Drucksache 18 / 20 374 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 31. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Juli 2019) zum Thema: Teilabriss des Gesellschaftshauses in Grünau und Antwort vom 14. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Stefan Förster (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 20374 vom 31.07.2019 über Teilabriss des Gesellschaftshauses in Grünau Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und bat daher das Bezirksamt Treptow -Köpenick um eine Stellungnahme, die in die Beantwortung eingeflossen ist. 1. Auf welcher fachlichen und rechtlichen Grundlage erteilte die Untere Denkmalschutzbehörde Treptow -Köpenick am 23.07.2019 die Genehmigung für den Teilabriss des Gesellschaftshauses in Grünau nach dem Brandschaden vom 16.07.2019? Zu 1.: Die denkmalrechtliche Genehmigung wurde auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) erteilt. Die schnelle Bearbeitung der denkmalrechtlichen Genehmigung war zur Gefahrenabwehr und zur Vermeidung eines unkontrollierten Einsturzes der verbliebenen Gebäudeteile geboten. 2. Gab es Vor-Ort-Termine und wenn ja, wann und welche Behörden nahmen daran teil? Was wurde besichtigt und besprochen? Zu 2.: Am 16.07.2019 ab 9 Uhr war eine Mitarbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde (UD) noch während der Löscharbeiten zur ersten Situationseinschätzung vor Ort. Am 19.07.2019 war die UD und die Bauaufsicht zur Situationseischätzung nach Beendi- Seite 2 von 5 gung der Löscharbeiten vor Ort. Das Betreten des Grundstückes war bei beiden Terminen nicht möglich. Am 24.07.2019 trafen sich die UD und das Landesdenkmalamt zur Einschätzung der Situation vor Ort und zum Austausch. Des Weiteren fand an diesem Tag ein Termin mit dem Planungsbüro des Eigentümers, der UD und dem Landesdenkmalamt Berlin (LDA) bezüglich verschiedener Ausführungsdetails zum Bauantrag statt. Zu beachten ist hier insgesamt, dass sowohl das Betreten der Straße vor dem Grundstück und das Betreten des Grundstücks im Bereich der einbruchsgefährdeten Bereiche nicht möglich war und demzufolge tatsächlich nur eine optische Einschätzung getroffen werden konnte. Es ist davon auszugehen, dass weitere Behörden (Polizei, Straßenverkehrsbehörde) vor Ort waren. Darüber kann das Bezirksamt jedoch in der Kürze der Zeit keine umfassende Auflistung zusammenstellen. 3. Wer beauftragte wann einen Prüfstatiker zur Prüfung der Stabilität des Gebäudes? Wie wurde der Statiker aus-gewählt und welche Referenzen besitzt er? Zu 3.: Der Prüfstatiker wurde am 16.07.2019 durch den Bauherrn beauftragt. 4. Ist es zutreffend, dass die Prüfung der Statik von einem Prüfstatiker des Investors erfolgte und wenn ja, mit welcher Begründung, da eine Unabhängigkeit des Urteils hier in Zweifel stehen kann? Zu 4.: Nein, diese Darstellung ist nicht zutreffend. Die vom Bauherrn vorgelegte statische Berechnung der Standsicherheit wurde von einem mit hoheitlichen Aufgaben und Rechten beliehenen Prüfsachverständigen geprüft . Richtig ist, dass der Prüfstatiker vom Bauherren vergütet wird. Dies ist seit der Liberalisierung des Bauordnungsrechts gängige und vom Gesetzgeber gewollte Praxis . Weder die untere Denkmalschutzbehörde noch die bezirkliche Bauaufsicht beschäftigen eigene Prüfstatiker. Der private Prüfsachverständige ist öffentlich bestellt und vereidigt. Somit steht seine Unabhängigkeit nicht in Zweifel. Die Fachaufsicht über öffentlich bestellte Prüfsachverständige obliegt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. 5. Warum wurde nicht einer Abstützung der Außenmauern, die technisch-konstruktiv möglich wäre, der Vorrang gegeben, um sich in Ruhe mit der Möglichkeit des Erhaltes der Gebäudehälfte befassen zu können? Zu 5.: Die Eile war einerseits aufgrund der Einsturzgefahr zur Gefahrenabwehr und zur Vermeidung eines unkontrollierten Einsturzes der verbliebenen Gebäudeteile geboten . Zum anderen soll die Sperrung der Regattastraße, gerade jetzt in der ersten Woche des neuen Schuljahres auf das notwendige Minimum begrenzt werden. Dass Seite 3 von 5 eine Abstützung der Außenmauern technisch-konstruktiv möglich gewesen sei, ist nicht belegt. Hier muss berücksichtigt werden, dass eine Sicherung der Wände von außen und von innen die Betretbarkeit des Gebäudes voraussetzt. Aufgrund der akuten Einsturzgefahr war ein Betreten weder für den Statiker, noch für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter von Sicherungsfirmen möglich. Eine derartige Sicherung hätte von innen und von außen erfolgen müssen, da die Deckenbereiche ebenfalls große Schäden aufweisen und der Einsturz in jede Richtung erfolgen kann. 6. Welche alternativen Sicherungsmaßnahmen im Vergleich zu einem Totalabriss wurden durch wen geprüft und mit welchem Ergebnis? Zu 6.: Es handelt sich nicht um einen Totalabriss, sondern einen sehr kleinteilig differenzierten Teilabbruch der durch den Brand geschädigten und einsturzgefährdeten Bauteile am straßenseitigen Teil des Gesellschaftshauses. Aufwändige Prüfungen von Alternativen waren und sind nicht möglich. Das Gebäude ist aufgrund der Einsturzgefahr nicht betretbar. 7. Inwiefern wurde geprüft, ob mit dem baulichen Zustand des Gebäudeteils auch die Eigenschaft als Denkmal verloren gegangen ist? Zu 7.: Die Denkmaleigenschaft bleibt bestehen. Der leider zu konstatierende Verlust an originaler Bausubstanz reicht bei weitem nicht aus, um den Verlust der Denkmaleigenschaft zu begründen. 8. Wie soll ein verantwortungsvolles Aufräumen der Brandstelle erfolgen, um originalgetreue Elemente , etwa den Stuck an den Decken, zu bergen und fachgerecht zu sichern? Zu 8.: Der Stuck und sonstige Einbauteile waren, soweit vorhanden, bereits vor dem Brand durchgehend kontaminiert und zerstört. 9. Wie kann verhindert werden, dass der Eigentümer aus Kostengründen eine unsachgemäße Beräumung durch-führt? Durch wen und nach welchen Kriterien wird hier eine Fachfirma ausgewählt, die eine sachgerechte Arbeit gewährleisten kann? Zu 9.: Die denkmalrechtliche Genehmigung erging zu diesem Zweck mit folgenden Auflagen : · Die Rückbauarbeiten vor Ort sind durch die örtliche Bauleitung zu überwachen. Es sind entsprechende Berichte zum Fortgang der Rückbaumaßnahmen zu erstellen und regelmäßig unverzüglich der unteren Denkmalschutzbehörde vorzulegen. Seite 4 von 5 · Die Wahl der technologischen Ausführung des Rückbaus ist mit der unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Der Teilrückbau ist sanft, beziehungsweise kontrolliert auszuführen und betrifft nur die in der Statik gekennzeichneten Bereiche. Dabei sind unkontrollierte Einbrüche der Gebäudesubstanz auszuschließen. 10. Wer trägt die Kosten für die Sicherungsarbeiten des Brandschutzes? Zu 10.: Der Bauherr trägt die Kosten. 11. Welche Zugeständnisse und Vorgaben für den jetzt abgebrannten Gebäudeteil des Gesellschaftshauses gab es vor dem Brand im Rahmen der denkmalrechtlichen Genehmigung und der Baugenehmigung ? Was sollte erhalten bleiben und was abgerissen werden? Wie wurde dies begründet? Zu 11.: Die Dachkonstruktion des Gesellschaftshauses sollte in gleicher Kubatur und Höhenlage mit einer Eindeckung aus Bitumendeckung als Pfetten-Dach wiederhergestellt werden. Die Erneuerung war aufgrund des akuten Schadensbildes des Bestandes notwendig. Die Traufen und Ortgänge am Gesellschaftshaus sollten mit einer Profilierung in Anlehnung an den Bestand wiederhergestellt werden. Mit der Baugenehmigung wurden zur notwendigen Belichtung der Innenräume Dachflächenfenster in den Dachflächen zugelassen. In den von außen nicht einsehbaren Bereichen sind zwei Dacheinschnitte für die Terrassen der Dachwohnungen vorgesehen , einer davon dient der Feuerwehr als Anleiter-Möglichkeit für den zweiten Rettungsweg . Die vorhandenen Decken sollten in der bisherigen Planung rückgebaut und erneuert werden. Die denkmalrechtliche Genehmigung dazu wurde im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens erteilt. Das Bezirksamt hat mit dem Bauherrn einen denkmalrechtlichen Vertrag abgeschlossen . Vertraglich vereinbart ist, dass das Gesellschaftshaus für eine Wohnnutzung mit 34 Wohneinheiten hergerichtet werden soll. Diese sind in barrierefrei in Anlehnung an die Anforderungen der DIN 18040 auszuführen. Alle Maßnahmen sind vertraglich geregelt. Generell müssen im Zuge der Ausführungsplanung relevante Details mit der unteren Denkmalschutzbehörde unter Hinzuziehung des Landesdenkmalamtes abgestimmt und freigegeben werden. 12. Handelt es sich bei dem jetzt geplanten Wiederaufbau des Gebäudeteils um einen originalen Wiederaufbau im Zustand der Erbauungszeit und in seiner ursprünglichen Anmutung? Seite 5 von 5 Zu 12.: Die Beantwortung dieser Frage ist zum heutigen Planungszeitraum noch nicht möglich . Sie bedarf der umfangreichen Prüfung und Gegenüberstellung der beiden Varianten durch die Denkmalschutzbehörden. Ziel ist, die denkmalverträglichste Variante zu bestimmen. 13. Ist der Gebäudeteil nach dem Wiederaufbau im rechtlichen Sinne noch ein Denkmal mit allen damit zusammenhängenden Aspekten (z.B. steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten) oder handelt es sich um einen Neubau, der sich an der alten Substanz orientiert? Zu 13.: Die Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, wieviel Originalsubstanz noch vorhanden ist und wieviel Originalsubstanz nach Beendigung der Wiederaufbaumaßnahmen noch vorhanden sein wird. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, dass das Denkmal mit seinen wesentlichen, die Denkmaleigenschaft begründenden Merkmalen erhalten ist und seiner Funktion noch gerecht werden kann. Grundsätzlich können auch Teile eines Gebäudes unter Denkmalschutz gestellt werden beziehungsweise Denkmalwert haben. Aus der denkmalfachlichen Einschätzung, dass noch ausreichend denkmalwerte Substanz verblieben ist, um von einem Baudenkmal zu sprechen, ergeben sich die rechtlichen Konsequenzen nach dem Denkmalschutzgesetz: Die Pflicht zur Erhaltung und Unterhaltung des Denkmals (des Denkmalrestes) ebenso sowie das Recht auf staatliche Unterstützung in Form von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten . Berlin, den 14.08.2019 In Vertretung Gerry Woop Senatsverwaltung für Kultur und Europa