Drucksache 18 / 20 089 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Bettina Jarasch (GRÜNE) vom 26. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Juli 2019) zum Thema: Diskriminierung von Schüler*innen an Berliner Schulen II und Antwort vom 18. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Sebastian Walter und Frau Abgeordnete Bettina Jarasch (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20089 vom 26. Juni 2019 über Diskriminierung von Schüler*innen an Berliner Schulen II ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Vorfälle wurden der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung für die Schuljahre 2017/18 und 2018 /19 bekannt gemacht (sei es u.a. in Form von Mitteilung durch die jeweiligen Schulen, durch Eltern, Lehrer*innen, Schüler*innen, der Schulaufsicht, durch persönliche Beschwerden, durch Anzeigen, durch interne Erkenntnisse, durch Hinweise in sozialen Medien, durch öffentliche Berichterstattung oder durch Hinweise von Dritten usw.), in denen Schüler*innen in Berlin Diskriminierungen erfahren haben? Bitte aufschlüsseln, aufgrund welcher Merkmale bzw. Zuschreibungen Schüler*innen dabei diskriminiert wurden, von wem die Diskriminierung ausgegangen ist (beispielsweise andere Schüler*innen, Lehrer*innen, anderes Schulpersonal, usw.) und wie die Senatsverwaltung darüber in Kenntnis gesetzt wurde. Zu 1.: Diskriminierungen sind nach dem Meldeverfahren für Unterstützung gemäß den Notfallplänen keine Meldekategorie und es können keine verlässlichen Angaben zu Meldungen bei Schulaufsichten, usw. gemacht werden. Der Zuständigkeitsbereich für Disziplinarverfahren verbeamteter Lehrkräfte kann nur solche Fälle auflisten (siehe auch Tabelle Antworten zu 2. und zu 3. zu sexualisierter Gewalt), in denen es sich zum einen um verbeamtete Lehrkräfte handelt und in denen zum anderen der Verdacht auf ein Dienstvergehen überhaupt gemeldet wurde. Etwaige Sachverhalte für z.B. andere Lehrkräfte (wie Tarifangestellte, Erzieherinnen und Erzieher, sog. Personalkostenbudgetierungskräfte etc.) werden zuständigkeitshalber abgegeben und sind hier nicht aufgelistet. Auf Grund der 2 teilweise kurzen Fristen für Verwertungsverbote und der damit einhergehenden Tilgung nach Ablauf des Disziplinarverfahrens, liegen uns einige - für den abgefragten Zeitraum relevante - Akten nicht mehr vor. Hier konnte nicht beurteilt werden, ob es sich um für die Schriftliche Anfrage relevante Fälle handelt. Somit erheben die angegebenen Zahlen (siehe Zahlen Antwort zu 2. und zu 3) keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem Zuständigkeitsbereich für Angestellte konnten im Rahmen der Bearbeitungszeit keine Zuarbeiten zur Beantwortung der Anfrage geleistet werden. Die Meldungen und Beschwerden bei der Antidiskriminierungsbeauftragten werden erfasst, lassen aber (siehe Erläuterung der Antwort auf die schriftliche Anfrage Drs. Nr. 18/16794) keine Interpretation hinsichtlich der stadtweiten Anzahl von Diskriminierungen von Schüler_innen zu noch zu genauen Angaben zu der Übereinstimmung von Diskriminierungsmerkmalen und Positionierungen von Betroffenen. Vorbehaltlich die Datenlage vom Schuljahr 2016/17 bis zum Schuljahr 2018/19 (Auswertung der bearbeiteten Fälle, insbesondere gilt das im Schuljahr 2018/19): Diskriminierungs- Merkmale bei Beratung, Meldung, Begleitung, Verweis 2016/17 2017/18 2018/19 Mögliche Behinderung, Körpernormen, chronische Krankheiten, usw. 20 23 34 Rassifizierungen und Rassismen sowie Sprache, Herkunft, Religion, Nationalität, usw. insgesamt: 106 137 171 Antisemitismus 9 17 19 Rassismus gegen Sinti*zza und Romn*ja 12 16 23 Antimuslimischer Rassismus 36 45 54 Rassismus gegen Menschen afrikanischer Herkunft 24 29 32 Sonstige (s.o.) 25 30 43 Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung 10 18 27 Weltanschauungen --- 2 7 Soziale und familiäre Herkunft 4 5 8 Familienstand --- 2 6 Adultismus, Alter, Kinderrechte 7 16 23 Insgesamt 147 203 276 3 Davon Fälle von Mehrfachdiskriminierungen, verschränkten Diskriminierungen insgesamt 99 116 193 Keine Diskriminierungsmerkmale bei Beratung, Begleitung, Meldung 13 20 24 Ungeklärt --- 4 9 Diskriminierungen (Abwertungen, Ungleichbehandlungen, Beleidigungen, fehlende angemessene Maßnahmen, Gewalt, usw.) von Schüler_innen Als Effekt durch … 2016/17 2017/18 2018/19 Schülerinnen und Schüler 20 29 33 Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer/Schulleitungen 19 15 20 Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und/oder Schulleitungen 48 63 96 Weiteres Schulpersonal 11 9 10 Prozesse von Schule, SIBUZ und/oder Jugendamt sowie Polizei 21 27 34 Sonstiges (z.B. Bildungsmaterialien, Zugang/Aufnahme Schule, Regeln und Regelungen, Ge- und Verbote) 24 41 55 (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) außerschulischer Bildungsträger 4 3 10 Gesamt 147 (+14) 187 258 Diskriminierungen (Abwertungen, Ungleichbehandlungen, Beleidigungen, fehlende angemessene Maßnahmen, Gewalt, usw.) von Lehrer_innen, Referendar_innen, Auszubildenden, Erzieher_innen, Pädagog_innen Als Effekt durch … 2016/17 2017/18 2018/19 Schülerinnen und Schüler --- 3 2 Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer/Schulleitungen 1 --- --- Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und/oder Schulleitungen 1 4 7 Weiteres Schulpersonal 1 --- 1 Prozesse und Regelungen 2 2 1 Sonstiges --- 5 6 (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) außerschulischer Bildungsträger 1 2 1 Gesamt 6 16 18 4 2. Wie viele Vorfälle wurden der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung für die Schuljahre 2016/17, 2017/18 und 2018/19 bekannt gemacht (sei es u.a. in Form von Mitteilung durch die jeweiligen Schulen, durch Eltern, Lehrer*innen, Schüler*innen, der Schulaufsicht, durch persönliche Beschwerden, durch An-zeigen, durch interne Erkenntnisse, durch Hinweise in sozialen Medien, durch öffentliche Berichterstattung oder durch Hinweise von Dritten usw.), in denen Schüler*innen in Berlin sexualisierte Gewalt (Belästigung, Übergriffe und andere Formen) erfahren haben? Zu 2.: Da der Begriff der sexualisierten „Gewalt“ in der Frage mit „Belästigung, Übergriffe und andere Formen“ näher umschrieben ist, wurde der Begriff hier weit ausgelegt (z.B. sexualisierte Äußerungen von Lehrer_innen gegenüber Schüler_innen). Anzahl im Schuljahr 2016/2017 Anzahl im Schuljahr 2017/2018 Anzahl im Schuljahr 2018/2019 Fälle, in denen sich der Verdacht bestätigte Fälle, in denen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Einstellung des Verfahrens gemeldete Vorfälle der sexualisierten Gewalt durch Lehrer gegenüber Schülerinnen und Schülern 12 23 2 3 31 3 3. Bei wie vielen der unter 1.) genannten Vorfälle bestätigte sich aus Sicht des Senats der Verdacht auf Diskriminierung? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung analog der Merkmale bzw. Zuschreibungen, aufgrund derer Diskriminierung stattgefunden hat. Zu 3.: Aus dem Zuständigkeitsbereich für Disziplinarverfahren verbeamteter Lehrkräfte bestätigte sich der Verdacht der Diskriminierung: Anzahl im Schuljahr 2017/2018 Anzahl im Schuljahr 2018/2019 Zuordnung nach Merkmal Fälle, in denen sich der Verdacht bestätigte Fälle, in denen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diskriminierungsvorfälle durch Lehrkräfte gegenüber Schülerinnen und Schülern 7 1 Ethnische Herkunft: 4 Religion: 1 Geschlecht: 1 Behinderung: 2 Ethnische Herkunft: 2 Behinderung: 1 5 In den meisten Fällen von Diskriminierungen oder dem Verdacht auf Diskriminierungen wünschen die Betroffenen nicht, dass es ein Gespräch oder eine Intervention in der Schule stattfindet, so dass eine juristische Prüfung neben einer Prüfung nach menschenrechtlichen und Standards der Antidiskriminierungsberatung nicht stattfindet. Zu den Daten siehe die Antwort zu 1. und zur Drs. Nr. 18/16794. 4.) Bei wie vielen der unter 2.) genannten Vorfälle bestätigte sich aus Sicht des Senats der Verdacht auf sexualisierte Gewalt? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung. 5 Zu 4.: Diskriminierung ist keine Meldekategorie des Meldeverfahrens nach den Notfallplänen. Bezogen auf sexuelle Gewalt gibt es die Meldekategorie sexuelle Übergriffe, allerdings werden dazu keine Motive erfasst. In welchen dieser Fälle Diskriminierung vorliegt ist, geht aus den Meldungen nicht verlässlich hervor. Aus dem Zuständigkeitsbereich für Disziplinarverfahren verbeamteter Lehrkräfte liegen folgende Daten vor. Da der Begriff der sexualisierten „Gewalt“ in der Frage mit „Belästigung, Übergriffe und andere Formen“ näher umschrieben ist, wurde der Begriff hier weit ausgelegt (z.B. sexualisierte Äußerungen von Lehrern gegenüber Schülerinnen und Schülern). Anzahl im Schuljahr 2016/2017 Anzahl im Schuljahr 2017/2018 Anzahl im Schuljahr 2018/2019 Fälle, in denen sich der Verdacht bestätigte Fälle, in denen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Einstellung des Verfahrens Vorfälle der sexualisierten Gewalt durch Lehrer gegenüber Schülerinnen und Schülern 12 23 2 3 31 3 Zu weiteren Daten siehe auch Antwort zu 1. 5.) In wie vielen Fällen wurden in den Schuljahren 2016/17, 2017/18 und 2018/19 dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber Lehrer*innen (verbeamtet oder angestellt) ergriffen, die Schüler*innen diskriminierend behandelt bzw. sexualisierter Gewalt ausgesetzt haben? (Bitte nach Art der Maßnahmen aufschlüsseln.) Zu 5.: Schuljahr 2016/2017: Bezüglich der Anzahl der disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegenüber Lehrerinnen und Lehrern im Schuljahr 2016/2017 kann keine valide Aussage getroffen werden. Die relevanten Informationen liegen hier zum Teil nicht mehr vor. Nach § 16 DiszG gelten zum Teil sehr kurze Fristen für Verwertungsverbote für Disziplinarmaßnahmen. Die Fristen, die z.B. für Verweise nur zwei Jahre und für Geldbußen nur 3 Jahre betragen, beginnen mit der Unanfechtbarkeit der Disziplinarmaßnahme. Eintragungen in der Personalakte über die Disziplinarmaßnahme sind nach Eintritt des Verwertungsverbots von Amts wegen zu entfernen und zu vernichten. Somit wurden die hier zum Teil relevanten Unterlagen - § 16 DiszG entsprechend - bereits vernichtet. Schwerwiegendere Maßnahmen (z.B. Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis) zu den in der Schriftlichen Anfrage abgefragten Sachverhalten, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht getilgt sind, wurden nicht ausgesprochen. Schuljahr 2017/2018: In diesem Schuljahr wurden keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen für die in der Schriftlichen Anfrage abgefragten Sachverhalte ausgesprochen. 6 Schuljahr 2018/2019: In diesem Schuljahr wurden zwei Geldbußen wegen diskriminierender Äußerungen ausgesprochen. In Bezug auf die zu den Fragen 1-4 aufgeführten, bestätigten Verdachtsfälle ist anzumerken, dass nicht jeder bestätigte Verdachtsfall in seiner Schwere die Schwelle der disziplinarrechtlichen Relevanz überschritten hat, so dass der Ausspruch einer disziplinarrechtlichen Maßnahme nicht erforderlich war. Aus dem Zuständigkeitsbereich für Angestellte konnten im Rahmen der Bearbeitungszeit keine Zuarbeiten zur Beantwortung der Anfrage geleistet werden. Aus dem Prozessvertreter und Rechtsberater der SenBJF auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist ein weiterer Fall gemeldet worden. Es wurden im Rahmen der Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten keine Disziplinarverfahren ergriffen; dies entspricht nicht der Zuständigkeit. In Absprache der Schulleitungen und der Antidiskriminierungsbeauftragten kam es zu Formen der Intervention, die verfolgt wurden, und zu Professionalisierung. 6.) Wie viele Diskriminierungsfälle dokumentierten zivilgesellschaftliche Beratungsstellen, die sich mit Diskriminierung an Schulen befassen, für den in Frage 1 genannten Zeitraum in Berlin? Wie erklärt sich der Senat etwaige Unterschiede und denkt er darüber nach, sich für eine einheitliche Meldepflicht für das Schuljahr 2019/20 und die Erfassung von Diskriminierungsfällen an Schulen einzusetzen? Zu 6.: Aufgrund einer fehlenden wissenschaftlich belastbaren Erfassungssystematik der Beratungsstellen kann derzeit keine seriöse Auflistung erfolgen. Die erfassten Fälle einzelner Beratungsstellen können nicht miteinander in Bezug gesetzt werden. Die Bildungsverwaltung baut sowohl die Beschwerdestrukturen im Bereich Antidiskriminierung als auch die Hilfs- und Unterstützungsangebote im Bereich Diskriminierungen aus. Hierzu wird auch ein Meldeverfahren und die Dokumentation von Diskriminierungen in Abstimmung mit der Überarbeitung des Meldeverfahrens nach den Notfallplänen geprüft, ggf. angepasst, um durch Monitoring Diskriminierungen und Gleichstellung zu prüfen, Diskriminierungsphänomene besser zu verstehen und Intervention und Prävention nachhaltig zu ermöglichen. Berlin, den 18. Juli 2019 In Vertretung Beate Stoffers Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie