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kleineAnfragen
Drucksache 18
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Schriftliche Anfrage
18. Wahlperiode
Schriftliche Anfrage
des Abgeordneten
Marcel
Luthe (FDP)
v
om
20
. Ju
l
i
2019
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am
22
. Juli
2019
)
zum Thema:
Großer Lauschangriff
Position der Justizverwaltung
und
Antwort
vom
07. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Aug. 2019)
Die Drucksachen des
Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch
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Senatsverwaltung für Justiz
,
Verbraucherschutz
und Antidiskriminierung
Herrn
Abgeordneten
Marcel Luthe
(
FDP
)
über
den Prä
sidenten des Abgeordnetenhauses
von Berlin
über
Senatskanzlei
-
G Sen
-
A n t w o r t
auf die Schriftliche
Anfrage Nr. 18/
20
311
vom
20
. Juli 2019
über
Großer Lauschangriff
Position der Justizverwaltung
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Im Namen des Senats von B
erlin beantworte ich Ihre Schriftliche
Anfrage wie folgt:
1.
Welche Auffassung vertritt der Senat, insbesondere
die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, hin-
sichtlich der rechtlichen Zulässigkeit der mittelbaren und unmittelbaren Überwachung in Privatwohnungen unter
Nutzung sogenannter „smarter“ Geräte (e.g. Amazon Alexa, Apple Siri, Smart
-
TVs) in Ermit
tlungsverfahren?
Zu 1.:
Die
rechtliche Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme bezüglich von Smart
-
Home
-
Geräten ist zunächst davon abhängig,
um welche konkrete Nutzung zu Überwa-
chungszwecken es geht.
Denn die
Art der Überwachungsmaßnahme bestimmt die
str
af-
prozessuale
Rechtsgrundlage. Entscheidend ist
demnach
, was die Überwachung betrifft
(Telekommunikation, bloße mündliche Anweisungen an Smart
-
Home
-
Geräte, von diesen
vorgenommene Messungen oder Steuerungen, Gespräche zwischen Menschen), wie die
Überwachun
g erfolgt (mit Eingriff in informationstechnische Systeme des Betroffenen
oder ohne), wo dies geschieht (in Woh
nungen oder der Öffentlichkeit)
und
,
ob dies
offen
oder verdeckt geschieht.
Soweit über
ein
vernetzte
s
Gerät Telekommunikation erfolgt, findet §
100a
Strafprozessordnung (
StPO
)
Anwendung.
Ist
dabei die Überwachung verschlüsselter Kommunikati
onsinhalte erforderlich
, kann auch
eine Q
uellen
-
Telekommunikationsüberwachung
vernetzter Smart
-
Home
-
Geräte
nur unter den in § 100a
Abs. 1 Sä
tz
e
2 und 3
StPO ge
regelten Voraussetzungen erfolgen.
Handelt es sich bei dem v
ernetzten Gerät um ein informationstechnisches System
und geht die Überwa-
chung über laufende und hinzukommende Kommunikationsinhalte hinaus,
finden die Bestimmungen
zur
sogenannten
Online
-
Durchsuchung gemäß
§ 100b StPO Anwendung. Ein Eingriff in
das informationstech-
nische System und die Erhebung von Daten hieraus darf nur
erfolgen, soweit die
dort
geregelten
engen
Eingriffsvoraussetzungen
vorliegen.
Ein Zugriff auf Smart
-
Home
-
Geräte
in Form
informationstechnische
r
Systeme
ist hingegen
nicht im Rahmen von akustischen Wohnraumüberwachungen
100c StPO)
zulässig.
Es
verbietet sich
daher nach
geltender Rechtslage
,
diese Geräte
durch technische Eingriffe der Ermitt-
lungsbehörden in Wanzen
umzufunktionieren und
z
ur akustischen Wohnraumüberwachung einzusetzen
2.
Welche Auffassung vertritt der Senat, insbesondere die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, hin-
sichtlich der rechtlichen Zulässigkeit der Verwertung von bereits gespei
cherten Daten auf sogenannten „smarten“
Geräten in Privatwohnungen (e.g. Amazon Alexa, Apple Siri, Smart
-
TVs) in Ermittlungsverfahren? Sofern der Senat
der Auffassung ist, dass diese verwertbar sind, auf welcher rechtlichen Grundlage und wie weit zeitlich
zurück dürfen
diese Daten nach Auffassung des Senats ausgewertet werden, e.g. maximal sieben Tage ab Aufzeichnung?
2
Zu 2.:
§ 94 StPO erlaubt sowohl die Beschlagnahme von Geräten als auch die B
e
schlagnahme
von Daten.
Vernetzte Geräte und die hierauf gespeic
herten Daten sind
von dieser zentralen Vorschrift des Beschlag-
nahmerechts der Strafprozessordnung nicht ausgenommen. Die Beschlagnahme ist als offene Maßnahme
ausgestaltet.
Für die Durchsicht der bei Durchsuchungen sichergestellten Datenträger
gilt § 110
Ab
s.
1 StPO; lokale
Speichermedien können auf dieser
Grundlage durchgesehen werden. Zudem e
rlaubt die Vorschrift in
Abs.
3 Satz 1, dass
für den
Fall, dass ein sichergestelltes vernetztes Gerät ein Speichermedium ist, die
Durchsicht auf ein hiervon räumlic
h getrenntes Speichermedium erstreckt werden kann.
Handelt es sich bei einem sichergestellten
vernetzten Gerät um ein informationstechnisches System, fin-
de
t
§ 100b StPO Anwendung. Ein Eingriff in
das informationstechnische System und die Erhebung von
Date
n hieraus darf nur
erfolgen, soweit die engen Eingriffsvoraussetzungen
des als heimliche Ermitt-
lungsmaßnahme ausgestalteten §
100b StPO
vorliegen.
3.
Inwieweit hält der Senat, insbesondere die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, a) die Erhe
bung
und b) die Verwertung der Daten zu 1) und 2) im Ermittlungsverfahren mit EU
-
Recht, insbesondere vor dem Hinter-
grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zu C
-
698/15 vom 21.12.2016, für vereinbar?
Zu 3.:
Die Frage nach der Vereinbarkeit einer
Smart
-
Home
-
Geräte bezogenen Datener-
hebung bzw.
-
verwertung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechts-
sach
e C
-
698/15 stellt sich wegen der
unterschiedlichen Sachverhalte nicht. D
enn d
ie
Entscheidung betraf die rechtliche Zulässigkeit einer E
U
-
Regelung über die Vorratsda-
tenspeicherung. Eine solche Verpflichtung gibt es im Zusammenhang mit Smart
-
Home
-
Geräten und Sprachassistentinnen
jedoch
nicht. Weder die Benutzerinnen und Benutzer
derartiger Geräte oder die Software noch die Firmen, denen die
Smart
-
Home
-
Geräte und
Programme die Daten übermitteln, sind zu irgendeiner vorsorglichen Aufbewahrung der
Daten verpflichtet.
4.
Wie viele Maßnahmen nach § 100 b und wie viele nach § 100 c StPO sind in den Jahren 2012 bis 2018 und wie
viele in 2019
angeordnet worden? Waren in diesen Fällen auch „smarte Geräte“ betroffen? Falls ja, in wie vielen?
Zu 4.:
Im Zeitraum von 2012 bis 2018
fanden
im Land Berlin zwei Maßnahmen gemäß
§
100c StPO
statt
, davon beide im Jahr 2013.
Smart
-
Home
-
Geräte waren davon n
icht
betroffen.
Maßnahmen nach § 100b StPO konnten
mangels
einer
die Online
-
Durchsuch
-
ung regelnden Rechtsgrundlage
bis zur zweiten Jahreshälfte 2017
nicht stattfinden.
Auch
in den
ve
r
gangenen beiden Jahren sind keine Maßnahmen nach
de
n
§
§
10
0b, 100c
StPO
in Berli
ner Er
mittlungsverfah
r
en durchgeführt worden.
Für das Jahr 2019 wird
die
diesbezüglich
relevante
gesetzlich vorgeschriebene Statistik nach § 101b Abs. 1 Satz 1
StPO erst zum 30. Juni 2020 fällig
, sodass
etwaige einschlägige Maßnahmen daher
für
das begonnene Jahr
noch nicht
zwingend im staatsanwaltschaftlichen EDV
-
System
MESTA
(Mehrländer
-
Staatsanwaltschafts
-
Automation)
erfasst sein müssen.
Berlin, den
7
. August 2019
In Vertretung
Dr. Brückner
Senat
sverwaltung
für Justiz
,
Verbraucherschutz
und Antidiskriminierung