Drucksache 18 / 20 240 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 12. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2019) zum Thema: Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Berlin IV – Kritik am Umsetzungsgesetzentwurf, Sachstand und Planungen und Antwort vom 01. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. 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Teilt der Senat die Kritik, wie bewertet er diese und zu welchen Schlussfolgerungen kommt er, dass der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung – analog zum Ergebnis eines vom Senat selbst in Auftrag gegebenen Gutachtens – im vorliegenden Gesetzesentwurf „die Manifestierung des bestehenden Status Quo hinsichtlich der Zuständigkeit in den einzelnen Bezirken“ sieht? 2. Welche Vor- und Nachteile würde der Senat bei einer überbezirklichen Lösung in Form von vier regionalisierten Teilhabeämtern sehen, die auch Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen beinhalten? 3. Welche Modelle zu 2. wurden geprüft und aufgrund welcher Bewertungen ist man zu welchem geplanten Strukturvorschlag gekommen? Zu 1. bis 3.: Die Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die ursprünglich von der Firma gfa public GmbH vorgeschlagene, vom Senat in einem Grobkonzept zum Träger der Eingliederungshilfe konstruktiv aufgegriffene und von den Verbänden der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung eingeforderte Bündelung und Straffung von Zuständigkeiten durch Errichtung von vier integrierten, regionalisierten Teilhabeämtern auf der bezirklichen Ebene, fand im Rat der Bürgermeister keine Mehrheit. Daraufhin hat der Senat im Einvernehmen mit dem Rat der Bürgermeister die Einführung von Teilhabefachdiensten in den Sozial- und Jugendämtern und deren fachliche Verknüpfung über ein Arbeitsbündnis im Rahmen 2 der so genannten „Häuser der Teilhabe“ beschlossen. Die Gründung der bezirklichen „Häuser der Teilhabe“ geht über den Status Quo hinaus und gewährleistet die angestrebte Sozialraumorientierung. Nach Abstimmungen mit der Fachöffentlichkeit wurden Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen. Beispielhaft sollen folgende wesentlichen Änderungen hervorgehoben werden: · Die Kritik an der geplanten Übergangszeit bis zur Übertragung der definierten Aufgaben an das Landesamt für Gesundheit und Soziales von einem halben Jahr wurde aufgegriffen und der Aufgabenübergang auf den 1. Januar 2020 vorverlegt. · Es wird ausdrücklich verankert, dass der Berliner Steuerungskreis sich zukünftig nicht nur mit den Empfehlungen des Teilhabebeirates sondern auch mit den Empfehlungen des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung und des Landesbeirates für psychische Gesundheit befasst. · Die Regelung zu den Daten, die an den Leistungserbringer übergeben werden, wurde neu gefasst und geschärft. · Es wurde klargestellt, dass die Evaluation der neuen Organisation des Trägers der Eingliederungshilfe nicht erst 2023 beginnt, sondern diese Evaluation prozessbegleitend – fortlaufend – angelegt werden soll. · Das Wohnteilhabegesetz wurde überarbeitet. Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung gab selbst bisher keine eigene Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren ab, sondern äußerte sich im Nachgang zur ministeriellen Verbändeanhörung am 04.06.2019 in einem „Offenen Brief“ sowie einer „Resolution“ vom 27.06.2019. 4. Welche konkreten Planungen gibt es bezüglich der Entwicklung von notwendigen Strukturen und den damit einhergehenden Ressourcen? Zu 4.: Der Gesetzentwurf sieht die Bildung von Teilhabefachdiensten in den Ämtern für Soziales und den Jugendämtern vor, die in einem Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ zusammen geführt werden. Im Übrigen wird auf den Gesetzentwurf (Drucksache 18/2027) sowie auf die Eckpunkte „Organisation des Trägers der Eingliederungshilfe“ (siehe Rote Nummer 0373E vom 19.06.2019) verwiesen. 5. Inwieweit ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren und nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eine adäquate Einbindung der Interessenvertretungen, zu beteiligenden Behörden und Praktikern sichergestellt? Bitte um Angabe aller beteiligten Akteure und des Zeitplans. 6. Wie stellt sich der Senat die künftige praktische Mitarbeit – auch und gerade hinsichtlich personeller Ressourcen – in Teilhabebeiräten auf Landes- und Bezirksebene, für die Rahmenvertragsverhandlungsdelegation und Schiedsstelle vor? Zu 5. und 6.: Die Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Gesetzgebungsverfahren und die dortige Einbeziehung von Interessensvertretungen erfolgt durch den Gesetzgeber, das Abgeordnetenhaus von Berlin selbst, in der Regel durch die dafür zuständigen Ausschüsse. 3 Zur Beteiligung der Verbände, welche die Interessen der Menschen mit Behinderungen vertreten, die Leistungserbringer und Leistungsträger sowie weiterer Personen aus Wissenschaft und Praxis im Prozess der Erarbeitung des Gesetzentwurfs seien beispielhaft genannt: · die Einrichtung eines BTHG-Projekt-Teilhabeirats vor Inkrafttreten der bundesrechtlichen Vorschriften, der seit dem 19.05.2017 in zehn Sitzungen u. a. Mitglieder vom Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen angehören, · die weiteren Projektgremien des BTHG-Projektes: Lenkungsausschuss und Abstimminstanz, denen Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Haupt- und Bezirksverwaltungen angehören, · Fachtag „Umsetzung des BTHG in Berlin: Teilhabebedarfe erkennen – Welches Instrument passt für Berlin?“ im Februar 2018 mit ca. 150 Teilnehmenden, · Abfrage von Stellungnahmen zum Gutachten der Firma gfa public sowie anschließendes Fachgespräch im Juli 2018, · das Fachforum zum BTHG im November 2018 mit mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, · die Anhörungen der Fachöffentlichkeit zum Berliner Teilhabegesetz (BlnTG) sowie zum Verordnungsentwurf, in dem auch das neue Bedarfsermittlungsinstrument „Teilhabeinstrument Berlin (TIB)“ enthalten ist, im April 2019, · die partizipative Pilotierung und Evaluierung des neuen TIB zur Vorbereitung des Echtbetriebs in allen zwölf Bezirken mit Beteiligung u. a. von Interessensvertretungen der Menschen mit Behinderungen, insbesondere auch der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen nach § 32 SGB IX aus Berlin. Der Senat hat somit trotz der engen zeitlichen Vorgaben durch den Bundesgesetzgeber (Inkrafttreten der 3. Reformstufe zum 01.01.2020) der Beteiligung der Interessensvertretungen der Menschen mit Behinderungen einen hohen Stellenwert beigemessen. Im Rahmen der Schiedsstellenverordnung sowie im o. g. Gesetzentwurf ist die Einbeziehung der Interessensvertretungen ebenso vorgesehen wie im Berliner Teilhabeirat sowie in den bezirklichen Teilhabebeiräten. 7. Welche finanziellen und personellen Mittel erachtet der Senat als notwendig, um das Bundesteilhabegesetz in Berlin erfolgreich umzusetzen? 8. Welche Mittel für den kommenden Landeshaushalt hat der Senat für welche konkreten Ausgaben beantragt? Bitte hierbei um Angaben der Berechnungen für die Landesebene und jeden Bezirk. 9. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen gegenwärtig und sollen bis Ende 2020 für welche Aufgaben in den Bezirken zur Verfügung stehen? Wie werden die Bezirke hierbei unterstützt? Bitte um Angabe zu allen Bezirken und der Verbindung zur Landesebene. Zu 7. bis 9.: Der Senat rechnet mit den im o. g. Gesetzentwurf (Drucksache 18/2027) erläuterten finanziellen und personellen Auswirkungen und hat entsprechende Mittel im Entwurf zum Doppelhaushalt 2020/2021 vorgesehen. Außerdem sieht der Senat im Gesetzentwurf eine Evaluierung vor, bei der auch die personellen Ressourcen in den Teilhabefachdiensten überprüft werden. 4 10. Welche Kontrollmechanismen und fachlichen Begleitungen sind für die Umsetzung des BTHG in Berlin vorgesehen? Zu 10.: Mit dem o. g. Gesetzentwurf sind mehrere Mechanismen der Steuerung installiert worden (vgl. § 7 AG SGB IX, Art. 1 BlnTG-Entwurf). Berlinweit einheitliche hohe Standards sollen vor allem auch durch hochwertige und regelmäßige Fortbildungen der Fach- und Führungskräfte der Eingliederungshilfe erreicht werden. 11. Inwieweit und mit welchen Ergebnissen gibt es mit der Bundesebene und anderen Bundesländern einen Erfahrungsaustausch und gemeinsame Standards? Zu 11.: Durch das Bundesteilhabegesetz sind zahlreiche gemeinsame Verfahrensvorschriften Gesetz geworden, die nun angewandt werden. Über die Umsetzung der neuen Standards gibt es einen regelmäßigen Austausch auf unterschiedlichen Ebenen der Verwaltung und in unterschiedlichen Formaten. Beispielsweise wurden bereits erste Änderungen am Bundesteilhabegesetz auf gemeinsame Initiative der Länder in die Bundesgesetzgebung eingebracht. Durch § 94 Abs. 5 SGB IX ist ein institutionalisierter Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern unter Beteiligung des Bundes sowie Modellvorhaben und Evaluationen des Bundes, im Bundesteilhabegesetz selbst angelegt. Das Berliner Teilhabeinstrument (TIB) wurde unter maßgeblicher Berücksichtigung der neu entwickelten Instrumente aus Niedersachsen (BeNi) und NRW (BeiNRW) entwickelt und wurde bereits in verschiedenen Austausch-Runden der Länder vorgestellt. Die fachlich aufeinander abgestimmten Instrumente erleichtern schon heute den bundesweiten Austausch über die weitere Umsetzungsplanung, wie Fortbildungsplanung und Fachkräftebedarf. Beispielhaft sei auch der regelmäßige Austausch des BTHG-Projektes auf Verwaltungsebene mit den weiteren Stadtstaaten Hamburg und Bremen erwähnt. Berlin, den 01. August 2019 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales