Drucksache 18 / 20 112 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Henner Schmidt (FDP) vom 30. Juni 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juli 2019) zum Thema: Macht die Parkraumbewirtschaftung so Sinn? und Antwort vom 12. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Henner Schmidt (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20112 vom 30. Juni 2019 über Macht die Parkraumbewirtschaftung so Sinn? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Verwaltung: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Bezirksämter von Berlin um Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Frage 1: Wie hoch ist das Verhältnis von ausgegebenen Anwohnerparkausweisen zur Anzahl bewirtschafteter Parkplätze in den einzelnen Parkraumbewirtschaftungszonen? Antwort zu 1: Die Anzahl bewirtschafteter Parkplätze kann nur geschätzt werden, da die Anzahl nicht konstant, sondern sich kontinuierlich durch hinzukommende Anordnungen des ruhenden Verkehrs (zum Beispiel Anordnung oder Entfernung von Ladezonen, Einrichtung beziehungsweise Entfernung von Schwerbehinderten-Parkplätzen) verändert. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Breite einer Straße, der Baumbestand, Lieferzonen, Busspuren, vorhandene Parkanordnung (Senkrecht- oder Längsparken), die Größe oder Länge von Fahrzeugen von Belang. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf gibt 20.800 bewirtschaftete Parkstände an. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat mitgeteilt, dass das Verhältnis ausgegebener Bewohnerparkausweise zur Anzahl bewirtschafteter Parkplätze in den einzelnen Zonen unterschiedlich ist. In Parkzonen mit einem hohen Anteil an Mischnutzung (in denen sich zum Beispiel viele Gewerbebetriebe befinden), ist die Zahl der ausgegebenen Anwohnerparkausweise teilweise weit geringer als die Zahl der Parkplätze. In eher wohngeprägten Gebieten ist das Verhältnis ausgeglichener. 2 Die Anzahl der Anwohnerparkausweise pro Parkzone oder Stellplatz wird statistisch nicht erfasst. Im Jahr 2018 wurden im Bezirksamt Mitte von Berlin insgesamt 18.369 Bewohnerparkausweise ausgestellt. Eine Differenzierung zwischen Erstausstellung, Verlängerung oder Änderung auf Grund eines KFZ-Wechsels kann nicht vorgenommen werden. Demgegenüber stehen circa 30.000 Stellplätze in den parkraumbewirtschafteten Zonen. Im Bezirk Pankow stehen circa 25.760 Parkplätze in den Zonen 41-45 zur Verfügung; es wurden von Juli 2017 bis Juni 2019 circa 38.935 Bewohnerparkausweise mit einer Regelgültigkeit von zwei Jahren erteilt. Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin hat mitgeteilt, dass in der Zeit (01.07.2018 bis 30.06.2019) 5.781 Bewohnerparkausweise ausgegeben wurden. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg geht von circa 7.200 Parkplätzen in den bewirtschafteten Zonen aus (Teile der Zonen 9,17 sowie die Zonen 26, 27, 28, 55; gemäß Machbarkeitsstudie entfallen rund 3.700 Parkplätze auf die neue Zone 55). Frage 2: Nach welchen Regeln wird die Anzahl ausgegebener Anwohnerparkausweise festgelegt? Antwort zu 2: Eine Regelung zur Anzahl ausgegebener Bewohnerparkausweise sieht die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) nicht vor. Bewohnerparkausweise werden auf Antrag ausgegeben. Jede Bewohnerin oder jeder Bewohner erhält nur einen Parkausweis für ein auf den Halter zugelassenes oder nachweislich von ihm dauerhaft genutztes Kraftfahrzeug, unabhängig von der Anzahl vorhandener Parkplätze. Frage 3: Wie genau und in welcher Zahl werden Anwohnerparkausweise an Firmen in parkraumbewirtschafteten Zonen vergeben? Antwort zu 3: Firmen erhalten keinen Bewohnerparkausweis, in Ausnahmefällen können gebührenpflichtige Ausnahmegenehmigungen von den Regeln der Parkraumbewirtschaftung beantragt werden. Die Grundlagen zu Ausnahmegenehmigungen ergeben sich aus § 46 StVO und VwV-StVO zu § 46 StVO. Ausnahmegenehmigungen werden auf Antrag erteilt. Grundsätzlich gilt, dass Ausnahmegenehmigungen immer nur dann erteilt werden dürfen, wenn dem Interesse der Antragstellenden gegenüber dem allgemeinen öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen ist. Die Zeitersparnis und die Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Arbeitsabläufen reichen als Nachweis dieser besonderen Dringlichkeit allerdings nicht aus. Vielmehr sind die Belastungen im Straßenverkehr und insbesondere auch ein Mangel an Parkraum von der Verkehrsgemeinschaft gleichmäßig zu tragen. Grundsätzlich sind Ausnahmegenehmigungen für Firmen oder vergleichbare 3 Einrichtungen in zwei Gruppen zu kategorisieren: Ausnahmegenehmigungen am Betriebssitz (Betriebsvignette bei unabweisbarem Bedarf) und Ausnahmegenehmigungen wegen Tätigkeiten in den Parkraumbewirtschaftungsgebieten (Ausnahmegenehmigung zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten wie zum Beispiel soziale Dienste oder für bestimmte Gewerbe (Handwerkerparkausweis)). Frage 4: Welche Flexibilitätsmöglichkeiten gibt es, um besonders betroffenen Arbeitnehmern, z.B. Arbeitern in Nachtschicht, vergünstigte Konditionen für das Abstellen ihrer Fahrzeuge in parkraumbewirtschafteten Zonen zu gewähren? Antwort zu 4: Ausnahmegenehmigungen aufgrund ungünstiger Arbeitszeiten können in Härtefällen nur dann erteilt werden, wenn keine zumutbaren Fahrmöglichkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen. Im Grundsatz ist eine Freistellung von der Parkgebührenpflicht nur dann möglich, wenn a) der regelmäßige Arbeitsbeginn deutlich vor 6.00 Uhr bzw. das Ende deutlich nach 24.00 Uhr liegt und zugleich b) der Beschäftigungsort innerhalb einer Parkraumbewirtschaftungszone und mindestens 400 m von ihrem Rand entfernt ist. Berücksichtigungsfähig sind hierbei jedoch nur die in die Parkgebührenpflicht fallenden Zeiten einer ungünstigen Arbeitsschicht. Abweichungen von den belegten Arbeitszeiten in Einzelfällen oder zusätzlich übliche Arbeitszeiten rechtfertigen eine ganztägige Freistellung von der Parkgebührenpflicht keinesfalls. Eine Unterteilung der Geltungszeiten einer Ausnahmegenehmigung ist auch erforderlich, damit deren Nutzung für übliche Arbeitszeiten (6.00 bis 24.00 Uhr) ausgeschlossen wird. Frage 5: Wie begründet der Senat verkehrspolitisch die durch die Vergabe von Anwohnerparkausweisen entstehende Privilegierung von Innenstadtbewohnern mit Auto gegenüber Besuchern, Arbeitern und Konsumenten aus den Außenbezirken, die oft im Gegensatz zum Innenstadtbewohner stärker auf ihr Auto angewiesen sind? Wie begründet er die daraus resultierende Privilegierung von Innenstadtbewohnern mit Auto gegenüber Innenstadtbewohnern ohne Auto? Antwort zu 5: Der Bund als Gesetz- und Verordnungsgeber hat mit § 6 Absatz 1 Nummer 15 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 45 Absatz 1 b Nummer 2 a StVO als Nachteilsausgleich explizit die Beschränkung des Haltens und Parkens zugunsten der Bewohnerinnen und Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel vorgesehen. Die Parkraumbewirtschaftung ist ein verkehrliches Steuerungselement, um innerstädtische Straßen von vermeidbaren Verkehren zu entlasten, die Funktion der Parkflächen den verkehrlichen Bedürfnissen des Handels, des Gewerbes und der Bewohnerinnen und Bewohner anzupassen und unnötigen Parksuchverkehr mit seinen belastenden Folgen zu vermeiden. Die Erteilung von Bewohnerparkausweise ist ein wichtiger Teil dieses Steuerungs-instrumentes. Der Bewohnerparkausweis berechtigt zum gebührenfreien Parken innerhalb einer bestimmten Parkraumbewirtschaftungszone nach Maßgabe der verfügbaren Stellplätze. Zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird auf die Beantwortung zu Frage 4 verwiesen. 4 Konsumentinnen und Konsumenten und Besucherinnen und Besucher sind eine Hauptzielgruppe von Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen. Diese sollen nach Möglichkeit nicht mit dem individuellen Kraftfahrzeug in die Innenstadt fahren. Es besteht mithin auch die Möglichkeit, das eigene Kraftfahrzeug zum Erreichen eines Umsteigepunktes des öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen und die weitere Fahrt in die Innenstadt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortzusetzen. Hierdurch reduzieren sich Pkw- Zielverkehre und es sind leichter freie Parkstände, insbesondere auch für Gewerbetreibende und Bewohnerinnen und Bewohner, aufzufinden. Zudem erfolgt eine Reduzierung des Parksuchverkehrs, von ordnungswidrigem Parken sowie der Parkvorgänge in zweiter Spur. Die Belastung durch Lärm und Abgase wird herabgesetzt. Die durch die Parkraumbewirtschaftung erzielte effizientere Nutzung des vorhandenen Stellplatzangebotes führt im Ergebnis auch zu mehr Ordnung im öffentlichen Raum und zu einer besseren Aufenthaltsqualität in vielen Berliner Stadtquartieren. Frage 6: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, ein angemessenes Entgelt für einen Parkplatz in der Innenstadt auch von Anwohnern zu erheben? Antwort zu 6: Die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr definiert über den dazugehörigen Gebührentarif einen Rahmen für die Erhebung von Gebühren für die Ausstellung eines Bewohnerparkausweises (Verwaltungsgebühr, 10,20 € bis 30,70 € pro Jahr). Die gegenwärtig für das Land Berlin gültigen Regelgebühren bewegen sich innerhalb dieses bundesrechtlichen Gebührenrahmens. Die Festsetzung von Gebühren für die Ausstellung eines Bewohnerparkausweises außerhalb des Gebührentarifs ist daher nicht möglich. Personengebundene Parkstände für Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb der privilegierten Parkzonen gibt es nicht. Sind alle Parkstände besetzt, muss das Fahrzeug anderweitig geparkt werden. Frage 7: Wie soll vermieden werden, dass durch die Parkraumbewirtschaftung Firmen mit ihren Mitarbeitern und Einzelhandelsunternehmen mit ihren Konsumenten ins Umland abwandern und damit zusätzliche Verkehrsströme und Zersiedelungseffekte erzeugen? Antwort zu 7: Parkraumbewirtschaftung als Grund für eine Abwanderung aus Berlin ist dem Senat bisher nicht vorgetragen worden. Im Gegenteil, Untersuchungen zeigen, dass die Bedeutung der Erreichbarkeit mit Personenkraftwagen im Verhältnis zur Umsatzhöhe überschätzt wird. Probleme für den Einzelhandel entstehen nach den Erkenntnissen des Senats durch andere Faktoren, zum Beispiel erhöhen zunehmende Wachstumsraten des Onlinehandels auch in Berlin den Druck auf den stationären Einzelhandel. Erwartungen der Kundinnen und Kunden an Aufenthaltsqualität, Beratungsangebote und neue Möglichkeiten des digitalen Einkaufens bestimmen die Zukunft des stationären Einzelhandels. 5 Frage 8: Wie begründet der Senat stadtentwicklungspolitisch die von ihm geplante Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, gerade auch im Vergleich zur Alternative der Verlagerung von Parkplätzen in Tiefgaragen, mit der nutzbare Flächen im städtischen Raum gewonnen werden könnten? Antwort zu 8: Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung kann eine Reduzierung der Luftbelastung erreichen. So wird einerseits der Zielverkehr von Kraftfahrzeugen innerhalb des S-Bahn- Rings gemindert und auf den Umweltverbund verlagert, und andererseits führt die nachlassende Parkplatzauslastung („Parkdruck“) zu einer deutlichen Reduzierung des Parksuchverkehrs. Insbesondere beim Wegezweck „Arbeit“ kann ein Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel erreicht werden. Die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) dient nicht nur der Verbesserung der Luftqualität, sondern auch dem Klimaschutz, der Verkehrssicherheit oder dem Lärmschutz. Zudem gestaltet sich durch die Reduzierung des MIV die Abwicklung des Wirtschaftsverkehrs effizienter. Darüber hinaus wird das gefährliche Zweite-Reihe-Parken durch den abnehmenden Parkdruck gemindert. Eine Parkraumbewirtschaftung nützt somit nicht nur der Umwelt und der Verkehrssicherheit, sondern in erster Linie den Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch den Kundinnen und Kunden, Besucherinnen und Besuchern sowie den Lieferantinnen und Lieferanten. Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung ist daher eine wichtige Maßnahme einer nachhaltigen Verkehrspolitik und integrierter Bestandteil der Berliner Verkehrsplanung. Berlin, den 12.07.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz