 16 UVgO kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn der öffentliche Auftrag ausschließlich vergeben werden soll a) gemäß § 1 Abs. 3 an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder an Unternehmen, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist oder b) an Justizvollzugsanstalten. 8. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um die Arbeit von WfbM und Inklusionsbetrieben besonders zu unterstützen und welche Mittel stehen hierfür in welchem Umfang konkret zur Verfügung? 4 Zu 8.: Der Senat möchte die Inklusionsbetriebe stärken. Aus diesem Grund sind im Entwurf des Haushaltsplans 2020/2021 zusätzliche Mittel für die Förderung und Unterstützung von Inklusionsbetrieben veranschlagt worden. Der Senat befindet sich dazu im Gespräch mit der Landesarbeitsgemeinschaft Inklusionsfirmen. Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung hält eine flächendeckende und vielfältige Angebotsstruktur von WfbM vor und entwickelt diese weiter. Darüber hinaus werden Veranstaltungen, wie zum Beispiel der Infotag der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte Berlin e. V. (LAG WfbM) „Einfach gute Arbeit“ in Berlin, die Teilnahme an der Werkstätten-Messe in Nürnberg oder das Projekt „Schichtwechsel“ unterstützt. Berlin, den 16. Juli 2019 Elke B r e i t e n b a c h _____________________________ Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Anlage zur SA 18/20082 2. Wie viele und welche Träger gibt es im Land Berlin aktuell, die jeweils WfbM bzw. Inklusionsbetriebe betreiben und wie viele behinderte und nicht behinderte Menschen sind dort jeweils beschäftigt? Werkstattträger Inklusionsbetrieb Schwerbehinderte Mitarbeitende in Inklusionsbetrieben (Stand: 31.12.2018) Nichtbehinderte Mitarbeitende in Inklusionsbetrieben (Stand: 31.12.2018) Behinderte Mitarbeitende im Arbeitsbereich der WfbM (Stand: 31.12.2018) Nichtbehinderte Mitarbeitende im Arbeitsbereich der WfbM (Stand: 31.12.2018) 1 Mosaik-Werkstätten für Behinderte gGmbH Mosaik-Services Integrationsgesellschaft mbH 74 78 1028 156 2 Nordberliner Werkgemeinschaft gGmbH Nobis gGmbH 71 72 529 72 3 Lichtenberger Werkstätten gGmbH LIDIS gGmbH 23 30 501 74 4 VIA Werkstätten gGmbH VIA Schankhalle Pfefferberg gGmbH + Pfefferbett gGmbH + Blockhaus Nikolskoe gGmbH 18 19 353 52 5 Wergo GmbH Anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen gGmbH WIB Integ gGmbH 12 10 70 13 6 FSD Lwerk Berlin Brandenburg gGmbH Allerhand Services gGmbH 37 18 668 68