Drucksache 18 / 20 357 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 24. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juli 2019) zum Thema: Gewaltschutzkonzepte und Antwort vom 14. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20357 vom 24. Juli 2019 über Gewaltschutzkonzepte ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Einrichtungen des Landes Berlin im Kinder- und Jugendbereich haben ein Gewaltschutzkonzept, insbesondere als Teil des Kinder- und Jugendschutzes, und seit wann? 8. Hält der Senat ein bundesweit einheitliches Gewaltschutzniveau für wünschenswert und was hat er bisher unternommen, um einheitliche Standards beim Kinder- und Jugendschutz zu etablieren? 9. Inwiefern ist die Vorlage eines Gewaltschutzkonzeptes als Teil des Kinder- und Jugendschutzes durch die Träger insbesondere im Kinder- und Jugendbereich notwendige Bedingung für die Zuwendungsvergabe durch das Land? Wenn nein, warum nicht? 10. Seit wann gelten derartige Vergabebedingungen und ist eine Ausweitung auf andere schutzbedürftige Gruppen geplant bzw. bereits realisiert? Zu 1., 8., 9., 10.: Träger von teilstationären und stationären Einrichtungen der Jugendhilfe sowie von Tageseinrichtungen für Kinder sind verpflichtet, im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens gemäß § 45 Sozialgesetz – Achtes Buch – (SGB VIII) geeignete Verfahren zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen schriftlich dazulegen (Schutzkonzepte). Die Schutzkonzepte umfassen die Bereiche Kinderschutz, Beschwerdemanagement und Partizipation. Alle Einrichtungen mit Betriebs-erlaubnis haben demzufolge entsprechende Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus müssen die Träger weitere Standards zum Kinderschutz einhalten. Hierzu gehören: Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses bei der Einstellung des Beschäftigten und Wiederholung in regelmäßigen Abständen (in der Regel längstens 5 Jahre) in Umsetzung des § 72 a Abs. 2 und 4 SGB VIII, Einhaltung der Regelung nach § 8a Abs. 4 SGB VIII, d.h. Einbeziehung einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“, Meldung konkreter Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung im Rahmen des Berliner Kinderschutzverfahrens. 2 Diese Mindestvorgaben sind auch Fördervoraussetzung für Projekte im Rahmen der Jugendhilfe , die nicht betriebserlaubnispflichtig sind und über Zuwendungen finanziert werden . Neben der Kinder- und Jugendhilfe bestehen institutionelle Gewaltschutzkonzepte in Schulen, in Sportvereinen, in Musikschulen, in der verbandlichen Jugendarbeit, in Kirchengemeinden , in der Flüchtlingshilfe und vielen anderen Einrichtungen und Organisationen . So hat z. B. das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin in Einrichtungen für geflüchtete Menschen die Entwicklung von Gewaltschutzkonzepten und die Umsetzung von Kinderschutzstandards in den Betreiberverträgen verankert. Ein weiteres Beispiel ist die Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt", die der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig gemeinsam mit den Kultusministerien der Länder im Jahr 2016 gestartet hat. Die mehr als 30.000 Schulen in Deutschland sollen fachlich unterstützt und ermutigt werden, Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt zu entwickeln und zum gelebten Schulalltag werden zu lassen. Dazu wurde Informationsmaterial entwickelt und ein Fachportal (https://www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de/home/) eingerichtet. Berlin hat sich am 26. September 2018 der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ angeschlossen und unterstützt das Anliegen des UBSKM, Schutzkonzepte in allen Schulen einzuführen. 2. Wer hat diese Konzepte jeweils erarbeitet und auf welcher Basis? Zu 2.: Die Konzepte werden in Eigenverantwortung durch die freien Träger der Jugendhilfe erarbeitet, die sich im Regelfall durch die entsprechenden Fachberatungen, die Liga der Spitzenverbände oder spezialisierte Träger beraten und begleiten lassen. 3. In welchen Abständen werden die Konzepte evaluiert und von wem? Zu 3.: Die Weiterentwicklung der bestehenden Schutzkonzepte in Tageseinrichtungen von Kindern sowie in den teilstationären/stationären Einrichtungen der Jugendhilfe sind Bestandteil der Qualitätsentwicklung der Träger. Diese sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten z.B. entsprechende Fortbildungen/Qualifizierungen erhalten und im Rahmen von Fall- und Dienstbesprechungen ein fachlicher Austausch hierzu erfolgt. Im Rahmen von anlassbezogenen Prüfungen durch die Einrichtungsaufsicht erfolgt eine Überprüfung bzw. Weiterentwicklung der erarbeiteten und umgesetzten Schutzkonzepte. Auch im Rahmen der externen Evaluation im Bereich der Kitas sowie der Qualitätsdialoge der Träger im Bereich der Hilfen zur Erziehung werden die Bestandteile der Schutzkonzepte und die implementierten Verfahren überprüft. Externe Evaluationen sowie Qualitätsdialoge erfolgen im 5-Jahres-Rhythmus. 4. Gibt es ein einheitliches Konzept für alle entsprechenden Einrichtungen im Kinder- und Jugendbereich in Berlin? 5. Wenn nein, warum nicht? 3 Zu 4. und 5.: Schutzkonzepte enthalten präventive Ansätze und Strategien ebenso wie verbindliche, konkrete Handlungsanweisungen und Handlungsschritte bei (Verdacht) auf Kindeswohlgefährdung . Schutzkonzepte zur Prävention und Intervention von Gewalt sind ein Zusammenspiel aus der Analyse der strukturellen und arbeitsfeldspezifischen Risiken des Trägers , von Vereinbarungen und Absprachen sowie der Haltung und Kultur einer Organisation . Die Leistungsangebote im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe unterscheiden sich sehr. Schutzkonzepte müssen sich deshalb inhaltlich an der spezifischen Zielgruppe, dem jeweiligen Leistungsangebot, an der konzeptionellen Ausrichtung sowie an der Träger- und Organisationsstruktur, einschließlich der jeweiligen Verantwortungsbereiche orientieren. Schutzkonzepte werden passgenau entwickelt und können daher nur einrichtungs- und projektbezogen erstellt werden. 6. Gibt es analoge Schutzkonzepte auch außerhalb des Kinder- und Jugendschutzes; z.B. für andere nicht geschäftsfähige und damit besonders schutzbedürftige Menschen? 7. Wenn nein, warum nicht? Zu 6. und 7: Für Menschen mit Behinderungen in betreuten Wohnangeboten der Eingliederungshilfe hat die Berliner Vertragskommission Soziales (KO 75) für Leistungstypen der Behindertenhilfe eine Anlage zum Berliner Rahmenvertrag (BRV) gemäß § 79 Absatz 1 SGB XII (BRV) „Regelungen und Empfehlungen zum Schutz der Leistungsberechtigten vor sexualisierter Gewalt und Missbrauch“ beschlossen (s. Anlage). Darüber hinaus wird aus Mitteln des Integrierten Gesundheitsprogramms (IGP) und des Integrierten Sozialprogramms (ISP) eine trägerübergreifende Beratungsstelle – Mut-Stelle Berlin – finanziert. Die Beratungsstelle richtet sich an von Gewalt betroffene, besonders schutzbedürftige Menschen, die Gewalt erlebt haben. Auch Träger und Einrichtungen erhalten fachliche Begleitung im Rahmen einer Verdachtsklärung und bei der Interventionsplanung. Die Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. hat eine „Handlungsempfehlung zur Gewaltprävention“ herausgegeben, die jede Werkstatt bei der Entwicklung eines Schutzkonzeptes unterstützt. Wichtiger Teil des Qualitätsmanagements ist die Entwicklung von Grundsätzen und Standards zur Gewaltprävention und zum Schutz vor sexuellen Übergriffen. Im Rahmen der Neuregelung der Umsetzung der Eingliederungshilfe im SGB IX Bundesteilhabegesetz (BTHG) gibt es zu dem Thema eine entsprechende Klausel im neuen Berliner Rahmenvertrag , der diese auch ab dem 01.01.2020 weiterhin verpflichtend vorsieht. Ergänzend existiert im Bereich Drogen und Sucht seit 2009 die Rahmenvereinbarung zum Schutz von Kindern suchtkranker Eltern vor der Gefährdung des Kindeswohls, die zwischen der damaligen Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, der damaligen Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung und der LIGA der Wohlfahrtspflege in Berlin abgeschlossen wurde. 4 In Haushalten mit einem pflegebedürftigen Haushaltsmitglied übernehmen oft auch Kinder und Jugendliche Aufgaben, die deutlich über die Gleichaltriger hinausgehen. Dies kann sich negativ auf ihre persönliche und schulische Entwicklung auswirken. Zu ihrer Unterstützung wird im Zuständigkeitsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im Rahmen der Finanzierung des Projekts „Pflege in Not“ die Onlineberatung www.echt-unersetzlich.de vorgehalten. Berlin, den 14. August 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie