Drucksache 18 / 20 212 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 10. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juli 2019) zum Thema: 365 Euro-Ticket für Berlin und Antwort vom 24. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juli 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei – Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20 212 vom 10. Juli 2019 über 365 Euro-Ticket für Berlin ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Antworten zu dieser Schriftlichen Anfrage betreffen teilweise Sachverhalte, die vom Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantwortet werden können. Vor diesem Hintergrund wurde der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) um Zulieferung gebeten. Die Antworten sind in die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage eingeflossen. Frage 1: Hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) seine für Berlin nicht neue Idee eines 365 Euro günstigen Jahrestickets für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit den Koalitionspartnern, insbesondere der Verkehrssenatorin, mit dem Bundesland Brandenburg sowie dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abgestimmt? Wenn ja, wann und mit welchen konkreten Vereinbarungen bzw. Ergebnissen? Frage 2: Wie bewertet der Senat die Aussage der VBB-Geschäftsführerin Susanne Henckel, welche ein 365 Euro-Jahresticket unter Hinweis auf „erhebliche jährliche Mindereinnahmen“ ablehnt? Frage 4: Wer ist von Seiten des Senats mit der Umsetzung der Idee des Regierenden Bürgermeisters beauftragt worden? Frage 5: Zu welchem Zeitpunkt soll das 365 Euro-Jahresticket spätestens eingeführt werden? Frage 6: Wie bekommt der Senat notwendige Investitionen in neue Fahrzeuge und eine deutliche Senkung der Einnahmen in Übereinstimmung gebracht? Antworten zu den Fragen 1, 2, 4, 5 und 6: Der Regierende Bürgermeister hat sich im Rahmen eines Interviews mit den Stadtoberhäuptern von Wien und Zürich dazu geäußert, wie der ÖPNV in Berlin noch attraktiver gestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang hat er die Einführung eines 365 €-Jahrestickets (wie auch in Wien) als eine mittelfristige Option für das Land Berlin dargestellt. Ein Weg in diese Richtung wurde bereits mit der Einführung des kostenlosen Schülertickets zum 01. August 2019, eines preisreduzierten Azubi-Tickets zum 01. August 2019 und eines vergünstigten Firmentickets zum 01. September 2019 beschritten. Ein Gutachten zur künftigen Finanzierung des ÖPNV wurde von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden in diese Überlegungen einfließen. Frage 3: In welchem Umfang werden gegenwärtig Einnahmen aus den verschiedenen Jahrestickets erzielt und von welchen Mindereinnahmen ist auszugehen, wenn all diese auf ein Maximum i.H.v. 365 Euro gesenkt werden würden? Antwort zu Frage 3: Im Tarifbereich Berlin AB wurden im Jahr 2018 mit Abonnements und Jahreskarten im Regeltarif (VBB-Umweltkarten, Firmentickets und 10-Uhr-Karten) Fahrgeldeinnahmen in Höhe von rund 343 Mio. Euro erzielt. Eine Abschätzung der entstehenden Mindereinnahmen im Zuge der Einführung eines 365-€-Jahrestickets im Berliner Stadtgebiet (VBB-Tarifbereich Berlin AB), die allen in Berlin tätigen 14 VBB-Verkehrsunternehmen (s. auch nachfolgende Tabelle) ausgeglichen werden müssten, ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Tickets und daher nicht pauschal kurzfristig abschätzbar. Übersicht über die kooperierenden VBB-Verkehrsunternehmen in Berlin AB: Unternehmen BBG Barnimer Busgesellschaft mbH BVG Berliner Verkehrsbetriebe A.ö.R. DB Regio AG – Region Nordost Havelbus Verkehrsgesellschaft mbH Mobus Märkisch-Oderland Bus GmbH NEB Betriebsgesellschaft mbH ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH OVG Oberhavel Verkehrsgesellschaft mbH regiobus Potsdam Mittelmark GmbH RVS Regionale Verkehrsgesellschaft Dahme-Spreewald mbH S-Bahn Berlin GmbH SRS Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn GmbH ViP Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH VTF Verkehrsgesellschaft Teltow-Fläming mbH Frage 7: In welchem Umfang besteht in den kommenden zehn Jahren Investitionsbedarf beim VBB, aus welchen Mitteln soll dieser gedeckt werden? Antwort zu Frage 7: Im ÖPNV gilt das Besteller-Ersteller-Prinzip: Auf der politischen Ebene werden die Zielvorgaben zum ÖPNV-Angebot formuliert und dessen Finanzierung sichergestellt. Die Regieebene zur Koordination und Steuerung übernimmt für Berlin und Brandenburg die VBB GmbH, die daneben noch weitere Aufgaben hat. Die Erstellung der Verkehrsleistung obliegt den Verkehrsunternehmen als eigenständigen Wirtschaftsunternehmen, die mithin für die Investitionen in die Fahrzeugflotten und darüber hinaus verantwortlich sind. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) ist ein Aufgabenträgerverbund und als GmbH organisiert. Gesellschafter sind die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie die 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte in Brandenburg. Die Gesellschafter sind zuständig für die Bestellung von Verkehrsleistungen, die von den Verkehrsunternehmen erbracht werden. Politische und unternehmerische Verantwortung sind somit klar voneinander getrennt. Die Frage nach der Höhe der Investitionen kann dabei konkret nur von den 38 Verkehrsunternehmen in Berlin und Brandenburg belastbar beantwortet werden. Frage 8: Inwieweit soll der ÖPNV in den kommenden Jahren attraktiver gestaltet werden, welche konzeptionellen Überlegungen gibt es, welche Beschlüsse wurden hierzu bereits gefasst und welche Kosten sind für diese Maßnahmen veranschlagt? Antwort zu Frage 8: Am 26. Februar 2019 wurde vom Berliner Senat der Nahverkehrsplan (NVP) 2019-2023 beschlossen. Wichtiges Ziel des NVP ist ein qualitativ und quantitativ attraktives ÖPNV- Angebot. Der NVP sieht dementsprechend umfassende und vielfältige Maßnahmen zum Ausbau und zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots vor. Beispielsweise sind hier Taktverdichtungen, der Einsatz größerer Fahrzeuge, Erweiterungen des ÖPNV-Netzes, Investitionen in neue Schienenfahrzeuge sowie Maßnahmen zur Infrastrukturentwicklung enthalten. Dabei werden Maßnahmen auch über die Laufzeit des NVP hinaus in einem langfristigen Zeithorizont bis zum Jahr 2035 dargestellt. Für den Zeitraum von 2020 bis 2035 wird der für die Realisierung aller Maßnahmen erforderliche Finanzbedarf, der aus öffentlichen Mitteln des Landes Berlin zu finanzieren ist, mit kumuliert rund 28 Milliarden Euro beziffert. Der ÖPNV ist Teil der Lösung der Verkehrswende. Doch um diese Aufgabe zu erfüllen, muss das gesamte System betrachtet werden. Wesentliche Aspekte eines erfolgreichen Nahverkehrssystems sind vor allem die Kernkriterien Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Sauberkeit. Ob Menschen lieber Bus und Bahn statt des Autos nutzen, entscheidet sich hauptsächlich über die Qualität des Gesamtsystems und nicht allein über den Fahrpreis. Dennoch sind Tarifmaßnahmen wichtige und notwendige Beiträge zur Verkehrswende, zum Klimaschutz und für einen attraktiven ÖPNV. Vor dem Hintergrund der steigenden Kosten bedingt durch Personalkosten und Fahrzeugneubeschaffungen ist es erforderlich, dem Gesamtsystem nachhaltig eine weitere Finanzierungssäule zur Verfügung zu stellen (s. hierzu auch Antwort zu den Fragen 1,2,4,5 und 6). Frage 9: Ist der Senat der Meinung, dass mehr Parkplätze an Bahnhöfen der Außenbezirke zu einer höheren Attraktivität führen, nicht mit dem eigenen KfZ, sondern mit dem ÖPNV in die Innenstadt zu fahren? Wie viele solcher Parkplätze wurden seit Beginn der Wahlperiode 2016 an welchen Standorten geschaffen, wie viele sind wann und wo geplant? Antwort zu Frage 9: In den Stadtrandlagen von Berlin und mit zunehmender Nähe zum S-Bahn-Ring besteht das Problem, ausreichende und geeignete Flächen in Bahnhofsnähe zu finden und für Park + Ride verfügbar zu machen (konkurrierende höherwertige Nutzungen). In Anbetracht der großen Potenziale bei der Verknüpfung von Fahrrad und ÖPNV befasst sich das Land Berlin derzeit schwerpunktmäßig mit der Realisierung von Bike + Ride-Anlagen. Der Senat verfolgt unter anderem auch mit dem gültigen Nahverkehrsplan das Ziel, den Öffentlichen Personennahverkehr so auszubauen, dass Menschen in Berlin ausreichend Alternativen auffinden, nicht auf das Auto angewiesen zu sein, um den nächsten Bahnhof zu erreichen. Seit Beginn der Wahlperiode 2016 wurden keine Park- and Ride-Anlage in Berlin errichtet und es sind auch keine weiteren Anlagen geplant. Frage 10: Ist der Senat der Meinung, dass die Ausweitung des B-Tarifs auf Randlagen und zum Beispiel zum Flughafen Schönefeld in bisherigen C-Tariflagen zu einer höheren Attraktivität führen, mit dem ÖPNV unterwegs zu sein? Wann soll der B-Tarif in diesem Sinne ausgeweitet werden? Antwort zu Frage 10: Aktuell sind die Tarifgrenzen im VBB verständlich und leicht merkbar: der S-Bahn-Ring ist die Grenze von Berlin A, die Berliner Landesgrenze umfasst Berlin B. Durch eine Ausweitung würde dieser große Vorteil verloren gehen, der Tarif würde schwerer zu verstehen und erklärungsbedürftiger. Hinzu kommt, dass – je nach Ausgestaltung – mit Mindereinnahmen von 12-25 Mio. Euro zu rechnen wäre. Die Nachteile stehen nicht im Verhältnis zu den Vorteilen: Stationen direkt hinter der Landesgrenze sind durch die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt und meist vergleichsweise kurze Fahrzeiten ins Berliner Zentrum auch ohne Verschiebung der Tarifgrenze attraktiv. Zudem würde die Problematik der Einpendelnden aus Brandenburg und des damit verbundenen Parkdrucks nicht gelöst, sondern nur zu weiter außerhalb gelegenen Stationen verlagert werden. Der finanzielle Vorteil für wenige Fahrgäste, die durch eine Verschiebung besser gestellt würden, müsste durch alle Fahrgäste kompensiert werden, was zu einer tariflichen Ungerechtigkeit führt. Die Ursache für kurz hinter die Landesgrenze fahrende Einpendelnde und den damit verbundenen Parkdruck liegt vor allem im hohen Preissprung an der Tarifgrenze begründet. Dieses Problem kann nicht durch ein räumliches Verschieben der Tarifgrenze, sondern nur durch eine Verringerung der Preisdifferenz gelöst werden. Daher ist eine Ausweitung des Tarifbereichs B auf das Gebiet des Landes Brandenburg seitens Berlins aktuell nicht geplant. Berlin, den 24.Juli 2019 In Vertretung Dr. Frank Nägele für den Chef der Senatskanzlei