Drucksache 18 / 20 313 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 22. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Juli 2019) zum Thema: Umsetzung des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes in Berlin und Antwort vom 30. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20313 vom 22. Juli 2019 über Umsetzung des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Vorkehrungen organisatorischer, personeller und sonstiger Art hat das Land Berlin getroffen , um das im Juni 2019 auf Bundesebene beschlossene Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Geordnete-Rückkehr-Gesetz, Drs. 19/10047, 19/10506, 19/10706) konsequent , umfassend und zeitnah umzusetzen? Zu 1.: Die Ausländerbehörde Berlin wird ihre Verfahrenshinweise bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport entsprechend den geänderten gesetzlichen Vorgaben überarbeitet und die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult haben. Hierdurch ist die Umsetzung gewährleistet , auch ohne dass weitere Maßnahmen in organisatorischer, personeller oder sonstiger Art erforderlich wären. 2. Werden zwecks Umsetzung des Gesetzes insbesondere neue Stellen geschaffen bzw. für den Doppelhaushalt 20/21 beantragt? Falls ja, wie viele und wo sind sie im Entwurf für den Doppelhaushalt 20/21 etatisiert? Zu 2.: Zum Doppelhaushalt 2020/21 wurden für den Bereich der Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Etatisierung EP05: 0500/ Titel 422 01) zur Umsetzung der Migrationspolitik des Senats bei Wahrung steigender Sicherheitsinteressen in der wachsenden Stadt zwei Stellen berücksichtigt. 3. Falls keine der unter Fragen 1+ 2 erwähnten Maßnahmen ergriffen werden: Warum erachtet der Senat solche Maßnahmen für entbehrlich, während er zwecks Umsetzung des Fachkräftezuwanderungsgesetzes sogar ein neues Landesamt schafft? Zu 3.: Entfällt. Seite 2 von 4 4. Beabsichtigt der Senat die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend anzuordnende Sicherungshaft, für deren Anwendung künftig erweiterte Möglichkeiten bestehen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf Drs. 19/10047, S. 2, 3), im bislang zu 80 – 90 % seiner Kapazität ungenutzten (vgl. die Anfragen Nr. 18/18204 und 18/18493) Abschiebegewahrsam am Kirchhainer Damm zu vollziehen? Falls nein, wo soll die Sicherungshaft dann vollzogen werden und weshalb wird sie trotz freier Plätze nicht am Kirchhainer Damm vollzogen? 5. Wo gedenkt der Senat die in ihrem Anwendungsbereich erweiterte Vorbereitungshaft (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf Drs. 19/10047, S. 2, 3) zu vollziehen? 6. Wo gedenkt der Senat die neu geschaffene Mitwirkungshaft zu vollziehen? 7. Wo gedenkt der Senat den infolge des Verzichts auf eine vorliegende Fluchtgefahr leichter anzuordnenden Ausreisegewahrsam im Sinne des § 62 b AufenthG künftig zu vollziehen? Zu 4. bis 7.: Die Vollziehung der Haft ist abhängig vom Personenkreis und wird daher jeweils im Einzelfall entschieden. 8. Wie und innerhalb welchen Zeitraums sollen die Fälle ermittelt werden, denen ab Inkrafttreten des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG n.F. keine Leistungen mehr zustehen? Zu 8.: Ob Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht geltenden Anspruchseinschränkung betroffen sind, wird individuell anlässlich der Vorsprache der Betroffenen im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) überprüft. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass weitere Umsetzungsfragen – insbesondere wie die Mitteilung, ob die/der Asylsuchende bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat internationaler noch fortbestehender Schutz gewährt worden ist -, einer Abstimmung zwischen dem für die Asylverfahren zuständigen Bundesamt und den auf Landes- bzw. Kommunalebene zuständigen Leistungsbehörden bedürfen. 9. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (Drs. 19/10047, S. 44, 45) gibt es bundesweit ein spürbares Defizit an Abschiebungshaftplätzen, weshalb temporär das Trennungsgebot zwischen Strafund Abschiebehaftanstalten eingeschränkt wird. a) Ausweislich der Gesetzesbegründung ist vorgesehen, dass die Justizbehörden der Länder vorübergehend bis zu 500 Haftplätze für Abschiebungshaftgefangene bereitstellen. In welcher Größenordnung wird das Land Berlin hierzu seinen Beitrag leisten? Falls kein Beitrag seitens des Landes Berlin vorgesehen ist, wird um eine Begründung hierfür gebeten. b) Laut Gesetzesbegründung (s. 45 oben) können in der Praxis trotz Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zahlreiche Haftanträge nicht gestellt werden. Entspricht diese Analyse den tatsächlichen Verhältnissen in Berlin? Falls nein, wie erklärt sich die abweichende Situation in Berlin ? c) Die Gesetzesbegründung erwartet eine den Bedarf deckende Zahl an Abschiebungshaftplätzen bis Mitte 2022. Welchen Beitrag gedenkt das Land Berlin zu leisten, um diese Zielmarke zu erreichen ? Erkennt der Senat an, dass bei einer Zielmarke von ca. 1000 Plätzen das Land Berlin unter Zugrundelegung des Königsteiner Schlüssels davon ca. 50 Plätze bereitstellen müsste und besteht hierzu eine entsprechende Absicht? Zu 9 a und c.: Der Senat hält das Trennungsgebot zwischen Strafgefangenen und Abschiebehaftgefangene für einen sehr wichtigen Grundsatz. Dieser soll weiterhin Beachtung finden. Im Land Berlin bestehen weder die organisatorischen noch die personellen Voraussetzungen, um Abschiebungshaftgefangene, die einem völlig anderen rechtlichen Regime unterliegen, in Justizvollzugsanstalten des Landes Berlin unterzubringen. Es bestehen nach wie vor zudem erhebliche europarechtliche Seite 3 von 4 Bedenken gegen eine Öffnung des Justizvollzuges für die Abschiebungshaft. Auch bestehen in Anbetracht der Auslastung der in Frage kommenden Justizvollzugsanstalten keine Kapazitäten. In der Abschiebehafteinrichtung für Gefährder am Kirchhainer Damm stehen bei Bedarf 10 Abschiebungshaftplätze zur Verfügung. Zu 9 b.: Vereinzelt konnten auch in Berlin Haftanträge mangels Haftplatz in einem anderen Bundesland nicht gestellt werden. 10. Mit Einnahmen in welcher Höhe auf Basis des neuen Bußgeldtatbestandes in § 98 Abs. 3 Nr. 5b AufenthG kalkuliert der Senat ab 2020 und wo werden die Einnahmen im Haushalt verbucht? Zu 10.: Eine Prognose ist nicht möglich. Einnahmen werden im Kapitel 0574, Titel 11201 der Ausländerbehörde verbucht. 11. Welche Vorkehrungen trifft der Senat, um Abschiebetermine künftig besser geheim zu halten, wie es der Intention des neuen § 97a AufenthG entspricht? Werden bislang Flüchtlingsräte und sog. Abschiebebeobachter über Abschiebetermine informiert und falls ja, soll hieran etwas geändert werden? Zu 11.: Es ist weiterhin nicht vorgesehen, dass der Flüchtlingsrat und die Abschiebungsbeobachtung über Abschiebungstermine unterrichtet werden. Bereits jetzt gilt gemäß § 59 Abs. 1 S. 8 AufenthG, dass der Termin der Abschiebung nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Ausländerin bzw. dem Ausländer nicht angekündigt werden darf. Diese Vorschrift wird weiterhin beachtet, so dass hier Verfahrensänderungen weder in Betracht kommen noch beabsichtigt sind. Bei Anhaltspunkten für die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 97 a AufenthG wird Strafanzeige gestellt. 12. In wie vielen Fällen haben Ausländerbehörde oder Polizei seit 2016 den auch nach bisheriger Rechtslage schon von § 353b StGB erfassten Sachverhalt durchgestochener Abschiebetermine gegenüber der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht (bitte jahrweise auflisten)? Mit welchem Ergebnis wurden die Ermittlungen jeweils abgeschlossen (bitte unterteilen nach §§ 153 ff StPO, § 170 Abs. 2 StPO, Strafbefehlsantrag und Anklage)? Zu 12.: In wie vielen Fällen Ermittlungen anlässlich vorher bekannt gewordener Abschiebungstermine und mit welchem Ergebnis geführt wurden, wird weder durch die Polizei Berlin noch durch die Ausländerbehörde statistisch erfasst. Auch ist eine statistische Auflistung der wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b StGB) im Zusammenhang mit dem Sachverhalt „durchgestochener Abschiebetermine“ geführten Verfahren mit den Mitteln des Datenverarbeitungssystems MESTA der Justiz nicht möglich, weil insoweit keine gesonderte Erfassung erfolgt. 13. Der durch das Geordnete-Rückkehr-Gesetz neu geschaffene § 12a AsylG sieht eine zweistufige Asylverfahrensberatung vor: a) Wie und wo wird in Berlin die in § 12a AsylG n.F. auf der ersten Stufe vorgesehene Asylverfahrensberatung durch das BAMF vor der Antragstellung durchgeführt werden? Gibt es hierzu bereits Absprachen mit dem BAMF? Wird das BAMF dauerhaft im Ankunftszentrum präsent sein? Seite 4 von 4 b) Wie und wo soll die ebenfalls in § 12a AsylG n.F. (s. S. 4) auf der zweiten Stufe vorgesehene individuelle Asylverfahrensberatung durchgeführt werden? c) Wird die unter Frage Nr. 13 b) angeführte Verfahrensberatung aus dem Berliner Landeshaushalt finanziert, wenn sie a) durch das BAMF bzw. b) durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird? Falls ja, aus welchem Titel wird sie finanziert? d) In welchem Umfang soll diese Beratung gemäß § 12a S.4 AsylG n.F. in Berlin jeweils durch a) das BAMF bzw. durch b) Wohlfahrtsverbände durchgeführt werden? Wer entscheidet über den jeweiligen Umfang? Zu 13 a bis d.: Wie sich im Einzelnen aus der Pressemitteilung des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) vom 13.02.2019 - im Internet veröffentlicht unter der Adresse https://www.berlin.de/laf/ueberuns /pressemitteilungen/2018/pressemitteilung.783946.php - ergibt, bietet der AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V. im Ankunftszentrum bereits eine unabhängige Asylverfahrensberatung an. Vor diesem Hintergrund wird die Senatsverwaltung für Integration , Arbeit und Soziales nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht in Abstimmung mit dem LAF und dem BAMF prüfen , in welcher Form die Regelungen des § 12a AsylG n. F. in Berlin umzusetzen sind. 14. Bis wann ungefähr wird der in § 105 AufenthG vorgesehene Übergangszeitraum für die Prüfung, welche Asylbewerber künftig nur noch nach § 60b AufenthG geduldet sein werden, abgeschlossen sein? Zu 14.: Duldungen werden wie im Falle einer Ausbildungsduldung mit einer Geltungsdauer von bis zu drei Jahren ausgestellt, weshalb der Übergangszeitraum so lange andauern kann. Berlin, den 30. Juli 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport