Drucksache 18 / 20 425 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 05. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. August 2019) zum Thema: Telefonkosten in Justizvollzugsanstalten – Haftungsfalle für den Steuerzahler? und Antwort vom 21. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20425 vom 5. August 2019 über Telefonkosten in Justizvollzugsanstalten - Haftungsfalle für den Steuerzahler? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In der Drucksache 18/17865 vom 12.02.2019 nennt der Senat als minütliche Telefonkosten aus der JVA Tegel einen Preis von einem Cent pro Minute in das Festnetz und fünf Cent in das Mobilfunknetz. In den JVAs Heidering; Moabit, Plötzensee sowie der JVA für Frauen und der Jugendstrafanstalt beträgt der Preis demnach hingegen sieben Cent pro Minute in das Festnetz und 23 Cent in das Mobilfunknetz, liegt also um bis zu 600 % über dem Preis für dieselbe Leistung in der JVA Tegel. Anbieter ist in allen Fällen die Hamburger Telio Management GmbH. Sind diese Angaben noch aktuell? Seit wann gelten diese jeweils? Zu 1.: Die angegebenen Tarife sind noch aktuell. Im Jahr 2018 konnten die Tarife in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit, der JVA Heidering, der JVA Plötzensee, der JVA für Frauen Berlin sowie der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin vereinheitlicht und gesenkt werden . Der dortige Tarif gilt seit August 2018. In der JVA Tegel gilt nach Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens der noch günstigere Tarif seit Oktober 2018. 2. Falls ja, welche sachlichen Gründe sind dem Senat, insbesondere der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz , für diese erheblichen Unterschiede in der Preisgestaltung bekannt? Zu 2.: Als eigenständige Dienstbehörden haben die einzelnen Justizvollzugsanstalten jeweils selbstständig Verträge bezüglich des Telefonie-Angebots für Gefangene bzw. Sicherungsverwahrte abgeschlossen. Im Jahr 2018 konnten die Vertragslaufzeiten für fünf Justizvollzugsanstalten vereinheitlicht und gleichzeitig die Tarife gesenkt werden. Der Vertrag für die JVA Tegel konnte von der Harmonisierung nicht umfasst werden. Der neue Tarif in der JVA Tegel wurde nach Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens erreicht. 3. Ist die Telio GmbH der einzige Anbieter, den Insassen der jeweiligen Justizvollzugsanstalten für Telefongespräche nutzen können? 2 Zu 3.: In den genannten Justizvollzugsanstalten ist die Telio GmbH derzeit die einzige Anbieterin für Telefonie. 4. Falls ja, befinden sich die Insassen hinsichtlich des telefonischen Kontakts mit z.B. Angehörigen diesbezüglich in einer Zwangslage im Sinne des § 291 StGB? Falls nein, welche konkreten anderen Möglichkeiten zum telefonischen Kontakt mit Angehörigen haben die Insassen der jeweiligen JVAs? Zu 4.: Die Gefangenen bzw. Sicherungsverwahrten befinden sich nicht in einer Zwangslage . Das Telefonieren ist nur eine von mehreren Formen möglichen Außenkontakts. 5. Hat der Senat - falls ja, wann genau mit welchem Ergebnis - nach den Vorwürfen der innenpolitischen Sprecher der Grünen in Hamburg und Schleswig-Holstein im Jahr 2013 zur angeblichen „Abzocke“ von Insassen von JVAs durch Telefonkosten der Telio GmbH die Preisgestaltung der Telio GmbH in Berlin überprüft? Zu 5.: Der Senat hat die in den Antworten zu den Fragen 1. und 2. beschriebenen Maßnahmen getroffen. Ziel ist es, die Preise für Telefonie in den Berliner Justizvollzugsanstalten weiter zu senken und zu vereinheitlichen. Insbesondere ist geplant, eine einheitliche landesweite Ausschreibung der zukünftigen Telefonie in den Berliner Justizvollzugsanstalten durchzuführen. Durch die Bündelung ist mit einer weiteren Reduktion der Kosten zu rechnen. 6. War der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz das Urteil des OLG Frankfurt zu 15 U 181/17 gegen das Land Hessen im Bezug auf die Telio-Gruppe bei der Prüfung zu 5) bisher bekannt? (https://www.prison-watch.de/download/urteile/OLG_frankfurt_15_U_181-17.pdf) Zu 6.: Die Entscheidung ist dem Senat bekannt. Auch in anderen gerichtlichen Entscheidungen ist bereits festgestellt worden, dass die Fürsorgepflicht der Justizvollzugsanstalten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebieten, Telefonie zu marktgerechten Preisen zu ermöglichen. Zur Umsetzung dieser Anforderungen hat der Senat die beschriebenen Maßnahmen ergriffen. 7. Soweit das OLG Frankfurt dort eine Pflichtverletzung annimmt und dabei unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausführt, allein maßgeblich für die Frage einer Pflichtverletzung sei das Verhältnis von vereinbarten Preisen zu „marktüblichen Tarifen“, weshalb nimmt der Senat angesichts der zu 1) beschriebenen Preisdifferenz von bis zu 600 % keine Pflichtverletzung an? Zu 7.: Der Senat hat keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der in JVA Tegel geltende Tarif nicht marktüblich sei. Unabhängig von der zur Berechnung der Marktgerechtigkeit angewandten Methode geht der Senat davon aus, dass der in den übrigen Justizvollzugsanstalten geltende Tarif noch den Anforderungen entspricht, die das Landgericht Berlin seinerzeit im Beschluss vom 17. Januar 2017 (587 StVK 80/15 Vollz) an die Neugestaltung der Tarifstruktur der Gefangenentelefonie gestellt hat und mithin auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dennoch strebt der Senat die weitere Senkung der Kosten für die Telefonie und mithin die Verringerung der Preisdifferenz an. 3 8. Welcher Gesamtumsatz für Telefonkosten von Insassen ist in den einzelnen Berliner JVAs in den Jahren 2012 bis 2018 und welcher bisher in 2019 entstanden? Welchen Schadenersatz müsste das Land Berlin insgesamt leisten, wenn eine Pflichtverletzung wie durch das OLG Frankfurt auch für die Berliner JVAs rechtkräftig festgestellt würde? Zu 8.: Angaben zum Gesamtumsatz als dem Gesamtwert aller innerhalb des genannten Zeitraums erbrachten Leistungen liegen dem Senat nicht vor, da die Abrechnung der Leistungen direkt zwischen dem Inhaftierten und dem Anbieter erfolgt. Berlin, den 21. August 2019 In Vertretung Dr. Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung