Drucksache 18 / 20 104 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) vom 01. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juli 2019) zum Thema: Verrichtungsboxen, eine Alternative zum Straßenstrich? und Antwort vom 12. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Jul. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Katrin Vogel (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20104 vom 01. Juli 2019 über Verrichtungsboxen, eine Alternative zum Straßenstrich? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Stimmen Zeitungsberichte, nach denen in Berlin geplant ist, ein Pilotprojekt mit Verrichtungsboxen durchzuführen , um den Straßenstrich mit seinen negativen Auswirkungen insbesondere in der Kurfürstenstraße zu verringern? Zu 1.: Derzeit erarbeitet der Runde Tisch Sexarbeit Berlin ein Konzept zur Verbesserung der Rechte und Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden in Berlin. In diesem Zusammenhang empfiehlt der Runde Tisch auch die Planung eines Modellprojekts zur Einrichtung von Verrichtungsboxen für den Bereich der Kurfürstenstraße, um dort Verrichtungsorte zu schaffen , die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden beitragen können und gleichzeitig dafür sorgen, dass im Sinne eines nachbarschaftlichen Miteinanders die Verrichtung nicht mehr sichtbar im öffentlichen Raum erfolgt. Die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Empfehlung werden derzeit geprüft. Da kaum noch Freiflächen vorhanden sind, soll hierbei eher die Aufstellung kleinerer Boxen für Fußgänger und Radfahrende als die Aufstellung von mit dem Auto befahrbaren Boxen im Fokus stehen. Konkrete Pläne, wie es in den Zeitungsartikeln teilweise berichtet wurde, liegen derzeit jedoch nicht vor. 2. Warum hat die Senatsverwaltung darüber bisher nicht im zuständigen Ausschuss berichtet? Zu 2.: Wie in der Antwort auf die Frage 1 dargestellt, gibt es derzeit noch keine konkrete Planung . Die Handlungsempfehlungen fließen in das Handlungskonzept ein, das am Runden Tisch erarbeitet wird und über das der Senat nach Fertigstellung berichten wird. 3. Erfolgte ein Austausch mit den Verwaltungen anderer Städte, die Verrichtungsboxen seit Jahren als Alternative zum Straßenstrich betreiben und zeitgleich auch Sperrbezirke eingeführt haben? Wenn ja mit welchen , wenn nein, warum nicht? 2 Zu 3.: Es erfolgte u.a. ein Austausch mit dem Gesundheitsamt der Stadt Köln. Die Geestemünder Straße in Köln wurde zudem vor Ort besichtigt. Die dortigen Erfahrungen werden auch in die Umsetzung des geplanten Modellprojekts einfließen. 4. Unter wessen Verantwortung wird das Pilotprojekt durchgeführt? 5. Wer übernimmt die Finanzierung und welcher finanzielle Rahmen ist dafür vorgesehen? 6. Für welchen Zeitraum ist das Projekt geplant? 7. Wer übernimmt die Sauberhaltung und Instandhaltung der Verrichtungsboxen? 8. Gibt es ein Sicherheitskonzept für die Verrichtungsboxen? Wenn ja, welches, wenn nein, warum nicht? Zu 4. bis 8.: Einzelheiten zur Umsetzung des Vorhabens sind noch nicht beschlossen worden, s. hierzu auch die Antwort auf die Frage 1. Im Doppelhaushalt 2020/2021 sind Mittel für die Umsetzung der am landesweiten Runden Tisch Sexarbeit erarbeiteten Maßnahmen vorgesehen. 9. Welche Zielstellung soll mit dem Projekt der Verrichtungsboxen erreicht werden? Zu 9.: Ziel ist, Verrichtungsorte zu schaffen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden beitragen und gleichzeitig dafür sorgen, dass im Sinne eines nachbarschaftlichen Miteinanders die Verrichtung nicht mehr sichtbar im öffentlichen Raum erfolgt. 10. Plant der Senat die Einrichtung von Sperrbezirken? 11. Wenn nein, warum nicht; insbesondere im Hinblick auf die Annahme der Verrichtungsboxen? Zu 10. und 11.: Der Senat hält den Erlass einer Sperrgebietsverordnung nicht für zielführend. Die Einrichtung eines Sperrbezirks ist zwar eine mögliche Maßnahme zur lokalen Regulierung, würde allerdings das Phänomen der Straßenprostitution keinesfalls beseitigen, sondern es lediglich mit allen Begleiterscheinungen in andere Bereiche verlagern. Dies bestätigen auch Erfahrungen aus anderen Städten, in denen Sperrgebiete existieren. Der Senat hält es für sinnvoller, durch Maßnahmen wie – teilweise aufsuchender – Sozialarbeit Problemlagen vor Ort zu begegnen. Neben der sozialen und gesundheitlichen Beratung der Prostituierten gehören hierzu auch Aktivitäten zum Abbau der Beeinträchtigungen für das Umfeld. Hinsichtlich der Verrichtungsboxen ist vorgesehen, bereits in der Planungsphase die Nachbarschaft und die Sexarbeitenden einzubeziehen und durch diesen partizipativen Prozess die Akzeptanz sicherzustellen. 12. Geht der Senat davon aus, dass es sich bei den Prostituierten in der Kurfürstenstraße vorrangig um selbstbestimmte, freiwillige und unabhängige „Sexarbeiterinnen“ handelt? Wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Unabhängig vom Ort der Prostitutionsausübung geht die Polizei Berlin grundsätzlich davon aus, dass eine Ausübung der Prostitution selbstbestimmt, freiwillig und unabhängig erfolgt. Liegen gegenteilige Anhaltspunkte vor, werden im Einzelfall entsprechende Straf- 3 ermittlungsverfahren eingeleitet und die zugrundeliegenden Delikte konsequent verfolgt. Zudem werden auch Kontakte zu Hilfseinrichtungen bzw. Fachberatungsstellen vermittelt. 13. Warum ist die Kurfürstenstraße kein kriminalitätsbelasteter Ort mehr? Zu 13.: Die Kurfürstenstraße stellte lediglich einen kleinen Teil des ehemaligen kriminalitätsbelasteten Ortes (kbO) Schöneberg-Nord, der am 30. Januar 2019 aufgehoben wurde, dar. Die Aufhebung erfolgte aufgrund anhaltender polizeilicher Maßnahmen, durch die eine nachhaltige Reduzierung der Kriminalitätsbelastung erreicht werden konnte. 14. Wie bewertet der Senat diese Tatsache hinsichtlich der Eingriffsmöglichkeiten der Polizei? Zu 14.: Der Bereich des Straßenstrichs Tiergarten-Süd / Schöneberg-Nord rund um die Kurfürstenstraße zeichnet sich dadurch aus, dass dort der Prostitution nachgegangen wird. Dies charakterisiert den Bereich als sog. „Ort der Prostitutionsausübung“. Die Durchführung von identitätsfeststellenden Maßnahmen durch die Polizei Berlin ist damit auf Grundlage des Gefahrenabwehrrechts (§ 21 Abs. 2 Nr. 1b des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin) jederzeit möglich. Entsprechende Kontrollmaßnahmen können somit auch ohne das Vorliegen der Einstufung als kriminalitätsbelasteter Ort durchgeführt werden . Berlin, den 12. Juli 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung