Drucksache 18 / 20 239 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 12. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2019) zum Thema: Entwicklung von Suizidfällen bei der Berliner Polizei und Antwort vom 26. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20239 vom 12. Juli 2019 über Entwicklung von Suizidfällen bei der Berliner Polizei ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Anzahl von Suizidfällen (Versuche, Ankündigungen und Vollendungen) bei der Berliner Polizei seit 2010 bis heute entwickelt? Bitte um jährliche Angabe und Zuordnung nach Ämtern und Direktionen. 2. In wie vielen der unter 1. angeführten Fälle wurde eine Dienstwaffe verwendet? Zu 1. und 2.: Die erbetenen Angaben zu vollendeten, angekündigten und versuchten Suiziden von Mitarbeitenden der Polizeibehörde sind der nachfolgenden Statistik zu entnehmen: Jahr Suizid (vollendet) Suizid (angekündigt) Suizid (Versuch) Suizid mit Dienstwaffe 2010 3 3 0 2 2011 13 3 3 2 2012 6 2 0 0 2013 4 0 4 2 2014 5 0 0 1 2015 4 0 0 3 2016 0 0 0 0 2017 3 1 1 1 2018 4 0 0 1 2019 * 0 0 0 0 Quelle: Statistik Suizid SE Pers D 23 *Stand: 16.04.2019 Die Zugehörigkeit der Mitarbeitenden zu Ämtern und Direktionen wird nicht statistisch erhoben. 3. Welche Defizite in der Sensibilisierung und speziellen Fortbildung für Führungskräfte sieht der Senat , mit welchen Ansätzen und konkretem Zeitplan wird dem begegnet? Zu 3.: In der Polizei Berlin kommt dem Thema „Suizidprävention“ eine immer größere Bedeutung zu, dies beinhaltet im Besonderen die Sensibilisierung der Führungskräfte Seite 2 von 4 für das Themenfeld. Mit Übernahme einer Führungsfunktion mit Personalverantwortung werden in der Polizei Berlin alle Führungskräfte des Polizeivollzugsdienstes und deren Vertreterinnen/ Vertreter qualifiziert. Dazu gehört u.a. eine fachtheoretische Qualifizierung an der Polizeiakademie (PA), die alle Teilnehmenden auf eine Aufgabenwahrnehmung mit Personalverantwortung vorbereitet. Zu den Themenschwerpunkten gehört u. a. das Modul „Krisenintervention“, welches Themen wie Traumata und deren Folgen, Merkmale und Erscheinungsformen von Belastungsstörungen, Sofortmaßnahmen und Unterstützungsangebote durch interne und externe Institutionen etc. behandelt und präventive Maßnahmen und Möglichkeiten von Führungskräften betrachtet. Das Thema der Suizidprävention ist in den Polizeien der Länder in den vergangenen Jahren verstärkt bei der Fortbildung der Führungskräfte in den Fokus gerückt. Hierzu gehört, neben der theoretischen Vermittlung der Definition und des Wesens der Suizidalität (Ursachen, Gefährdungshinweise, Risikogruppen), das Aufzeigen konkreter Handlungsstrategien und Interventionsmöglichkeiten bei (akuter) Suizidalität. Vom 20. bis zum 21. Februar 2017 fand die Gründungssitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) „Suizidprävention in der Polizei“ an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup statt. Auf dieser Grundlage wurde in der Polizei Berlin eine Arbeitsgruppe (AG) „Suizidprävention in der Polizei Berlin“ ins Leben gerufen, die sich diesem Thema widmet. In dieser AG sind Mitarbeitende verschiedener Fachbereiche (Psychologischer Dienst, Sozialbetreuung, Konfliktkommission, Diversity Management, Hochschule für Wirtschaft und Recht etc.) vertreten. Ein Mitglied der AG wird regelmäßig zur BLAG nach Münster entsandt. Mit dem Ziel, erforderliche und geeignete Maßnahmen der Suizidprävention in der Polizei Berlin zu implementieren , wurde zusätzlich zu bereits bestehenden Angeboten ein Maßnahmenkatalog entwickelt, der sich an nachfolgenden Themenfeldern orientiert: 1. Sichern, Stärken und Wiederherstellen der persönlichen und sozialen Stabilität bei den Beschäftigten, 2. Reduzieren von (persönlichen) psychischen Fehlbelastungen, 3. Bewusstseinsbildung und Aufklärung aller Beschäftigten und Führungskräfte über das Thementrio: Stress-Krise-Suizid. Vorgesehen sind u. a. folgende Maßnahmen, die noch im Jahr 2019 begonnen werden sollen: Erstellen eines Flyers „Suizidgedanken? Es gibt Hilfe!“. Ziel: Aufklärung und Bewusstseinsbildung, insbesondere für Mitarbeitende ohne Zugang zum Multifunktionalen Arbeitsplatz (MAP). Entwickeln einer App „Suizidprävention“ für das Diensthandy und den MAP. Ziel: Angebot von Information und Unterstützung an Mitarbeitende/Betroffene sowie Verweis auf Hilfsangebote, besonders in akuten Krisen- und Belastungssituationen (SOS-Button). Thementag zur Suizidprävention anlässlich des „Tages der Suizidprävention der Weltgesundheitsorganisation“ am 10. September 2019. Ziel: Einrichten einer Informationsplattform und eines Blogs sowie Einsatz eines Infomobils , um Mitarbeitende zu sensibilisieren, zu informieren und in den Austausch zu treten. Veröffentlichung des Handlungsleitfadens „Handlungsschritte für die Führungskraft “ (erstellt durch Prof. Dr. Birgitta Sticher/ HWR). Seite 3 von 4 Ziel: Warnhinweise zur Suizidalität sowie Hinweise zur Gesprächsführung und Krisenintervention . Weiterentwicklung der Betrieblichen Eingliederungsmanagement-Schulung. Ziel: Erweiterung um die Aspekte der Suizidprävention und Konflikterkennung. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit weiteren externen Beratungsträgern, Berliner Krisendiensten u. ä. angestrebt, um den Führungskräften zielgerichtete Fortbildungsangebote unterbreiten zu können. 4. Wie stellt sich nebst allgemein üblicher Todesermittlungsverfahren die behördeninterne Aufarbeitung und Motivsuche dar? Zu 4.: Wenn Führungskräfte oder die Sozialbetreuung der Polizei Berlin nach einem Suizid Hinweise auf mögliche bestehende Konflikte erhalten, wird die Konfliktkommission zur Aufarbeitung einbezogen. Zukünftig sollen mit Hilfe der AG „Suizidprävention in der Polizei Berlin“ Maßnahmen wie Aufklärung, Informationen und Hilfsangebote sowie Qualifizierung der Mitarbeitenden und gezielte Fortbildungen für Führungskräfte initiiert werden. 5. In wie vielen Fällen gab es nach suizidalen Vorkommnissen Versetzungen von Kollegen oder Vorgesetzten , weil Zusammenhänge zu problematischen Verhalten im Raum standen? Welche Notwendigkeiten werden gesehen, derartige Sachverhalte und Konsequenzen intensiver zu prüfen oder wird hierzu grundsätzlich keine Veranlassung gesehen? Zu 5.: Derartige Angaben werden nicht statistisch erhoben. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 4 verwiesen. 6. In welchem Umfang und mit welchen Mitteln steht die behördliche Sozialbetreuung den Betroffenen und Angehörigen zur Verfügung? Bitte hierbei auch um Angaben und Begründung zur personellen Ausstattung, einschließlich unbesetzter und neu geplanter Stellen. Zu 6.: Die Sozialbetreuung der Polizei Berlin bietet den betroffenen Angehörigen, sofern sie in keinem eigenen Netzwerk angebunden sind, ein erstes Beratungsgespräch an, in dem die weiteren unterstützenden Schritte abgesprochen werden. So können die Angehörigen in der ersten Phase nach dem Suizid u.a. bei der Vorbereitung und während der Beisetzung unterstützt werden. Grundsätzlich prüft die Sozialbetreuung in diesen Fällen auch, ob eine Einbindung der polizeilichen Seelsorge möglich ist. Im weiteren Verlauf wird geprüft, ob die Sozialbetreuung darüber hinaus mit stabilisierenden Gesprächen unterstützen kann oder die Angehörigen an geeignete Hilfseinrichtungen (z.B. Trauergruppen, Therapeuten) weitergeleitet werden, um dort das Geschehene aufarbeiten zu können. Die Anzahl der Planstellen und der tatsächlich Beschäftigten bei der Sozialbetreuung stellt sich wie folgt dar: Dienststelle Stellen VZÄ(1), (2) SE Pers D 23 15,00 16,55 (1) Alle Auswertungen erfolgten ausschließlich auf der Basis der im System IPV zum Stichtag 30.06.2019 hinterlegten Daten und spiegeln den Datenbestand zu diesem Stichtag wider. (2) VZÄ=Vollzeitäquivalente, Angaben mit beurlaubten Dienstkräften und ohne Anwärter und Auszubildende Seite 4 von 4 Für den Haushalt 2020/ 2021 können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließenden Aussagen über mögliche Stellenzugänge getroffen werden. 7. Inwieweit dürfen grundsätzlich dienstlich zur Verfügung gestellte Waffen außerhalb des Dienstes mitgeführt werden? Welche Voraussetzungen müssen hierfür vorliegen und welche Änderungen gab es hier aus welchen Anlässen in den vergangenen Jahren? Zu 7.: Von 2010 bis zum 31. Mai 2016 war es gemäß der damaligen Geschäftsanweisung (GA) den Waffe Tragenden auf dem Weg vom und zum Dienst sowohl in bürgerlicher als auch in Dienstkleidung freigestellt, die Waffe zu führen. Nach erfolgreichem Abschluss der für die jeweilige Laufbahn vorgeschriebenen Ausbildung waren Beamtinnen und Beamte des Polizeivollzugsdienstes ermächtigt, über Faustfeuerwaffen, mit denen sie dienstlich ausgestattet sind, außerhalb des Dienstes die tatsächliche Gewalt auszuüben (Besitz) und diese Waffe zu führen. Seit dem 1. Juni 2016 ist das Führen der dienstlich überlassenen Faustfeuerwaffe in der GA Zentrale Serviceeinheit II (ZSE II) Nr. 1/ 2016 über den Umgang mit Faustfeuerwaffen geregelt. Hiernach ist den Dienstkräften des Polizeivollzugs auf dem Weg vom und zum Dienst sowohl in bürgerlicher als auch in Dienstbekleidung freigestellt , die Faustfeuerwaffe zu führen. Darüber hinaus sind die Dienstkräfte bei Vorliegen eines berechtigten Interesses ermächtigt, über Faustfeuerwaffen, mit denen sie dienstlich ausgestattet sind, außerhalb des Dienstes die tatsächliche Gewalt auszuüben (Besitz) und diese Waffe zu führen. Ein solches berechtigtes Interesse ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn das Führen der Faustfeuerwaffe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Dienstverrichtung erfolgt. Hierunter fallen über den versicherungsrechtlichen Begriff des Dienstweges hinaus Versorgungsgänge, Arztbesuche und ähnlich anerkannte Tätigkeiten der Daseinsvorsorge jeweils unmittelbar vor und nach der Dienstverrichtung sowie bei Dienstunterbrechungen. Des Weiteren kann gemäß der GA in begründeten Einzelfällen die bzw. der Dienstvorgesetzte das außerdienstliche Führen der Faustfeuerwaffe ganz oder teilweise genehmigen bzw. anordnen. Weiterführende Genehmigungen bzw. Anordnungen könnten im konkreten Bedarfsfall auf der Grundlage einer Einsatzanordnung erlassen werden. Im Zusammenhang mit der Erstellung der GA ZSE II Nr. 1/ 2016 wurde eine „Prinzipumkehr “ vollzogen, die nicht mehr die generelle Erlaubnis zum Führen der Faustfeuerwaffe außerhalb des Dienstes beinhaltet. Nach der jetzigen Regelungslage kann der Dienstvorgesetzte in begründeten Einzelfällen das außerdienstliche Führen der Faustfeuerwaffe genehmigen. Den Kontext für diese Weisung bildeten Sachverhalte von Dienstkräften außerhalb ihrer Dienstzeit mit Schusswaffen. Berlin, den 26. Juli 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport