Drucksache 18 / 20 105 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) vom 01. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juli 2019) zum Thema: Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes, zwei Jahre nach Inkrafttreten und Antwort vom 17. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Katrin Vogel (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20105 vom 01. Juli 2019 über Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes, zwei Jahre nach Inkrafttreten ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Prostituierte haben sich zwei Jahre nach Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes inzwischen angemeldet, bitte aufgegliedert nach Bezirken und Jahren? Zu 1.: Seit der Einführung des regulären Verfahrens am 01.07.2018 wurden in Berlin insgesamt 1.625 Anmeldebescheinigungen nach §§ 5, 6 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) ausgestellt (Stand 02.07.2019). In 2018 wurden 752, in 2019 bislang 873 dieser Bescheinigungen ausgestellt. Eine Aufgliederung nach Bezirken ist nicht möglich, die Anmeldung erfolgt regionalisiert für Berlin im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. 2. Wie viele Prostitutionsstätten, wie viele Prostitutionsvermittlungen wurden inzwischen angemeldet, bitte aufgegliedert nach Bezirken und Jahren? Zu 2.: Aktuell liegen in Berlin 206 Anmeldungen einer Prostitutionsstätte/(-vermittlung) vor. Die Verteilung auf die Bezirke ist der folgenden Tabelle zu entnehmen, die auch die absolute Zahl der Anträge seit Inkrafttreten des ProstSchG bis zum Ende des jeweiligen Jahres bzw. bis zum Datum der Schriftlichen Anfrage: Bezirk 2019 2018 2017 Charlottenburg - Wilmersdorf 29 23 (3) 24 Friedrichshain - 35 28 (2) 28 2 Kreuzberg Lichtenberg 2 2 (0) 2 Marzahn- Hellersdorf 4 3 (0) 3 Mitte 25 19 (1) 20 Neukölln 30 27 (2) 18 Pankow 18 20 (1) 12 Reinickendorf 6 5 (1) 5 Spandau 5 5 (1) 4 Steglitz- Zehlendorf 7 3 (1) 3 Tempelhof- Schöneberg 33 32 (4) 17 Treptow- Köpenick 12 12 (1) 9 Gesamt 206 179 (17) 145 3. Haben inzwischen alle Prostituierten mit einer vorläufigen Bescheinigung die verpflichtende Gesundheitsberatung nachgeholt? 4. Wenn nein, wie viele Prostituierte haben das bisher nicht nachgeholt? Zu 3. und 4.: Hierzu liegen keine Zahlen vor, da weder das Berliner Zentrum für gesundheitliche Beratung nach § 10 ProstSchG (BeZeGePro) noch die Anmeldestelle Probea (Prostituiertenberatung und –anmeldung) erfassen, ob sich anmeldende Personen bereits eine vorläufige Bescheinigung in Berlin erhalten haben. 5. Was unternimmt der Senat deswegen? Zu 5.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg informieren auf ihren Internetseiten über die im ProstSchG vorgegebene verpflichtende Gesundheitsberatung: https://www.berlin.de/sen/frauen/keine-gewalt/prostitution/artikel.23578.php; https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/politik-undverwal - tung/prostituiertenschutz/dienstleistungen/service.797804.php/dienstleistung/32812 1/standort/328135/; https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/politik-undverwaltung /aemter/gesundheitsamt/zentrum-fuer-gesundheitliche-beratung-nach- 10-prostschg/ Ebenso informieren auch die Fachberatungsstellen Sexarbeitende über die sich aus dem ProstSchG ergebenden Verpflichtungen. Darüber hinaus sieht der Senat hier keinen Handlungsbedarf. 3 6. Wie schätzt der Senat insgesamt die Anmeldungsquote von Prostituierten, Prostitutionsstätten und Prostitutionsvermittlungen ein? Zu 6.: Nach Einschätzung des Senats hat sich das Verfahren zur Anmeldung einer Tätigkeit in der Sexarbeit gut etabliert. Seit Juli 2018 werden reguläre Anmeldungen gemäß Prost- SchG ausgestellt. Bei dem größten Teil der Termine zur Anmeldung bei Probea (Anmeldestelle beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg), handelt es sich um die Erstanmeldungen . Bisher wurden bei stetig steigender Tendenz 1.625 Anmeldebescheinigungen nach ProstSchG ausgestellt. Auch hinsichtlich der Genehmigungsverfahren ist eine Zunahme zu verzeichnen. Allerdings erlauben diese Zahlen keinen sicheren Rückschluss auf die tatsächliche Zahl von Sexarbeitenden bzw. Prostitutionsstätten in Berlin. 7. Wie beurteilt der Senat insgesamt die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Berlin? Zu 7.: Die im ProstSchG vorgesehenen Verfahren für die Anmeldung bzw. Genehmigung haben sich mittlerweile eingespielt und werden zunehmend in Anspruch genommen. Zwischen den beteiligten Verwaltungen besteht ein regelmäßiger Austausch. Auch der Runde Tisch Sexarbeit, der ein Konzept zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Rechte von Sexarbeiterinnen erarbeitet, bildet ein Forum, in dem mit der Umsetzung des ProstSchG verbundene Fragen erörtert werden können. Berichte aus der Praxis zeigen jedoch, dass viele Sexarbeitende kein Vertrauen in den vom Gesetzgeber intendierten Schutzgedanken haben. Für einige führt dies zur Entscheidung , aus der Prostitution auszusteigen, andere entscheiden sich, ohne Anmeldung weiterzuarbeiten . Da diese Menschen der Prostitution dann bewusst illegal nachgehen, sind sie zum einen durch „normale“ Präventionsangebote (z.B. aufsuchende Sozialarbeit, Beratungstätigkeit in Einrichtungen) sehr viel schwerer bis hin zu gar nicht mehr erreichbar, zum anderen sind sie deutlich stärker gefährdet, in Abhängigkeitsverhältnisse zu geraten. Angesichts des noch jungen Prozesses der Umsetzung des ProstSchG ist es für eine umfassende Bewertung zu früh. In diesem Zusammenhang wird auch auf die vom Bund vorgesehene Evaluierung des Gesetzes verwiesen, die gem. § 38 ProstSchG am 1. Juli 2022 einsetzen wird. Der Evaluationsbericht ist dem Bundestag bis zum 1. Juli 2025 vorzulegen. Ein erster Zwischenbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll auf der Grundlage der bis dahin bereits gewonnenen statistischen Erkenntnisse Ende 2019/ Anfang 2020 veröffentlicht werden. 8. Sieht der Senat Handlungsbedarf? Wenn ja, welchen; wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Der Senat hat bereits für den laufenden Haushalt die Finanzierung der in der Antwort auf die Frage 13 genannten Beratungsstellen verstärkt, um den aufgrund des ProstSchG erhöhten Beratungsbedarf auffangen zu können. Darüber hinaus sind die jeweils zuständigen Senatsverwaltungen in die Umsetzung der im ProstSchG vorgesehenen Anmeldungsund Genehmigungsverfahren eingebunden. 4 9. Wie viele Kontrollen zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes , bitte aufgegliedert nach Jahren und Bezirken? 10. Wer ist für die Kontrolle zuständig? Zu 9. und 10: Für die Kontrollen von Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleistern sind die Ordnungsämter der Bezirke zuständig. Der Senat erarbeitet derzeit hierzu erläuternde Hinweise an die Bezirke. Für die Kontrolle der Prostitutionsstätten/-fahrzeuge/-veranstaltungen/-vermittlung gemäß § 29 ProstSchG ist die Polizei zuständig. Im Jahr 2018 fanden durch das Landeskriminalamt - LKA 33 (Gewerbekriminalität) - insgesamt 22 Kontrollen nach § 29 ProstSchG statt. Im Jahr 2019 wurden bis zum 3. Juli 2019 42 Kontrollen nach § 29 ProstSchG durch das LKA 33 durchgeführt. Darüber hinaus unterstützte das LKA 33 andere Dienststellen der Polizei Berlin bei der Kontrolle von Bordellen. Eine Aufgliederung nach Bezirken wird nicht erfasst. 11. Wie viele Verstöße gegen das Prostituiertenschutzgesetz wurden insgesamt festgestellt, welche Maßnahmen wurden ergriffen, bitte aufgegliedert nach Jahren und Bezirken? Zu 11.: Die Zahlen zu Verstößen nach § 29 ProstSchG (siehe Antwort zu den Fragen 9 und10) werden nach Jahren, jedoch nicht nach Bezirken gegliedert erfasst. 2018 hat das LKA 33 sieben und 2019 16 Verstöße gegen das ProstSchG erfasst und Ordnungswidrigkeitenverfahren veranlasst. Für Folgemaßnahmen, das heißt die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Prostituiertenschutzgesetz , sind die jeweiligen Ordnungsämter der Bezirke zuständig. 12. Sieht der Senat hier Handlungsbedarf? Wenn ja, welchen; wenn nein, warum nicht? Zu 12.: Die Prostitutionsgewerbe, die im Land Berlin einen Antrag auf Erlaubnis nach § 12 Prost- SchG gestellt haben, werden bereits im Rahmen der behördlichen Erlaubnisverfahren umfassend überprüft. Darüber hinaus finden weitere Kontrollen dieser Betriebe etwa im Fall von Beschwerden oder beim Verdacht von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten statt. Das für die Gewerbeüberwachung zuständige LKA 33 ermittelt und kontrolliert im Schwerpunkt die Betriebe, die keinen Erlaubnisantrag nach § 12 ProstSchG gestellt haben. Ein darüber hinaus gehender Handlungsbedarf besteht insofern nicht. 13. Welche Projekte zum Ausstieg aus der Prostitution gibt es derzeit in Berlin? Zu 13.: Der Senat von Berlin kann nur zu von ihm geförderten Projekten Auskünfte erteilen. 5 Seitens der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung werden die Projekte Hydra e.V., Hilfe für Jungs e.V. und das Projekt medizinische Versorgung im Café Olga des Notdienst e.V. bei freigemeinnützigen Trägern finanziert, die Sexarbeitenden Beratung und Unterstützung bieten. Zu den Schwerpunkten gehören die Gesundheitsberatung und HIV-Prävention, allgemeine Sozial- und Berufsberatung, muttersprachliche aufsuchende Sozialarbeit, Rechtsberatung, Umgang mit den sozialen Folgen des Prostituiertenschutzgesetzes für Prostituierte, Krisenberatung sowie Beratung zur Möglichkeit des Ausstiegs aus der Prostitution. Das Angebot des früheren Modellprojekts DIWA (Der Individuelle Weg zur Alternative) ist mittlerweile in das Regelangebot von Hydra integriert. 14. Welche Projekte dazu werden vom Berliner Senat in welcher Höhe finanziert? Zu 14.: Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung finanziert die in der Antwort auf die Frage 13 genannten Projekte in folgender Höhe (jeweils Ansatz 2019): Hydra e.V.: 556.054,-- € Hilfe für Jungs e.V.: 178.500,-- € Frauentreff Olga: 166.600,-- € 15. Sieht der Senat hier einen Handlungsbedarf, der im künftigen Haushalt durchaus noch Berücksichtigung finden könnte? Zu 15.: Wie bereits in der Antwort auf die Frage 8 dargestellt wurde, hat der Senat im Hinblick auf den erhöhten Beratungsbedarf bereits reagiert und den senatsgeförderten Beratungsstellen mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Allerdings bedarf es für einen erfolgreichen Ausstieg nicht nur einer kompetenten Beratung, sondern es müssen auch weitere Faktoren wie Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, Krankenversicherung und zum Arbeitsmarkt gegeben sein, um den ausstiegswilligen Sexarbeitenden eine wirkliche Alternative zu bieten. Berlin, den 17. Juli 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung